Etwa zehn Prozent aller Gefängnisinsassen sind gar keine Kriminellen und haben auch niemandem etwas zuleide getan. Sie sind einfach nur nicht in der Lage, die ihnen aufgebrummten Geldstrafen zu zahlen – oder schlicht nicht willens, die verhängten Geldstrafen zu zahlen, wie zum Beispiel die Zwangsgebühr für die öffentlich-rechtlichen Propagandaanstalten, die sie weder nutzen, noch bestellt haben. Jetzt fällt dem neuen FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann auf, dass die Gefängnisse zu einem nicht gerade geringen Teil mit Leuten besetzt sind, die gar nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden und will das ändern.
Die neue Praxis des mittelalterlichen Schuldturms scheint aus der Zeit gefallen zu sein. Denn ein säumiger Zahler, der gar nicht über die nötigen Mittel verfügt, kann und wird auch nicht eher die Geldstrafe bezahlen, wenn er eingekerkert wird. Im Gegenteil, er wird vielleicht noch seinen Job los und muss dann noch mit Hartz IV von der Gemeinschaft unterstützt werden. Und, wie im Mittelalter, die Verwandtschaft zur Auslösung des Gefangenen zu pressen ist heute nicht mehr so wirklich üblich.
Wer partout nicht zahlen will, weil er das schlicht nicht einsieht, beispielsweise bei der GEZ oder wegen irgendwelcher unangemeldeter Spaziergänge, macht das durchaus auch, um damit ein öffentliches Zeichen zu setzen und avanciert damit bisweilen zum Widerstandshelden – und das kann die Politik grad mal gar nicht brauchen. Die Stimmung ist eh schon gereizt – und das könnte einer der Beweggründe zu dieser Überlegung sein.
Die unangemeldeten Demos und „Spaziergänge“ nehmen überall zu. Die kriminalisierten „Spaziergänger“ denken oft auch gar nicht dran, irgendwelche Strafen zu bezahlen. Was will die Politik machen, wenn sie zu großen Zahlen ins „Café Viereck“ einfahren müssen?
Und was, wenn die aufgrund der verfehlten, grünen Energiepolitik zahlungsunfähigen Kunden der Stromversorger einrücken müssen? Das werden noch größere Zahlen sein. Die Energiearmut wird gewaltig werden. Schauen Sie mal im Netz die Strompreise pro Kilowattstunde an, die sie jetzt schon zahlen müssen, wenn Sie einen Neuvertrag schließen wollen. Das sind Preise von 75 Cent bis 90 Cent pro Kilowattstunde. Da kommen leicht die mehr als doppelten Stromkosten im Monat zusammen. Und Heizöl für den Winter? Da sollten Sie jetzt schon für sparen. Das wird locker das Doppelte des üblichen. Da werden viele Rechnungen offen bleiben. Heizöl wird es im Herbst vielleicht für viele nur noch gegen Vorkasse geben.
Und wenn Sie das nicht können? Nun, da ist es doch besser in einer geheizten Zelle mit fließend Wasser, Vollverpflegung und Anstaltsbibliothek, Fernseher, Fitnessraum, gestellter Kleidung und ärztlicher Versorgung auf Staatskosten, oder?
Das gab’s in der guten, alten Zeit auch schon. Meine Oma, Jahrgang 1904, erzählte mir, dass wenn der Winter kam, die Landstreicher und sehr armen „Hütteler“ vor die Gefängnisse zogen und dort vor den Toren riefen „Unser hochverehrter Herr Kaiser Wilhelm ist ein A…loch!“, worauf man ihn natürlich festnahm und zu einem halben Jahr Gefängnisstrafe wegen Majestätsbeleidigung verdonnerte. Die Verurteilten waren zufrieden, rückten ein und erhielten zum Willkommen in der Wachstube ihren ersten Kaffee mit Zucker und Weißbrot zum Eintunken, wie jedes Jahr.
Nun möchte der Bundesjustizminister das Schwarzfahren entkriminalisieren. Das Thema kommt nicht einfach so aus einer Laune heraus. Tausende müssen jedes Jahr deswegen in Haft und im Extremfall kann das ein Jahr Gefängnis bedeuten. Während Neubürger aus aller Herren Länder für echte Straftaten oft mit Bewährung davon kommen, werden Tausende wegen Schwarzfahrens ins Gefängnis geworfen. Grundlage ist der Paragraph 265a:
Strafgesetzbuch (StGB): § 265a Erschleichen von Leistungen
(1) Wer die Leistung eines Automaten oder eines öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationsnetzes, die Beförderung durch ein Verkehrsmittel oder den Zutritt zu einer Veranstaltung oder einer Einrichtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu entrichten, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.
Bei den meisten, die ins Gefängnis müssen, handelt es sich um Menschen, die wirklich das Geld nicht haben. Arbeitslose, Leute ohne festen Wohnsitz, psychisch Kranke, Suizidgefährdete, manchmal alles zusammen. Manchmal auch alte Leute, die weder weite Wege zu Fuß gehen können, noch das Geld haben, das Fahrgeld zu bezahlen.
Der Journalist Arne Semsrott, der auch bei der Webseite „Frag den Staat“ mitarbeitet, hat eine Initiative ins Leben gerufen. Auf der Seite Freiheitsfonds.de fordert er die Abschaffung des §265a und zeigt, wie viele inhaftierte Schwarzfahrer sein Freiheitsfonds schon aus den Gefängnissen geholt hat. Eines seiner besten Argumente: Jeder Hafttag spart dem Steuerzahler 150 Euro.
Da fast alle Inhaftierten sowieso nicht in der Lage sind, das Fahrgeld zu bezahlen und die Geldstrafe auch nicht, ist die Inhaftierung sowieso sinnlos. Die wenigsten, die beim Schwarzfahren erwischt werden, lassen es auf einen Gerichtstermin ankommen. Meist kommt ja eh vorher der Gerichtsvollzieher und holt sich das Geld. Nur, wer nicht zahlen kann oder will, kommt bis vor Gericht.
Minister Buschmann will die Gesetze auf noch weitere „historisch überholte Straftatbestände“ durchleuchten, um die Justiz zu entlasten. Seltsam nur, dass Herr Minister Buschmann beim Deutschlandfunk dafür einen dicken, roten Punkt und auch noch schwärzlichen Nebel auf sein Bild gelegt bekommt. Was bisher immer sehr auffällig im Zusammenhang mit missliebigen Äußerungen und angreifbaren Positionen auftaucht. Je größer und näher der Punkt rückt und besonders dann, wenn der Betreffende noch schwarz umwölkt ist, umso gefährdeter ist die Person, niedergeschrieben und aus dem Amt entfernt zu werden. Es passte eigentlich bisher immer. Das hab ich hier mal aufgezählt. Warum taucht das jetzt hier bei Justizminister Buschmann auf? Weil er sich bei der Impfpflicht gegen Ministerpräsident Söder stellt?
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