(von Alexander Kohlhaas)
Na, lieber Leser,
haben Sie nicht auch langsam die Nase voll von den vermeintlich irrwitzigen Corona-Maßnahmen? Erscheint es Ihnen etwa unlogisch, dass Sie in einem Restaurant Ihre Maske am Platz abnehmen dürfen, wenn Sie gleichzeitig dicht an dicht mit anderen Menschen an einem Tisch sitzen, auf dem Weg zur Toilette die Maskierung jedoch wiederherstellen sollen? Wundern Sie sich etwa darüber, dass Sie an einem Terminal eines Flughafens 1,5m Abstand zu Ihrem Vordermann halten müssen, dieser Vordermann in der Flugkabine jedoch direkt neben Ihnen platziert wird?
Wundert es Sie tatsächlich, weshalb Schüler im Stehen essen sollen?
Ich sage eins dazu: Diese Corona-Maßnahmen sind alles andere als absurd. Sie machen hochgradig Sinn.
In meinen Büchern beschreibe ich, wie Menschen auf den Weg des Totalitarismus geraten, mit welchen Mechanismen sie gefesselt werden und zeige Möglichkeiten auf, diesen Fesseln zu entkommen. Doch auch ich habe mich als Kind und Heranwachsender immer wieder gewundert, dass Mitglieder der Zeugen Jehovas Lehränderungen akzeptierten, die den zuvor verkündeten Lehren oftmals diametral entgegenstanden. Weshalb können langgediente Zeugen Jehovas offensichtliche Widersprüche nicht als solche erkennen? Weshalb sehen sie ihre eigenen Verdrehungen nicht? Weshalb antworten sie so oft, angesprochen auf den Kindesmissbrauch, der von der australischen Royal Commission aufgearbeitet wurde, dass es in der katholischen Kirche viel schlimmer sei? Weshalb wollen sie ihre eigenen Fehler nicht sehen (übrigens werbe ich in meinem Buch „Kampf gegen Gott“ intensiv um eine völlig neue Art der Fehlerkultur)?
Neben hypnotischen Effekten, die wirken können, bin ich durch das Beobachten der Menschen in meinem Umfeld zu folgenden Schlüssen gekommen: Je mehr Zeit und Energie ein Sektenangehöriger investiert hat, desto mehr kann er diesen Weg nicht mehr korrigieren, weil das Eingestehen eines Fehlers oder die Einsicht, einen falschen Weg eingeschlagen zu haben, zu belastend wäre. Das Eingestehen würde die weggepanzerten Emotionen des Schmerzes, der Wut oder der Trauer aufbrechen lassen. Wut darüber, manipuliert worden zu sein. Schmerz und Trauer darüber, Familienangehörige von sich gestoßen zu haben, die vor der Sekte warnen wollten, oder den Kontakt zum eigenen Kind abgebrochen zu haben, weil es sich den Regeln der Sekte nicht unterwerfen wollte. Schmerz darüber, so viel Zeit vergeudet zu haben. Schmerz darüber, womöglich über Jahrzehnte hinweg
NICHT GELEBT
oder
NICHT GELIEBT ZU HABEN!
Je mehr also ein Mensch in ein Thema involviert ist und je länger er einer Idee anhängt, desto weniger wird er sich davon abbringen lassen. Schienen die Anti-Corona-Regeln anfänglich noch sinnvoll und wurden sie mit dem Argument verbunden, die vulnerablen Gruppen zu schützen, kann der, scheinbar vernünftige Verstand keine Argumente dagegen aufbringen. Denn gäbe es tatsächlich eine massive Bedrohung, wären sinnvolle Schutzmaßnahmen nämlich genau das – vernünftig. Masken beispielsweise gehören nicht dazu – die Studienlage ist da weitestgehend eindeutig.
Die Traumatisierung der Bevölkerung wurde und wird durch Medien und Politik gezielt vorangetrieben. Je größer die Traumatisierung, desto größer die Identifikation mit den Zielen des Aggressors – das hat Iwan Pawlow bereits vor ca. einem Jahrhundert nachgewiesen und ist im Rahmen des Stockholmsyndroms, zumindest theoretisch, seit den 1970er-Jahren auch der breiten Öffentlichkeit bekannt.
Werden nun völlig unsinnige Maßnahmen durchgedrückt, muss mehr Zeit und Mühe investiert werden, um diese vor sogenannten Querdenkern, oder auch vor sich selbst, zu rechtfertigen. Je mehr Kraft man dafür aufbringen muss, desto mehr wähnt man sich auf dem scheinbar richtigen Weg – ich kann Ihnen unzählige Geschichten aus meiner Kindheit mit den seltsamsten Erklärungen von Zeugen-Jehovas-Menschen liefern, die ihre Untaten mit der scheinbar richtigen Moral rechtfertigten. Je mehr Kraft für eine Sache aufgewendet wurde, desto mehr erschöpft sich die Kraft, sich rechtfertigen oder erklären zu müssen. Je größer die Erschöpfung, desto größer der Hang zur Apathie oder des scharfen Ausgrenzens Andersdenkender. Je größer die Apathie, desto mehr werden die Maßnahmen, die als alternativlos deklariert werden, akzeptiert. Und umso mehr bekämpft man die Andersdenkenden, denn die schleppen nicht nur das Virus mit sich herum, sondern sind eine immense Gefahr für den eigenen, identitätsstiftenden Weg.
Denn nur „WIR“ haben die einzig wahre Religion oder eben die beste Moral aller Zeiten – und das auch noch im besten Deutschland aller Zeiten. Und auch das rechtfertigt alle Maßnahmen Andersdenkenden gegenüber – und seien sie noch so unmoralisch. Oder?
Weshalb merken Menschen seit Jahrtausenden nicht, dass das ein Irrweg ist?
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