Wer einen scheunentorgroßen Weg zu einem richtig lukrativen, risikofreien, kaum überprüfbaren Geschäft öffnet, der darf sich nicht wundern, wenn er über den Tisch gezogen wird. Geht es nur um sein Geld, ist das seine Sache, wenn er dabei betrogen wird. Aber hier geht es um das hart erarbeitete Geld von Millionen Bürgern, das die Politik anvertraut bekommen hat. Und wie es aussieht, läuft ein bundesweiter Milliardenbetrug am Steuerzahler ungehindert weiter: Anscheinend haben Corona-Schnelltestzentren ein Vielfaches an Tests abgerechnet, die sie gar nicht gemacht haben.
Allein in Berlin laufen Ermittlungen des Berliner LKA in etwa 380 Verfahren, die sich mit gefälschten Abrechnungen von Corona-Testzentren befassen müssen. Dabei sind das nur die, die es dumm angefangen haben oder maßlos übertrieben. Die Dunkelziffer ist anscheinend noch viel höher.
Jörg Engelhard, Leiter eines Ermittlungs-Kommissariats im LKA Berlin, sagte der Zeitung, rechne man die Berliner Zahlen auf ganz Deutschland hoch und berücksichtige eine hohe Dunkelziffer noch nicht entdeckter Fälle, müsse man von einer „erschreckenden Zahl“ von mindestens einer Milliarde bis hin zu 1,5 Milliarden Euro Betrugssumme ausgehen.
Insgesamt haben, laut Ermittlungsbericht, die Betreiber von Schnelltest-Stationen Rechnungen in Höhe von mehr als zehn Milliarden Euro an den Staat geschickt – und zum großen Teil bekommen.
Dabei fallen ja nur diejenigen auf, die erstaunlich hohe Besucher- und Testzahlen angeben, dabei aber eine weit unterdurchschnittliche Positivenrate aufweisen. Logisch: Denn positiv Getestete müssen ja namentlich mit allem Pipapo gemeldet werden. Die kann man eben nicht einfach erfinden.
Das war auch der Grund, warum man in Köln aufmerksam wurde.
Franz-Josef Wernze ist ein sehr rühriger Mann. Er ist an 712 Firmen beteiligt. Wie die Süddeutsche schreibt, ist er auch Sponsor des Drittligisten Viktoria Köln. Das Corona-Testzentrum in der Nähe des Viktoria-Stadions in Höhenberg soll nach Recherchen des WDR und NDR wesentlich mehr Tests abgerechnet haben, als tatsächlich durchgeführt. Der Fussballclub selbst hat wohl offensichtlich nichts damit zu tun. Aber der Mäzen der Kicker, Der mehrfache Millionär Franz-Josef Wernze ist Eigentümer der European Tax and Law Group (ETL), einem Verbund an Kanzleien, die mit der Überprüfung von Unternehmen betraut ist. Gleichzeitig hat eine weitere Firma des Herrn Wernze, „das Team Service GmbH“ vor etwa einem Jahr eine Schnellteststation am Sportpark Höhenberg eingerichtet. Spieler und Zuschauer waren in der Teststelle ein- und ausgegangen.
Aber hat die Herrn Wernze gehörende ETL auch die Herrn Wernze gehörende Schnellteststelle korrekt und sorgfältig überprüft?
Die Vorgänge dort nennt die ARD „bemerkenswert“:
„Einerseits meldet es fast jeden Tag eine sehr hohe Zahl von Bürgertests ans NRW-Gesundheitsministerium, andererseits entdeckt die Teststelle aber so gut wie keine Infizierten. Mitte Mai zum Beispiel waren bei den Teststellen in NRW im Schnitt an jedem Tag etwa fünf Prozent der Corona-Tests positiv. Bei Wernzes Teststelle aber meist nur etwa 0,2 Prozent oder weniger.“
Der WDR und NDR sowie die Süddeutsche Zeitung stellten eigene Recherchen an. Sie hielten sich draußen auf und zählten, wie viele Leute zu den Tests kamen, und zwar von der Öffnung bis zur Schließung:
Am Freitag, den 13. Mai, wurden 52 Fußgänger und 101 Autos gezählt, die zum Testen kamen. Gemeldet hat die Teststelle ans Ministerium für diesen Tag jedoch 2670 Bürgertests. Am Montag, den 16. Mai kamen insgesamt 55 Fußgänger und 123 Autos zur Teststelle, gemeldet wurden für diesen Tag ans Ministerium 2186 Bürgertests.
Und während andere Teststellen quer durch’s Land eine Positivenrate von plusminis 5 Prozent bei den Tests als Resultat erhalten, brilliert die Wernze-Teststelle mit einer Positiven-Rate von nur ein Promille. Das muss eine verdammt heilsame Luft sein, da in Höhenberg. Schätzungen zufolge könnte diese Teststelle allein einen Schaden von mehreren Hunderttausend Euro verursacht haben, falls dort wirklich bei den Tests betrogen worden ist.
Denn immerhin bekommen diese privaten Firmen, die die Testzentren betreiben, für jeden durchgeführten Test 11,50 €. Das muss zwar der Getestete nicht bezahlen, indirekt aber schon mit seinen Steuern, denn aus diesem Topf werden die Testzentren finanziert.
Das Problem wird der Beweis sein, dass der Betreiber selbst davon wusste und es zumindest geduldet hat. Sollten diese Testkits alle auch gekauft worden sein, ist es möglich, das Herr Wernze davon nichts wusste. Hat man jedoch in den internen Abrechnungen wesentlich weniger Testkits eingekauft, als an durchgeführten Tests abgerechnet wurde, wird es eng.
Aber man beugt schon mal anwaltlich vor:
Der Anwalt des Viktoria-Mäzens erklärte, dass sein Mandant “sich schon länger aus dem operativen Geschäft zurückgezogen” habe. “Sollten sich allerdings die von Ihnen angedeuteten Vorwürfe bestätigen, wird mein Mandant nicht zögern, die gebotenen rechtlichen, insbesondere dienstvertraglichen Konsequenzen zu ziehen.”