Bundesjustizminister Marco Buschmann, Wikimedia Commons, Sandro Halank, CC BY-SA4.0

Bun­des­jus­tiz­mi­nister Buschmann: Ersatzhaft für zah­lungs­un­fähige Geld­stra­fen­schuldner soll ver­mieden werden

Etwa zehn Prozent aller Gefäng­nis­in­sassen sind gar keine Kri­mi­nellen und haben auch nie­mandem etwas zuleide getan. Sie sind einfach nur nicht in der Lage, die ihnen auf­ge­brummten Geld­strafen zu zahlen – oder schlicht nicht willens, die ver­hängten Geld­strafen zu zahlen, wie zum Bei­spiel die Zwangs­gebühr für die öffentlich-recht­lichen Pro­pa­gan­da­an­stalten, die sie weder nutzen, noch bestellt haben. Jetzt fällt dem neuen FDP-Bun­des­jus­tiz­mi­nister Marco Buschmann  auf, dass die Gefäng­nisse zu einem nicht gerade geringen Teil mit Leuten besetzt sind, die gar nicht zu einer Frei­heits­strafe ver­ur­teilt wurden und will das ändern.

Die neue Praxis des mit­tel­al­ter­lichen Schuld­turms scheint aus der Zeit gefallen zu sein. Denn ein säu­miger Zahler, der gar nicht über die nötigen Mittel verfügt, kann und wird auch nicht eher die Geld­strafe bezahlen, wenn er ein­ge­kerkert wird. Im Gegenteil, er wird viel­leicht noch seinen Job los und muss dann noch mit Hartz IV von der Gemein­schaft unter­stützt werden. Und, wie im Mit­tel­alter, die Ver­wandt­schaft zur Aus­lösung des Gefan­genen zu pressen ist heute nicht mehr so wirklich üblich.

Wer partout nicht zahlen will, weil er das schlicht nicht ein­sieht, bei­spiels­weise bei der GEZ oder wegen irgend­welcher unan­ge­mel­deter Spa­zier­gänge, macht das durchaus auch, um damit ein öffent­liches Zeichen zu setzen und avan­ciert damit bis­weilen zum Wider­stands­helden – und das kann die Politik grad mal gar nicht brauchen. Die Stimmung ist eh schon gereizt – und das könnte einer der Beweg­gründe zu dieser Über­legung sein.

Die unan­ge­mel­deten Demos und „Spa­zier­gänge“ nehmen überall zu. Die kri­mi­na­li­sierten „Spa­zier­gänger“ denken oft auch gar nicht dran, irgend­welche Strafen zu bezahlen. Was will die Politik machen, wenn sie zu großen Zahlen ins „Café Viereck“ ein­fahren müssen?

Und was, wenn die auf­grund der ver­fehlten, grünen Ener­gie­po­litik zah­lungs­un­fä­higen Kunden der Strom­ver­sorger ein­rücken müssen? Das werden noch größere Zahlen sein. Die Ener­gie­armut wird gewaltig werden. Schauen Sie mal im Netz die Strom­preise pro Kilo­watt­stunde an, die sie jetzt schon zahlen müssen, wenn Sie einen Neu­vertrag schließen wollen. Das sind Preise von 75 Cent bis 90 Cent pro Kilo­watt­stunde. Da kommen leicht die mehr als dop­pelten Strom­kosten im Monat zusammen. Und Heizöl für den Winter? Da sollten Sie jetzt schon für sparen. Das wird locker das Dop­pelte des üblichen. Da werden viele Rech­nungen offen bleiben. Heizöl wird es im Herbst viel­leicht für viele nur noch gegen Vor­kasse geben.

Und wenn Sie das nicht können? Nun, da ist es doch besser in einer geheizten Zelle mit fließend Wasser, Voll­ver­pflegung und Anstalts­bi­bliothek, Fern­seher, Fit­nessraum, gestellter Kleidung und ärzt­licher Ver­sorgung auf Staats­kosten, oder?

