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Gestem­pelte Symbole: Der 4.000 Jahre alte ‚Diskos von Phaistos‘ kann viel­leicht nie ent­schlüsselt werden (+Videos)

242 merk­würdige Zeichen ver­zieren eine knapp 4.000 Jahre alte Ton­scheibe. Aber was haben sie zu bedeuten? Ihr Geheimnis konnte niemand lüften, obwohl es bis heute mehr als 2.000 Deu­tungs­ver­suche gibt.

Spa­zier­gänger, eine Katze, eine Spitz­hacke, Gefangene und ein Kamm: Das sind nur einige der geheim­nis­vollen Zeichen, die eine uralte Ton­scheibe zieren. Das Fund­stück aus der Bron­zezeit wird Diskos von Phaistos genannt und gehört zu den größten Rätseln der Menschheitsgeschichte.

Knapp zwei Zen­ti­meter dick ist das Artefakt aus gebranntem Ton, es hat einen Durch­messer von 16 Zen­ti­metern. Auf beiden Seiten ist es mit den unter­schied­lichsten Pik­to­grammen geschmückt: Pfeil und Bogen, Feuer, Fische, Pflanzen, Män­ner­köpfe, Frauen, Kinder, Hobel, Hand­schuhe, Tauben, ein Bie­nen­stock und Hand­schellen. Doch was sie bedeuten sollen, weiß bis heute niemand.

Seit der Ent­de­ckung des Diskos 1908 auf der Insel Kreta sind Wis­sen­schaftler aus aller Welt fas­zi­niert von ihm. Und sie liefern sich erbit­terte Debatten über alles, was mit ihm zu tun hat. Welchen Zweck hatte er? Wie alt ist er genau? Woher stammt er wirklich? Und vor allem: Was steht darauf?

Archäo­logen, Kul­tur­wis­sen­schaftler, Phy­siker, Astro­nomen, Prä-Astro­nau­tiker und Hob­by­for­scher haben bis heute mehr als 2.000 Deu­tungs­ver­suche geliefert. Aber keine davon ist richtig über­zeugend und wird von den anderen akzep­tiert. Jedes Jahr bekommt allein das Archäo­lo­gie­museum in der Insel­haupt­stadt Hera­klion Dut­zende neue Lösungs­vor­schläge. Dort kann die mys­te­riöse Scheibe besichtigt werden.

Schleuder oder Flöte? Schiff oder Tier?

Ein Problem ist, dass viele Symbole mehrere Inter­pre­ta­ti­ons­mög­lich­keiten zulassen: Eines könnte etwa für einen Bumerang stehen, oder soll es eine Ecke dar­stellen? Zeigt ein anderes eine Schleuder oder eine Dop­pel­flöte? For­scher streiten über ver­schiedene Deu­tungen ein­zelner Zeichen: Säule, Hammer oder Keule? Schiff oder wei­dendes Tier? Helm mit Busch darauf oder Iro­ke­sen­schnitt? Sieb oder weib­liche Scham? Je nachdem, was ein Experte in einem Bild sieht, ver­ändert sich natürlich die Erklärung, was alle zusammen bedeuten könnten.

45 unter­schied­liche Symbole lassen sich iden­ti­fi­zieren, aber viele tauchen mehrfach auf. Trenn­linien fassen die ins­gesamt 242 Zeichen zu 61 Gruppen zusammen. Sie sind spi­ral­förmig ange­ordnet und stehen viel­leicht für Silben, womöglich aber auch für ein­zelne Buch­staben. Aber in welcher Richtung werden sie gelesen? Und welches ist die Vorder- und welches die Rück­seite der Scheibe? Auch darüber sind sich die For­scher nicht einig.

Gestem­pelte statt ein­ge­ritzte Symbole

Der Diskos ist in seiner Art ein­zig­artig: Nir­gendwo sonst wurden diese Zeichen bisher ent­deckt. Aber er ist auch in einer anderen Hin­sicht etwas Beson­deres: Selt­sa­mer­weise sind die Symbole nicht in den Stein geritzt, sondern auf­ge­stempelt. Damit ist der Diskos das älteste Druckwerk der Welt, bei dem mit beweg­lichen Lettern gear­beitet wurde – mit großem Abstand. Erst 3.000 Jahre später erfand Johannes Gutenberg den Buchdruck.

