Schützenpanzer Marder 1A3 des 4. Panzergrenadierbataillon bei einer Waffenshow, Wikimedia Commons, Sonaz, CC BY-SA 2.0 DE

Bun­des­re­gierung ver­öf­fent­licht Liste der Waffen in die Ukraine? Wer’s glaubt …

Ende März wurden die Webcams auf den Auto­bahnen plötzlich schwarz (wir berich­teten). Die offi­zielle Begründung des Ver­kehrs­mi­nis­te­riums: Vor dem Hin­ter­grund des Ukraine-Krieges wolle man derzeit keine Live-Bilder der deut­schen Auto­bahnen ins Internet streamen. Wegen der „aktu­ellen sicher­heits­po­li­ti­schen Ent­wicklung in Europa“ sollen die Ver­kehrs­ka­meras der Autobahn GmbH bis auf Wei­teres schwarz bleiben. Man komme damit einer Bitte des Bun­des­ver­kehrs­mi­nis­te­riums nach. „Es gibt ver­mehrt Akti­vi­täten von sicher­heits­po­li­tisch rele­vanten Akteuren im Stra­ßenraum“, sagte der Sprecher des Minis­te­riums in Stuttgart demnach wörtlich. „Auch der Stra­ßen­verkehr in Nie­der­sachsen ist von den Aus­wir­kungen des Kon­flikts betroffen“, bekam die Han­no­versche All­ge­meine Zeitung auf Anfrage zu hören.

Damals schrieb ich:

„Was die jetzt viel zitierte ‚aktuelle Sicher­heitslage‘ betrifft, geht es nämlich darum, dass die deut­schen Auto­bahnen für den Transport mili­tä­ri­scher Aus­rüs­tungen und mili­tä­rische Fahr­zeuge aller Art benutzt wird. Die Panzer werden, wie private Videos zeigen, per Bahn­transport ‚an die Front gebracht‘. Das soll der ‚Feind‘ nicht sehen. Nun, das dürfte der ‚Feind‘ auch ohne Webcams noch hin­be­kommen. Aber – und das dürfte auch mit ein Grund sein — die Dumm­deut­schen sollen nicht so richtig vor­ge­führt bekommen, dass Deutschland emsig Kriegs­gerät in die Ukraine und anderswo hin­schafft. Wir sollen nicht wissen, dass Deutschland als Dreh­scheibe für den Auf­marsch der NATO in der Ukraine funk­tio­niert. Sie sollen nicht klar vor Augen geführt bekommen, dass wir Deut­schen schon wieder blind in einen hoch­ge­fähr­lichen Krieg, viel­leicht sogar Dritten Welt­krieg laufen.“

Wir sind gerade mal ein paar Schritte davor. Da hat man die Ukraine angeblich bis obenhin mit den besten und neu­esten Waffen voll­ge­stopft und damit die eigene Rüs­tungs­in­dustrie gepusht, doch die ukrai­ni­schen Sol­daten sind ratlos, wie sie mit den Sys­temen umgehen sollen. Sie können ja oft nicht einmal die eng­li­schen Beschrif­tungen an den Arma­turen lesen. Und auch das eng­lisch­spra­chige Handbuch führt nicht weiter. Das dröh­nende Brust­trommeln des Westens, Putin habe sich ver­kal­ku­liert, als er selbst­herrlich in die Ukraine ein­mar­schierte und man werde das Ganze schleu­nigst beenden, ist deutlich leiser geworden. Man ist nicht mehr so siegessicher.

Als prompte Reaktion auf das Ein­dringen rus­si­scher Truppen in das Ter­ri­torium der Ukraine sprach Bun­des­kanzler Scholz von einer Zei­ten­wende und einem Son­der­ver­mögen von 100 Mil­li­arden Euro „für die not­wen­digen Inves­ti­tionen der Bun­deswehr“. Nach don­nerndem Applaus aus den Reihen der NATO zog Herr Bun­des­kanzler aber Stückchen für Stückchen diese Zusagen zurück. Und auch die auf­ge­ru­fenen Summen schnet­zelte er mit selt­samer Zah­len­akro­batik immer kleiner. Dennoch tönte der Kanzler „Niemand liefert in ähnlich großem Umfang wie Deutschland das tut“. Diese Behauptung konnte bisher aber nicht über­prüft werden.