Das gab’s in der guten, alten Zeit auch schon. Meine Oma, Jahrgang 1904, erzählte mir, dass wenn der Winter kam, die Land­streicher und sehr armen „Hüt­teler“ vor die Gefäng­nisse zogen und dort vor den Toren riefen „Unser hoch­ver­ehrter Herr Kaiser Wilhelm ist ein A…loch!“, worauf man ihn natürlich festnahm und zu einem halben Jahr Gefäng­nis­strafe wegen Majes­täts­be­lei­digung ver­don­nerte. Die Ver­ur­teilten waren zufrieden, rückten ein und erhielten zum Will­kommen in der Wachstube ihren ersten Kaffee mit Zucker und Weißbrot zum Ein­tunken, wie jedes Jahr.

Nun möchte der Bun­des­jus­tiz­mi­nister das Schwarz­fahren ent­kri­mi­na­li­sieren. Das Thema kommt nicht einfach so aus einer Laune heraus. Tau­sende müssen jedes Jahr des­wegen in Haft und im Extremfall kann das ein Jahr Gefängnis bedeuten. Während Neu­bürger aus aller Herren Länder für echte Straf­taten oft mit Bewährung davon kommen, werden Tau­sende wegen Schwarz­fahrens ins Gefängnis geworfen. Grundlage ist der Para­graph 265a:

Straf­ge­setzbuch (StGB): § 265a Erschleichen von Leistungen

(1) Wer die Leistung eines Auto­maten oder eines öffent­lichen Zwecken die­nenden Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­netzes, die Beför­derung durch ein Ver­kehrs­mittel oder den Zutritt zu einer Ver­an­staltung oder einer Ein­richtung in der Absicht erschleicht, das Entgelt nicht zu ent­richten, wird mit Frei­heits­strafe bis zu einem Jahr oder mit Geld­strafe bestraft, wenn die Tat nicht in anderen Vor­schriften mit schwe­rerer Strafe bedroht ist.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) Die §§ 247 und 248a gelten entsprechend.

Bei den meisten, die ins Gefängnis müssen, handelt es sich um Men­schen, die wirklich das Geld nicht haben. Arbeitslose, Leute ohne festen Wohnsitz, psy­chisch Kranke, Sui­zid­ge­fährdete, manchmal alles zusammen. Manchmal auch alte Leute, die weder weite Wege zu Fuß gehen können, noch das Geld haben, das Fahrgeld zu bezahlen.

Der Jour­nalist Arne Semsrott, der auch bei der Web­seite „Frag den Staat“ mit­ar­beitet, hat eine Initiative ins Leben gerufen. Auf der Seite Freiheitsfonds.de fordert er die Abschaffung des §265a und zeigt, wie viele inhaf­tierte Schwarz­fahrer sein Frei­heits­fonds schon aus den Gefäng­nissen geholt hat. Eines seiner besten Argu­mente: Jeder Hafttag spart dem Steu­er­zahler 150 Euro.

Da fast alle Inhaf­tierten sowieso nicht in der Lage sind, das Fahrgeld zu bezahlen und die Geld­strafe auch nicht, ist die Inhaf­tierung sowieso sinnlos. Die wenigsten, die beim Schwarz­fahren erwischt werden, lassen es auf einen Gerichts­termin ankommen. Meist kommt ja eh vorher der Gerichts­voll­zieher und holt sich das Geld. Nur, wer nicht zahlen kann oder will, kommt bis vor Gericht.

Minister Buschmann will die Gesetze auf noch weitere „his­to­risch über­holte Straf­tat­be­stände“ durch­leuchten, um die Justiz zu ent­lasten. Seltsam nur, dass Herr Minister Buschmann beim Deutsch­landfunk dafür einen dicken, roten Punkt und auch noch schwärz­lichen Nebel auf sein Bild gelegt bekommt. Was bisher immer sehr auf­fällig im Zusam­menhang mit miss­lie­bigen Äuße­rungen und angreif­baren Posi­tionen auf­taucht. Je größer und näher der Punkt rückt und besonders dann, wenn der Betref­fende noch schwarz umwölkt ist, umso gefähr­deter ist die Person, nie­der­ge­schrieben und aus dem Amt ent­fernt zu werden. Es passte eigentlich bisher immer. Das hab ich hier mal auf­ge­zählt. Warum taucht das jetzt hier bei Jus­tiz­mi­nister Buschmann auf? Weil er sich bei der Impf­pflicht gegen Minis­ter­prä­sident Söder stellt?