Die Bundesregierung ist verpflichtet, die in den drei Jahren „Corona“ verhängten Eindämmungsmaßnahmen zu „evaluieren“, d.h. zu bewerten, ob sie a) zielführend und effektiv und b) rechtlich in Ordnung waren. Diese Evaluierung hätte schon vor einer Weile vorliegen sollen, wurde aber immer wieder vertagt. Nun hat ein Expertenausschuss ein Gutachten vorgelegt, bei dem aber das wichtigste Element fehlt: Die juristische Bewertung jeder einzelner „Eindämmungsmaßnahme“. Das macht einen katastrophalen Eindruck: Man gängelt, schikaniert und bestraft Bürger, setzt Grundrechte außer Kraft und kann es nicht einmal rechtfertigen.
Die FDP besteht daher zu Recht auf einer vollständigen Evaluation, bevor sie über neue Coronaregeln beraten möchte – und wird von der Expertenkommission dafür angegangen. Dort fordert man eine schnelle Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes, denn dieses könne „handwerklich nicht gut“ werden, wenn man die Sommerpause verstreichen lässt und erst im September „den Stift in die Hand“ nehme. Die Rechtsgrundlage für die sogenannten Corona-Schutzvorkehrungen endet im September.
Wenig überraschend fordert Gesundheitsminister Lauterbach bereits mit bekannt düster-hysterischem Alarmismus die Mutter aller Eindämmungsmaßnahmen, bevor die Herbst-Killervariante kommt und die Lage sich „deutlich verschärfe“. „Es wird ein schwerer Herbst werden, wir müssen vorbereitet sein“, sagte der SPD-Politiker in den ARD-Tagesthemen. Er gab in einer ARD-Sendung zwar zu, man habe bisher nicht die „perfekten Daten“ (?!) gehabt, aber in Zukunft habe er ganz neue Tools im Gepäck: Ein Pandemie-Radar in Krankenhäusern und ein Abwassermonitoring.
Die grüne Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckart spricht trotz kaum brauchbarer Datenlage zu den Corona-Schutzmaßnahmen unverdrossen davon, die alten, „bewährten Maßnahmen“ auch im Herbst und Winter wieder einzusetzen.
Herr Bundesgesundheitsminister Lauterbach fällt ihr aber auch gleich in den Rücken: Einen Lockdown (eine der „bewährten Maßnahmen“) werde es keinesfalls wieder geben: „Den würden wir nicht wiederholen“. Auch die „bewährten“, flächendeckenden Schulschließungen werde es nicht mehr geben. Das kommt Otto Normalverbraucher bekannt vor. Das hatten wir 2020 und 2021 bis in 2022 schon: Lockdowns waren Verschwörungstheorie und böse, von Coronaleugnern und Schwurblern verbreitete Fakenews – bis sie kurz danach eben doch verhängt wurden. Nunjaaaa … Also das mit den Masken könnte aber vielleicht doch nochmal sinnvoll sein, meinte das Expertengremium. Daten dazu liegen aber nicht vor…
Die Masken, von denen Anfangs Herr Prof. Dr. Drosten (nachdem er pflichtgemäß die Maske empfahl) wörtlich sagte (hier das: Originalvideo aus dem Bundestag)
„Es gibt einen anderen Punkt, den man nicht von der Hand weisen darf. Das ist, wir wissen nicht, ob nicht die Verwendung von Alltagsmasken in großer Verbreitungsweite, ob das nicht dazu führt, dass im Durchschnitt die erhaltene Virusdosis in einer Infektion geringer ist und, dass im Durchschnitt deshalb der Krankheitsverlauf auch nicht wirklich schädlich sein könnte. Aber das ist reine Spekulation. Dazu gibt es keine wissenschaftlichen Belege. Und es gibt umgekehrt eben Länder, in denen man sagen kann, es wurde von Anfang an wirklich Maske getragen – dazu gehören sehr viele asiatische Länder – und trotzdem ist es zu großen Ausbrüchen gekommen. So kann ich es zusammenfassen. Und meine Einschätzung ist auf dieser Basis überhaupt nicht, dass sich die Grundsituation verändert hat.“
Dass die meisten Eindämmungsmaßnahmen schädlich und sinnlos bis nur vielleicht irgendwie sinnvoll waren, das enthüllte nun das Gutachten. Im Gutachten des Expertenrates wurde auch hinter die Maskenpflicht ein Fragezeichen gesetzt. Hier ein paar Ergebnisse aus dem Gutachten, das man hier einsehen kann.