Es scheint also sehr zwei­felhaft, dass – sollte Kanzler Scholz’s Aussage stimmen – in den nächsten Jahren all die neuen Flug­zeuge, Hub­schrauber Panzer, Schiffe usw. ange­schafft werden. Und auch die Liste an Waffen und Mili­tär­ar­senal, die Deutschland an die Ukraine laut Bun­des­re­gierung geschickt haben will, ist sicher gut brauchbar. Aber so richtig große Kriegs­waffen sind nicht wirklich dabei:

  • 3000 Patronen »Pan­zer­faust 3« zuzüglich 900 Griffstücke
  • 900 Pan­zer­ab­wehr­minen
  • 500 Flie­ger­ab­wehr­ra­keten, Typ »Stinger«
  • 2700 Flie­ger­fäuste, Typ »Strela«
  • 16 Mil­lionen Schuss Handwaffenmunition
  • 50 Bun­ker­fäuste
  • 100 Maschi­nen­ge­wehre MG 3 mit 500 Ersatz­rohren und Verschlüssen
  • 000 Hand­gra­naten
  • 300 Spreng­la­dungen
  • 000 Meter Spreng­schnur und 100.000 Sprengkapseln
  • 000 Zünder
  • 000 Gefechts­helme
  • 15 Paletten Bekleidung
  • 178 Kraft­fahr­zeuge (Lkw, Klein­busse, Geländewagen)
  • 100 Zelte
  • 12 Strom­erzeuger
  • 6 Paletten Material für Kampfmittelbeseitigung
  • 125 Dop­pel­fern­rohre
  • 1200 Kran­ken­haus­betten
  • 18 Paletten Sani­täts­ma­terial, 60 OP-Leuchten
  • Schutz­be­kleidung, OP-Masken
  • 000 Schlaf­säcke
  • 600 Schieß­brillen
  • 1 Radio­fre­quenz­system
  • 3000 Feld­fern­sprecher mit 5.000 Rollen Feld­kabel und Trageausstattung
  • 1 Feld­la­zarett (gemein­sames Projekt mit Estland)
  • 353 Nacht­sicht­brillen
  • 4 elek­tro­nische Drohnenabwehrgeräte
  • 165 Fern­gläser
  • Sani­täts­ma­terial (unter anderem Ruck­säcke, Verbandspäckchen)
  • 38 Laser­ent­fer­nungs­messer
  • Kraft­stoff Diesel und Benzin (lau­fende Lieferung)
  • 10 Tonnen AdBlue
  • 500 Stück Wund­auf­lagen zur Blutstillung
  • 500 Stück Verpflegungsrationen
  • Lebens­mittel: 2.025 Paletten (68 Lkw-Ladungen) mit 360.000 Rationen Ein­per­so­nen­pa­ckungen (EPa)
  • MiG-29 Ersatz­teile
  • 30 son­der­ge­schützte Fahrzeuge

(Stand: 21. Juni 2022, Quelle: Bun­des­re­gierung)

Inter­essant. Fast alles davon kann man in neu­trale LKWs ver­frachten. Dazu hätte man die Auto­bahn­ka­meras nicht abschalten müssen. Das meiste davon ist es nicht einmal wert, geheim gehalten zu werden. Was soll dann die strikte Geheim­haltung bisher und nun plötzlich diese öffent­liche Auflistung?

Der Frak­ti­ons­vor­sit­zende der CDU, Friedrich Merz, raunzte den Bun­des­kanzler sogar an, er habe „so gut wie nichts an Waffen“ geliefert.

