Ende März wurden die Webcams auf den Autobahnen plötzlich schwarz (wir berichteten). Die offizielle Begründung des Verkehrsministeriums: Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges wolle man derzeit keine Live-Bilder der deutschen Autobahnen ins Internet streamen. Wegen der „aktuellen sicherheitspolitischen Entwicklung in Europa“ sollen die Verkehrskameras der Autobahn GmbH bis auf Weiteres schwarz bleiben. Man komme damit einer Bitte des Bundesverkehrsministeriums nach. „Es gibt vermehrt Aktivitäten von sicherheitspolitisch relevanten Akteuren im Straßenraum“, sagte der Sprecher des Ministeriums in Stuttgart demnach wörtlich. „Auch der Straßenverkehr in Niedersachsen ist von den Auswirkungen des Konflikts betroffen“, bekam die Hannoversche Allgemeine Zeitung auf Anfrage zu hören.
Damals schrieb ich:
„Was die jetzt viel zitierte ‚aktuelle Sicherheitslage‘ betrifft, geht es nämlich darum, dass die deutschen Autobahnen für den Transport militärischer Ausrüstungen und militärische Fahrzeuge aller Art benutzt wird. Die Panzer werden, wie private Videos zeigen, per Bahntransport ‚an die Front gebracht‘. Das soll der ‚Feind‘ nicht sehen. Nun, das dürfte der ‚Feind‘ auch ohne Webcams noch hinbekommen. Aber – und das dürfte auch mit ein Grund sein — die Dummdeutschen sollen nicht so richtig vorgeführt bekommen, dass Deutschland emsig Kriegsgerät in die Ukraine und anderswo hinschafft. Wir sollen nicht wissen, dass Deutschland als Drehscheibe für den Aufmarsch der NATO in der Ukraine funktioniert. Sie sollen nicht klar vor Augen geführt bekommen, dass wir Deutschen schon wieder blind in einen hochgefährlichen Krieg, vielleicht sogar Dritten Weltkrieg laufen.“
Wir sind gerade mal ein paar Schritte davor. Da hat man die Ukraine angeblich bis obenhin mit den besten und neuesten Waffen vollgestopft und damit die eigene Rüstungsindustrie gepusht, doch die ukrainischen Soldaten sind ratlos, wie sie mit den Systemen umgehen sollen. Sie können ja oft nicht einmal die englischen Beschriftungen an den Armaturen lesen. Und auch das englischsprachige Handbuch führt nicht weiter. Das dröhnende Brusttrommeln des Westens, Putin habe sich verkalkuliert, als er selbstherrlich in die Ukraine einmarschierte und man werde das Ganze schleunigst beenden, ist deutlich leiser geworden. Man ist nicht mehr so siegessicher.
Als prompte Reaktion auf das Eindringen russischer Truppen in das Territorium der Ukraine sprach Bundeskanzler Scholz von einer Zeitenwende und einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro „für die notwendigen Investitionen der Bundeswehr“. Nach donnerndem Applaus aus den Reihen der NATO zog Herr Bundeskanzler aber Stückchen für Stückchen diese Zusagen zurück. Und auch die aufgerufenen Summen schnetzelte er mit seltsamer Zahlenakrobatik immer kleiner. Dennoch tönte der Kanzler „Niemand liefert in ähnlich großem Umfang wie Deutschland das tut“. Diese Behauptung konnte bisher aber nicht überprüft werden.
Es scheint also sehr zweifelhaft, dass – sollte Kanzler Scholz’s Aussage stimmen – in den nächsten Jahren all die neuen Flugzeuge, Hubschrauber Panzer, Schiffe usw. angeschafft werden. Und auch die Liste an Waffen und Militärarsenal, die Deutschland an die Ukraine laut Bundesregierung geschickt haben will, ist sicher gut brauchbar. Aber so richtig große Kriegswaffen sind nicht wirklich dabei:
- 3000 Patronen »Panzerfaust 3« zuzüglich 900 Griffstücke
- 900 Panzerabwehrminen
- 500 Fliegerabwehrraketen, Typ »Stinger«
- 2700 Fliegerfäuste, Typ »Strela«
- 16 Millionen Schuss Handwaffenmunition
- 50 Bunkerfäuste
- 100 Maschinengewehre MG 3 mit 500 Ersatzrohren und Verschlüssen
- 000 Handgranaten
- 300 Sprengladungen
- 000 Meter Sprengschnur und 100.000 Sprengkapseln
- 000 Zünder
- 000 Gefechtshelme
- 15 Paletten Bekleidung
- 178 Kraftfahrzeuge (Lkw, Kleinbusse, Geländewagen)
- 100 Zelte
- 12 Stromerzeuger
- 6 Paletten Material für Kampfmittelbeseitigung
- 125 Doppelfernrohre
- 1200 Krankenhausbetten
- 18 Paletten Sanitätsmaterial, 60 OP-Leuchten
- Schutzbekleidung, OP-Masken
- 000 Schlafsäcke
- 600 Schießbrillen
- 1 Radiofrequenzsystem
- 3000 Feldfernsprecher mit 5.000 Rollen Feldkabel und Trageausstattung
- 1 Feldlazarett (gemeinsames Projekt mit Estland)
- 353 Nachtsichtbrillen
- 4 elektronische Drohnenabwehrgeräte
- 165 Ferngläser
- Sanitätsmaterial (unter anderem Rucksäcke, Verbandspäckchen)
- 38 Laserentfernungsmesser
- Kraftstoff Diesel und Benzin (laufende Lieferung)
- 10 Tonnen AdBlue
- 500 Stück Wundauflagen zur Blutstillung
- 500 Stück Verpflegungsrationen
- Lebensmittel: 2.025 Paletten (68 Lkw-Ladungen) mit 360.000 Rationen Einpersonenpackungen (EPa)
- MiG-29 Ersatzteile
- 30 sondergeschützte Fahrzeuge
(Stand: 21. Juni 2022, Quelle: Bundesregierung)
Interessant. Fast alles davon kann man in neutrale LKWs verfrachten. Dazu hätte man die Autobahnkameras nicht abschalten müssen. Das meiste davon ist es nicht einmal wert, geheim gehalten zu werden. Was soll dann die strikte Geheimhaltung bisher und nun plötzlich diese öffentliche Auflistung?
Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Friedrich Merz, raunzte den Bundeskanzler sogar an, er habe „so gut wie nichts an Waffen“ geliefert.
Vielleicht gibt es doch noch einiges mehr, was in den Listen nicht steht. Denn so viel Dummheit, die brisanten Teile der Lieferung (wie schwere Waffen) jetzt plötzlich treuherzig in die veröffentlichte Liste zu schreiben, traue ich nicht einmal dieser Regierung zu.
Es gibt noch eine Liste, was man noch beabsichtigt zu liefern. Es sind noch allerhand „letale und nicht-letale Unterstützungsleistungen in Vorbereitung/Durchführung“. Darunter die Panzer „Marder“, „Gepard“ und „Leopard“. Das sind zwar gute Geräte, allerdings haben sie auch ihre Jahre auf dem Buckel.
Zuerst behauptete die Bundesregierung, man habe kaum Marder-Schützenpanzer – und plötzlich sollen 62 Stück davon existieren, allerdings im „Konfigurationsstand“, d.h. sie sind noch nicht fertig zusammengebaut und einsatzbereit, man kann diese Panzer mit verschiedenen Bauteilen modifizieren. Von den 62 Stück könnten „bei Bedarf“ 32 instandgesetzt und dann wieder genutzt werden und verfügbar sein, die anderen 30 sollen angeblich nur noch als Ersatzteil-Lager taugen.
Armin Pappberger, der Chef des Rüstungskonzerns Rheinmetal, hält dagegen:
Die ersten gebrauchten Schützenpanzer Marder habe man in drei Wochen fertig, so Papperger zum Fortschritt der Instandsetzungsarbeiten. ‚Dann könnten wir zwei Stück pro Woche liefern, insgesamt rund 100 Stück.‘“
Ein internes Regierungs-Dokument belegt, dass das auch der Bundesregierung bekannt ist.
„Gäbe es einen Bedarf, würde die Instandsetzung der Panzer laut dem Dokument neun bis zwölf Monate in Anspruch nehmen. Schneller ginge es laut einem Insider, auf den sich die Bild-Zeitung bezieht, wenn die Rüstungsindustrie involviert würde. Doch deutsche Rüstungskonzerne beklagen seit Längerem, dass die Bundesregierung Lieferungen nicht freigebe.“
Nicht einmal alte Leopard-Panzer dürfe man verkaufen, beschwert sich der Rheinmetallchef gegenüber dem Merkur. Das „ginge binnen sechs Wochen“.
„Rheinmetall könne bis zu 50 Leopard 1 an die Streitkräfte der Ukraine liefern, sagte Papperger der Zeitung. Bei den Kampfpanzern handelt es sich dem Bericht zufolge um Altbestände anderer Armeen. Derzeit werde der Zustand der Fahrzeuge geprüft, sagte der Rheinmetall-Chef.“
Auch Klaus Schwabs Mädchen, Außenminister Annalena Baerbock, macht Druck auf die Regierung, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Die tauchen aber auch auf der zweiten, noch auszuliefernden Liste kaum auf: Nur 30 Flakpanzer „Gepard“ mit Munition stehen konkret zur Lieferung da.
Was läuft da? Will Bundeskanzler Scholz vertuschen, dass doch schwere Waffen in die Ukraine geliefert werden, damit Deutschland nicht Kriegspartei wird und Russland als Sieger des WKII und (immer noch) Besatzungsmacht alte Rechte auspackt? Oder will er damit signalisieren, dass Deutschland versucht, die Forderungen der USA nach noch mehr Waffen, noch mehr schweres Gerät in die Ukraine zu schaffen, nicht nachkommen will?