Aber welche Geschichte erzählen die Symbole auf der Scheibe? Seriöse Wis­sen­schaftler haben sich ebenso an Inter­pre­ta­ti­ons­ver­suche gewagt wie Laien. Die Erklä­rungen könnten unter­schied­licher kaum sein. Der Diskos ist für die einen ein Kalender, für andere sym­bo­li­siert er ein Pla­ne­tarium, weitere sehen darin einen Aufruf, in die Schlacht zu ziehen.

Es könnte sich auch um ein Amulett, einen Kompass oder ein Spiel­brett handeln. Erklärt die Scheibe ein geo­me­tri­sches Problem oder ver­ewigt sie eine Abenteuergeschichte?

Stammt die Scheibe aus dem All oder von Atlantis?

Einige Ideen zu dem rät­sel­haften Artefakt klingen ziemlich skurril: Ein Experte glaubt, es handele sich um ein Dokument aus dem ver­sun­kenen Insel­reich Atlantis. Ein anderer erkennt darin die Anleitung für einen sexu­ellen Ritus. Prä-Astro­nau­tiker sind sicher, dass Außer­ir­dische das Ding auf die Erde gebracht haben. Sie lesen in einer der Sym­bol­gruppen den Lan­dungs­versuch eines Raumschiffs.

Der erste Deu­tungs­versuch kurz nach dem Fund sah die Zeichen als reli­giösen Text, als Hymne an die Göttin der Erde. Zu diesem Schluss sind in den ver­gan­genen Jahren weitere For­scher gekommen. Beweisen konnten sie ihre Theorie aber ebenso wenig wie die anderen.

Der nie­der­län­dische Autor Harry Mulisch behauptet augen­zwin­kernd, dass auf der Scheibe fol­gende Worte stehen: „Diese Inschrift kann nicht ent­ziffert werden.“

Ent­stand die Scheibe auf Kreta – oder doch nicht?

Aber aus welcher Zeit stammt die Ton­scheibe? Der Fundort legt nah, dass sie während der Regent­schaft des legen­dären König Minos ange­fertigt wurde. Auf Kreta blühte um das Jahr 2000 vor unserer Zeit­rechnung die erste Hoch­kultur Europas.

Die Paläste waren mit Bildern von Del­phinen, Pries­te­rinnen, Akro­baten und Blumen geschmückt. Dar­stel­lungen von Krieg oder Sol­daten dagegen gibt es nicht.

Einer Sage nach lebte zu dieser Zeit auch ein Unge­heuer auf der Insel, der Mino­taurus. Das Fabel­wesen, eine Kreuzung aus Mensch und Stier, fraß Jung­frauen und Kinder. Die Kreter sperrten es deshalb in ein unter­ir­di­sches Labyrinth.

Es ist jedoch nicht sicher, dass der Diskos auf Kreta ent­stand. Es ist auch möglich, dass er aus anderen Teilen auf der Welt auf die Insel gebracht wurde. Etwa aus Ägypten, Libyen oder Israel, wie manche For­scher glauben. Von wem, wann und warum? Alles unklar.

Der Diskos kann viel­leicht nie ent­schlüsselt werden

Oder ist die Ton­scheibe in Wahrheit eine gut gemachte Fäl­schung? Die meisten Wis­sen­schaftler gehen zwar davon aus, dass sie echt ist, aber einige haben Zweifel geäußert. Viel­leicht konnten die Symbole bislang nicht ent­ziffert werden, weil sie über­haupt keinen Sinn ergeben und aus­ge­dacht sind?

Im Ver­dacht steht der Ent­decker des Diskos, der ita­lie­nische Archäologe Luigi Pernier. Sein Team hatte die Scheibe in einem ver­fal­lenen Palast an der Süd­küste ent­deckt. Per­niers Motiv könnte Gel­tungs­sucht gewesen sein. Seit Ende des 19. Jahr­hun­derts lie­ferten sich Archäo­logen auf Kreta einen Wettlauf um neue Ent­de­ckungen aus der bis dahin unbe­kannten Zivilisation.

Kann das Geheimnis des Diskos jemals ent­schlüsselt werden? Viele Wis­sen­schaftler sind mitt­ler­weile der Ansicht, dass dies unmöglich ist – wenn nicht ein wei­teres Artefakt mit diesen Schrift­zeichen gefunden wird. Denn das ist das größte Problem bei der Ent­zif­ferung: Es sind eben ins­gesamt 242 Symbole der geheim­nis­vollen Schrift, mit denen die For­scher arbeiten könnten.


Quelle: antimatrix.com