Viel­leicht gibt es doch noch einiges mehr, was in den Listen nicht steht. Denn so viel Dummheit, die bri­santen Teile der Lie­ferung (wie schwere Waffen) jetzt plötzlich treu­herzig in die ver­öf­fent­lichte Liste zu schreiben, traue ich nicht einmal dieser Regierung zu.

Es gibt noch eine Liste, was man noch beab­sichtigt zu liefern. Es sind noch allerhand „letale und nicht-letale Unter­stüt­zungs­leis­tungen in Vorbereitung/Durchführung“. Dar­unter die Panzer „Marder“, „Gepard“ und „Leopard“. Das sind zwar gute Geräte, aller­dings haben sie auch ihre Jahre auf dem Buckel.

Zuerst behauptete die Bun­des­re­gierung, man habe kaum Marder-Schüt­zen­panzer – und plötzlich sollen 62 Stück davon exis­tieren, aller­dings im „Kon­fi­gu­ra­ti­ons­stand“, d.h. sie sind noch nicht fertig zusam­men­gebaut und ein­satz­bereit, man kann diese Panzer mit ver­schie­denen Bau­teilen modi­fi­zieren. Von den 62 Stück könnten „bei Bedarf“ 32 instand­ge­setzt und dann wieder genutzt werden und ver­fügbar sein, die anderen 30 sollen angeblich nur noch als Ersatzteil-Lager taugen.

Armin Papp­berger, der Chef des Rüs­tungs­kon­zerns Rhein­metal, hält dagegen:
Die ersten gebrauchten Schüt­zen­panzer Marder habe man in drei Wochen fertig, so Pap­perger zum Fort­schritt der Instand­set­zungs­ar­beiten. ‚Dann könnten wir zwei Stück pro Woche liefern, ins­gesamt rund 100 Stück.‘“

Ein internes Regie­rungs-Dokument belegt, dass das auch der Bun­des­re­gierung bekannt ist.
„Gäbe es einen Bedarf, würde die Instand­setzung der Panzer laut dem Dokument neun bis zwölf Monate in Anspruch nehmen. Schneller ginge es laut einem Insider, auf den sich die Bild-Zeitung bezieht, wenn die Rüs­tungs­in­dustrie invol­viert würde. Doch deutsche Rüs­tungs­kon­zerne beklagen seit Län­gerem, dass die Bun­des­re­gierung Lie­fe­rungen nicht freigebe.“

Nicht einmal alte Leopard-Panzer dürfe man ver­kaufen, beschwert sich der Rhein­me­tallchef gegenüber dem Merkur. Das „ginge binnen sechs Wochen“.
„Rhein­metall könne bis zu 50 Leopard 1 an die Streit­kräfte der Ukraine liefern, sagte Pap­perger der Zeitung. Bei den Kampf­panzern handelt es sich dem Bericht zufolge um Alt­be­stände anderer Armeen. Derzeit werde der Zustand der Fahr­zeuge geprüft, sagte der Rheinmetall-Chef.“

Auch Klaus Schwabs Mädchen, Außen­mi­nister Annalena Baerbock, macht Druck auf die Regierung, schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Die tauchen aber auch auf der zweiten, noch aus­zu­lie­fernden Liste kaum auf: Nur 30 Flak­panzer „Gepard“ mit Munition stehen konkret zur Lie­ferung da.

Was läuft da? Will Bun­des­kanzler Scholz ver­tu­schen, dass doch schwere Waffen in die Ukraine geliefert werden, damit Deutschland nicht Kriegs­partei wird und Russland als Sieger des WKII und (immer noch) Besat­zungs­macht alte Rechte aus­packt? Oder will er damit signa­li­sieren, dass Deutschland ver­sucht, die For­de­rungen der USA nach noch mehr Waffen, noch mehr schweres Gerät in die Ukraine zu schaffen, nicht nach­kommen will?