So sei ein Lockdown in der allerersten Anfangsphase bei lokalen Ausbrüchen sinnvoll, verliere aber diesen Effekt sehr schnell, besonders weil je länger er dauere, umso weniger Menschen bereit seien, dem zu folgen.
Auch eine Nachverfolgung sei nur ganz am Anfang wirksam. Dasselbe gelte für 2G/3G Maßnahmen: „Der Effekt von 2G/3G-Maßnahmen ist bei den derzeitigen (und betrachteten) Varianten in den ersten Wochen nach der Boosterimpfung oder der Genesung hoch. Der Schutz vor einer Infektion lässt mit der Zeit jedoch deutlich nach.“
Zu Schulschließungen: „Die deutlichen wissenschaftlichen Beobachtungen und Studien zu nicht-intendierten Wirkungen sind wiederum nicht von der Hand zu weisen. Da Kinder durch Schulschließungen besonders betroffen sind, sollte eine Expertenkommission die nicht-intendierten Auswirkungen dieser Maßnahme unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls genauer evaluieren.“
Masken: „Da die Übertragung des Coronavirus im Innenbereich ungleich stärker als im Außenbereich ist, sollte eine Maskenpflicht zukünftig auf Innenräume und Orte mit einem höheren Infektionsrisiko beschränkt bleiben. Eine generelle Empfehlung zum Tragen von FFP2-Masken ist aus den bisherigen Daten nicht ableitbar. (…) Die Evaluationskommission empfiehlt eine systematische Literaturrecherche, ggf. auch eine experimentelle Untersuchung mit einer anschließenden epidemiologischen und fachärztlich-hygienischen Bewertung unter Berücksichtigung arbeitsmedizinischer Belange für die Evaluation von FFP2- versus medizinischen Masken.“ (heißt im Prinzip: Arbeitsrechtlich ist das Tragen solcher Masken schon immer aus gesundheitlichen Gründen überhaupt nur für eine kurze Zeitspanne erlaubt. Warum diese Gesundheitsgefahren durch Masken plötzlich bei Corona nicht mehr relevant sind, muss genau überprüft werden.)
Psychosoziale Folgen: „Studien für Deutschland und weitere Länder belegen, dass die Pandemie erhebliche psychosoziale Auswirkungen insbesondere auf Frauen und jüngere Menschen hatte. Zukünftig sollten ausreichende, flexibel anpassbare und präventiv ansetzende Maßnahmen sowie persönliche und digitale therapeutische Angebote in psychischen Krisen und für psychisch erkrankte Menschen als integrale Bestandteile des Krisenmanagements unter Pandemiebedingungen sichergestellt werden. Außerdem muss ein Mindestmaß an sozialen Kontakten auch zu engen Bezugspersonen gewährleistet bleiben. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf Kinder und Jugendliche gerichtet werden mit dem Ziel der maximal möglichen Teilhabe und des Schutzes vor häuslicher Gewalt.“
Gesellschaft: Folgen für Familien, Mütter, Kinder: „So wurden Erwerbstätigkeit und Wohlbefinden aufgrund von Kita- und Schulschließungen insbesondere von Müttern erheblich eingeschränkt. Diese strukturellen Veränderungen haben zu einer Retraditionalisierung von Geschlechterkulturen und ‑normen geführt. Zudem kamen die Corona-Hilfen weit überwiegend männlichen Erwerbstätigen zugute. Deshalb ist es zukünftig zwingend, Pandemiemaßnahmen einem Gender Budgeting zu unterziehen, um staatliche Leistungen gerechter auf die Geschlechter zu verteilen. Zugleich dürfen die Folgen von Pandemie und Maßnahmen nicht einseitig zu Lasten von Frauen und Kindern gehen.“
In Puncto „Folgen für die Wirtschaft“ gehen die Experten etwas allzu gnädig mit der Corona-Politik um. Die Bremsspuren sind sehr deutlich, auch wenn sie eben nur im zweiten, dritten und vierten Glied der Kausalkette wirksam werden. Das wurde hier kaum berücksichtigt.
