Bild: Claudia Roth, wikimedia commons, Bündni90/Die Grünen Bundestagsfraktion, Bildlizenz: CC BY-SA 4.0

Claudia Roth wird Kulturstaatsminister

Eigentlich ist ja von jeher „Kultur“ Län­der­sache gewesen. Und daher gibt es auch kein eigenes Bun­des­mi­nis­terium für Kultur. Aller­dings, wie das ja in den letzten zwei Jahr­zehnten immer deut­licher zutage tritt, hat die Politik die Tricks, wie man einfach Ver­fassung und Gesetze unter­laufen, umgehen oder schlicht igno­rieren kann, zu Meis­ter­schaft gebracht. 1998 wurde das Amt des Kul­tur­staats­mi­nisters ein­ge­führt. Und dieses Amt bekommt jetzt in der neuen „Ampel­re­gierung“ die bis­herige Vize­prä­si­dentin des Bun­des­tages, Claudia Roth. Da kann einem noch um die Reste der Kultur in Deutschland Angst und Bange werden, sagen die meisten. Die Roten und Grünen freut es, den Baye­ri­schen Rundfunk auch.

Frau Roth ist insofern die per­so­ni­fi­zierte Ampel: Jetzt gibts grüne Kul­tur­po­litik durch Roth, Gelb ent­fällt, Gelb steht für „Vor­sicht!“ und die gibt‘s nicht mehr in der Politik. Das Amt des Kul­tur­staats­mi­nisters ist direkt am Kanz­leramt ange­siedelt und durchaus nicht unwichtig. Frau Roths Vor­gänger, die CDU-Poli­ti­kerin Monika Grütters, weitete die Kom­pe­tenzen dieses Amtes beträchtlich aus. Und so verfügt es heute über einen Etat von mehr als zwei Mil­li­arden Euro, mit dem man schon etwas anfangen kann.

Zum Bei­spiel stellt auch das Aus­wärtige Amt dem Kul­tur­staats­mi­nister beträcht­liche Finanz­mittel für die weltweit fast überall ver­tre­tenen Nie­der­las­sungen des Goethe-Instituts zur Ver­fügung und steuert auch die Politik dieser Niederlassungen.

Für die meisten war die Nomi­nierung Claudia Roths eine Über­ra­schung. Angeblich wusste man aller­dings als Insider schon eine Weile, dass es auf sie hin­aus­laufen würde. Sie ist eine der Ältesten und Erfah­rensten unter den Grünen und als Vize­prä­si­dentin des Bun­des­tages auch niemand, den man über­gehen kann. Dass Frau Roth gerade jetzt, wo endlich die Grünen mit in der Regie­rungs­ver­ant­wortung ein gewich­tiges Wort mit­reden können, gar nicht daran denkt, sich wieder mit einem Abge­ord­ne­ten­status zufrieden zu geben, war zu erwarten.

Nur, welches Resort hätte man ihr sonst geben können? Die Dame ist laut, streitbar und durchaus nicht fein­fühlig. Nicht, dass die Bun­des­mi­nister nor­ma­ler­weise in dem Fach­be­reich ihres Minis­te­riums auch ver­siert wären, das ist eher eine Aus­nahme. Wir erinnern uns noch an Herrn Dr. Philipp Rösler, der immerhin als stu­dierter Arzt durchaus Fach­wissen in das Amt des Gesund­heits­mi­nisters ein­bringen konnte. Sowas geht gar nicht, so jemand quatscht nur in das gut geölte Netzwerk seiner Minis­te­ri­ums­an­ge­stellten und ‑beamten rein, die sich dort gut ein­ge­richtet haben. Herr Dr. Rösler (FDP/WEF) wurde irgendwann elegant ins Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­terium ver­setzt, wo er nicht unge­beten mit medi­zi­ni­scher Fach­kenntnis dazwi­schen­funken konnte.

Minis­te­ri­ums­mit­ar­beiter sehen die Dinge mit tao­is­ti­scher Gelas­senheit: Minister kommen und gehen, die Minis­te­ri­ums­be­amten bleiben und machen das, was sie schon immer gemacht haben. Im Zwei­felsfall geben sie auch dem neuen Minister ganz klar Bescheid, wo der Frosch die Locken hat, und dann ist Ruhe. So hat man sein Aus­kommen miteinander.

Unter Frau Minis­terin Roth könnte das anders werden. Sie hat außer von einer unbe­irr­baren Durch­set­zungs­kraft plus gelernte Grü­nen­po­li­ti­kerin zu sein eigentlich tat­sächlich nur Expertise im Kul­tur­be­trieb. Damit gehört sie zu den wenigen, die Ahnung von ihrem Resort haben.

Die heute 66Jährige begann als Dra­ma­turgie- und Regie­as­sis­tentin am Lan­des­theater Schwaben und stu­dierte später Thea­ter­wis­sen­schaft, Geschichte und Ger­ma­nistik in München. Aber nur zwei Semester lang. Sie ging zurück in die Praxis als Dra­ma­turgie-Assis­tentin und Dra­ma­turgin an die Stät­di­schen Bühnen Dortmund. Von da aus zum „Hoff­manns Comic Theater“ in Unna. Dort küm­merte sie sich auch in einem Ver­mitt­lungsbüro um Freie Gruppen und Ama­teur­theater. Später, in den frühen 80er Jahren war sie dann die Mana­gerin der Polit­rockband „Ton Steine Scherben“ von Rio Reiser. Diese Tätigkeit endete, als die Band Pleite ging.

Das war der Beginn ihrer poli­ti­schen Kar­riere, viel­leicht auch, weil da dank des Steu­er­zahlers nichts Pleite gehen kann. Ihre Anfänge star­teten bei den Jung­de­mo­kraten der SPD, von da aus kam sie zu dem Zusam­men­schluss Bündnis90/DieGrünen. 1989 wurde Claudia Roth Pres­se­spre­cherin der Bun­des­tags­fraktion der Grünen. Hier war sie auf der Start­rampe nach oben. Von 1989 bis 1998 saß sie bereits im Euro­päi­schen Par­lament und auch da brachte sie es zur Vor­sit­zenden der Grü­nen­fraktion. Daneben war sie Vize­prä­si­dentin des par­la­men­ta­ri­schen Aus­schusses EU-Türkei. Sie enga­gierte sich für die kur­dische Min­derheit in der Türkei und für die Gleich­be­rech­tigung der Homo­se­xu­ellen, ein Vor­läufer der LBGT-Bewegung, was man in der Türkei nicht gou­tierte. Später wurde sie Bun­des­vor­sit­zende der Partei Bündnis90/Die Grünen und deren frau­en­po­li­tische Spre­cherin. Sie wech­selte in der Folge mehrfach Ämter und Posi­tionen, bis sie seit 2013 die Vize­prä­si­dentin des Deut­schen Bun­des­tages wurde, ein Amt, in dem sie am 26. Oktober 2021 bestätigt wurde.

Sogar die links­grüne Main­stream­presse bescheinigt Frau Roth, eine der „pola­ri­sie­rendsten Poli­ti­ke­rinnen Deutsch­lands“ zu sein: „Ent­weder man mag sie, oder man findet sie richtig nervig.“ Claudia Roth griff das in einer Kam­pagne auf, mit der sie mehr Frauen in die Grüne Partei holen wollte und kre­ierte das Motto „Wer nervt mehr als Claudia?“. In der Partei selber gilt sie als deren „linkes Gewissen“. Immerhin ist sie zu Selbst­ironie fähig.

Frau Roth reprä­sen­tiert also den gesamten Katalog der „links­grünen Werte“, von Frau­en­po­litik über LGTB und Gen­der­ge­rech­tigkeit, Umwelt und Klima, Ein­wan­derung und Anti­ras­sismus, Mul­ti­kulti, Anti­fa­schismus und Naziwahn usw. usf. Und wird das natürlich auch in ihre Arbeit als Kul­tur­staats­mi­nister ein­bringen. So wie ihr Amt auch immer deckungsl­gleich mit „ihr als Person“ war, wird es hier auch. Kultur ist ab heute das, was Frau Roth dafür hält. Punkt. Das ist zwar nicht das, was das Volk will, aber daran haben sich die Deut­schen ja schon gewöhnt. Wir haben heute ganz andere Willkür zu ertragen, als Frau Roths Ver­ständnis von Kultur.

Die linke „taz“ reibt sich schon erfreut die Hände:

„Aber vor allem dürfte Claudia Roth die von Grütters beför­derte Preu­ßen­re­nais­sance – siehe Fassade und Kuppel des Groß­pro­jekts Hum­boldt-Forum – nicht fortsetzen.

Als Ex-Mana­gerin der Band Ton Steine Scherben sollte die künftige Staats­mi­nis­terin auch wissen, wie man ein allzu lautes Glo­cken­geläut der Gar­ni­son­kirche zu Potsdam künftig unterbindet.“