Die 19 Sachverständigen hatten in ihrem Bericht die Corona-Politik der Regierung klar kritisiert. Der 160 Seiten lange Bericht stellt überdies frustriert fest, dass sie die Pandemie-Maßnahmen gar nicht wirklich bewerten konnten, weil es viel zu wenige brauchbare Daten gebe (also weit entfernt davon, nur „nicht perfekt“ zu sein). Darüber hinaus war die Zeit viel zu kurz, um ein valides Urteil abzugeben und die Ausstattung des Expertenausschusses unzureichend. Die Rüge des Expertenrates war harsch:
„Die Erfüllung des Auftrags sei dadurch ‚erheblich erschwert‘ worden, sagte die Virologin und Unternehmerin Helga Rübsamen-Schaeff, stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, am Freitag im Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. ‚Mit diesen Einschränkungen muss die Kommission und auch die Gesellschaft umgehen.‘Wenn die Politik will, dass die Wissenschaft ihr Handeln bewertet, so der Volkswirt Christoph M. Schmidt, ‚dann muss sie zu Beginn Voraussetzungen dafür schaffen.‘“
Sogar hier wurde also von der Regierung bzw. dem RKI herumgestümpert. Der FDP-Vize-Vorsitzende Wolfgang Kubicki forderte daher die Entlassung des dafür verantwortlichen Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Dr. Lothar Wieler. Das Datenchaos und die mangelnde Ausstattung des Expertengremiums machten die unbedingt erforderliche Auswertung der Corona-Politik in den letzten Jahren unmöglich. Wolfgang Kubicki sieht sich durch den Bericht in seiner Haltung zur Corona-Politik bestätigt.
Die Maßnahmen seien größtenteils unverhältnismäßig und undemokratisch gewesen und „entbehrten zu häufig jeder wissenschaftlichen Grundlage“, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende. Die FDP-Fraktion werde nun zügig darüber beraten, was dieser „erschütternde Bericht“ für die weitere infektionsrechtliche Diskussion bedeute. Sein Parteikollege Frank Schäffler sieht es ebenso und forderte personelle Konsequenzen an der Spitze des RKI: „Herr Wieler ist offensichtlich nicht in der Lage, die Situation zu verbessern.“ Aufgrund einer mangelhaften Datenlage und fehlender wissenschaftlicher Beweise für die Effektivität der Maßnahmen dann „teilweise sinnlose Grundrechtseinschränkungen“ zu beschließen und durchzudrücken, sei ein Skandal, so Frank Schäffler.
Vor allem die wirtschaftlichen Schäden des Lockdowns und die Verschlechterung der Gesundheit in den Familien bis hin zur eklatanten Zunahme häuslicher Gewalt und die schädlichen Auswirkungen der Schulschließungen wurden in dem Gutachten kritisiert. Eine rechtliche Wertung der Verhängung zur Zulässigkeit der Eindämmungsmaßnahmen wurde jedoch nicht vorgenommen.
Die Corona-Tests, eine der Maßnahmen zur Eindämmung, werden auch von den Kassenärzten scharf attackiert. So fordert der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Herr Dr. Andreas Gassen, das komplette Ende der Bürgertests: „Diese unsinnigen Tests müssen abgeschafft werden. Sie sind viel zu teuer, der bürokratische Aufwand ist riesig und die epidemiologische Aussagekraft ist Null. (…) es ist eine völlig sinnfreie Veranstaltung, anlasslos gesunde Menschen mit fragwürdiger Qualität zu testen“.
Die Kassenärztlichen Vereinigungen der Bundesländer erklärten am Donnerstag in einem Schreiben an den Bundesgesundheitsminister, dass sie die Bürgertests „zukünftig nicht mehr abrechnen und auszahlen können“. Begründung: die Kassenärzte können die Anspruchsvoraussetzungen jetzt noch weniger prüfen als vorher schon. Nachdem Betrugsfälle mit erfundenen Tests bekannt wurden, erließ die Regierung neue Regelungen, denen zufolge die Ärzte jetzt zusätzliche, detaillierte Anspruchsvoraussetzungen des zu Testenden nachweisen müssen. Solche Prüfungen seien den Kassenärzten einfach nicht möglich.
Für Gesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach ist diese „völlig sinnfreie Veranstaltung“ der Bürgertests aber nach wie vor ein „wertvolles“ und „wichtiges“ Mittel zur Eindämmung der Pandemie. Auch das vernichtende Gutachten des Experten, das man nur als einen Verriss der Maßnahmen und der Handhabung der Pandemie durch die Politik bezeichnen kann, sei „zwar wichtig“, räumte Herr Lauterbach ein, aber es „dürfe kein Bremsklotz“ sein. Mit anderen Worten:
Herr Bundesgesundheitsminister Dr. Lauterbach will einfach weiterwursteln, wie es ihm gefällt. Juristische Bedenken? Verletzung von Grundrechten? Schäden durch die Maßnahmen? Ineffektivität? Unwissenschaftlich? Alles Kokolores. Der im Volk als „wandelnde Alarmhupe“ Titulierte zieht einfach durch — und ab Herbst eine neue Schneise der Verwüstung durch’s Land.