SATA­NISMUS, TER­RO­RISMUS, NEO­NA­ZISMUS & PÄDO­KRI­MI­NA­LITÄT: Das gefähr­lichste Netzwerk der Welt — Teil 1

Der Order of Nine Angels (ONA, auch O9A,Orden der Neun Engel) wurde in den 1960er oder 1970er Jahren – da gehen die Quellen aus­ein­ander – in Wales von einem unter »Anton Long« (Pseudonym) bekannten Rechts­extremen gegründet. Bei jenem han­delte es sich, dem bri­ti­schen His­to­riker Nicholas Goodrick-Clarke (und anderen) nach, um David Myatt, einem ehe­ma­ligen Leib­wächter des alt­ge­dienten bri­ti­schen Nazis Colin Jordan. Dazu später mehr …

Obwohl der Orden vorgibt, sein Ansatz liege im »tra­di­tio­nellen Sata­nismus«, findet man in ihm unter anderem her­me­ti­sches, eng­lisch tra­di­tio­nelles, modern heid­ni­sches (wie etwa Wicca und Paga­nismus) und vor allem nazis­ti­sches Gedankengut.

Der ONA, der größ­ten­teils aus auto­nomen und »geheimen Zellen« (soge­nannte »Nexionen«) besteht (die ursprüng­liche Zelle »Nexion Zero« befand sich in Shropshire), zele­briert die dunkle, destruktive Seite des Lebens, ver­breitet anti-christ­liche, elitäre und sozi­al­dar­wi­nis­tische Dok­trinen und zeichnet sich durch die totale Ver­achtung für liberale Werte aus. Moral wird mit Spott bedacht, Demo­kratie und Libe­ra­lismus werden, so der bri­tische His­to­riker Nicholas Goodrick-Clarke, für den »Nie­dergang einer sich unab­lässig ver­meh­renden Menschheit ver­ant­wortlich gemacht, die bald nur noch aus min­der­wer­tigen Rassen und ver­weich­lichten Feig­lingen bestehen wird; diese werden vor den Starken und Kraft­vollen nämlich viel zu sehr in Schutz genommen. Der Großteil der Menschheit wird als Bürde (…) ange­sehen. Regel­mäßig werden Juden und Christen ange­prangert, weil die soge­nannte Neue Welt­ordnung auf ihr Konto gehe (…)« (427/1)

Ebenso wird die »Auf­hebung aller Geschlechter‑, Rassen‑, natio­nalen und kul­tu­rellen Unter­schiede als ernst­hafte Bedrohung wahr­ge­nommen, die letztlich nur durch »Kampf und Krieg« vor­an­ge­trieben werden kann. Diesem Gedan­kengut nach ist die Demo­kratie ein »Schwindel« und der Holo­caust eine »Mär«, ein »schuld­be­la­dener Mythos« und Myatt nach nichts weiter als »naza­re­nische« (christ­liche) Arche­typen, die der Erfüllung der impe­rialen Bestimmung des Westens ent­ge­gen­stehen, die durch sata­nis­tische Rituale ver­nichtet werden konnten. Juden waren ihm nach die »letzten Ver­treter der ver­fal­lenden Magi­schen Seele«. (427/2)

Myatt schrieb aus­führlich über die »Religion und Spi­ri­tua­lität« des Natio­nal­so­zia­lismus, der für ihn zusammen mit Sata­nismus Mani­fes­ta­tionen der »Selbst­über­windung« und als Mittel zur »Erschaffung eines tap­feren, furcht­erre­genden, krie­ge­ri­schen Men­schen­typus: ‚Zu jener Zeit erschienen mir Adolf Hitler und die von ihm ins Leben gerufene Bewegung einige der Ideale zu ver­körpern, von denen ich über­zeugt war, dass die Magick (damit spielte er auf Aleister Crowley an/GG) sie ver­wirk­lichen sollte – sie schienen eine Art Sata­ni­schen Geist zu reprä­sen­tieren, einen Drang zu erobern, zu ent­decken und sich aus­zu­breiten (…)‘ (Myatt)« (427/3)

Nazi-Deutschland war demnach eine »Mani­fes­tation des sata­ni­schen Geistes«, von Hitler geführt. Skin­heads seien »interne Bar­baren«, die die Präsenz der far­bigen Immi­granten ver­ab­scheuten und sich für den »ter­ri­to­rialen Kampf« zu Krie­ger­banden und zu Krie­ger­clans zusam­men­schlossen. Diese »jungen Arier« würden die Moral und die Lebensart des libe­ralen Bür­gertums ablehnen. Sie, diese »Send­boten« des kom­menden west­lichen Impe­riums gehörten zum »Besten, was unsere Rasse zu bieten hat (…) Wahre Krieger, die ‚mit ihrem Blut denken‘«. (427/4)

Rand­notiz: Schon im Oktober 1974 gründete David Myatt eine radikale, ras­sis­tische und anti­se­mi­tische Grup­pierung, das National Demo­cratic Freedom Movement (NDFM) und wurde im Zuge ver­schie­dener Stra­ßen­schlachten und Stö­rungen der öffent­lichen Ordnung zu Gefäng­nis­strafen ver­ur­teilt. All das lief par­allel zu seinem Studium der Schwarzen Künste. Als er 1973 eine Gruppe von Wicca-Sata­nis­tinnen ken­nen­lernte, fand er großes Interesse an deren Prak­tiken. Deshalb behauptet der ONA bis heute, Nach­folger des Kultes einer bru­talen Göttin zu sein, der schon vor 4.000 Jahren in England ver­breitet gewesen sei.

In den 1960er Jahren schlossen sich drei neo­pa­ga­nis­tische »Tempel«, nämlich CamladThe Noc­tu­lians und der Temple of the Sun zu einem neuen Orden zusammen. Als die Anfüh­rerin nach Aus­tralien aus­wan­derte, schlug Myatts Stunde, der ihn übernahm. So führte er bei­spiels­weise sata­nis­tische Messen ein, bei denen Adolf Hitler als »edler Erretter« ange­rufen wurde.

Außerdem wurden diverse magische Hand­lungen voll­zogen und kör­perlich her­aus­for­dernde Prü­fungen ver­langt sowie die Über­nahme »gefähr­licher Auf­gaben« oder »schwie­riger Tätig­keiten«. Damit drückte er wohl  den Schwer­punkt »seines« Sata­nismus aus, der neben dem Wachsen der indi­vi­du­ellen Per­sön­lichkeit auch »Akte der Tap­ferkeit und der Aus­dauer  und durch die beständige Bereit­schaft, sein Leben aufs Spiel zu setzen« gekenn­zeichnet war. Dadurch unter­schied er sich erheblich von anderen sata­nis­ti­schen Gruppierungen.

Der »wahre« Satanist musste demnach seine eigenen Grenzen durch »Akte des Bösen und durch blas­phe­mische Rituale« über­winden und »über das ange­messene Maß hin­aus­gehen« und dadurch auch seine Ent­schlos­senheit und Lebens­kraft stärken und aus­bilden. Das ist nichts anderes als »Umkon­di­tio­nierung.«

Ferner soll die Mani­pu­lation von anderen genauso prak­tisch erfahren werden wie sexu­eller Genuss. Dem­entspre­chend musste der Satanist Dinge tun, die ver­boten, illegal und böse waren, wie etwa die Praxis des Menschenopfers!

Für die ONA, so Goodrick-Clarke, war dies eine »Form der Initiation und die Los­sagung vom mensch­lichen Moral­emp­finden. Myatt selbst hat eine Reihe von Richt­linien nie­der­ge­schrieben, wie solche opfers (vom deut­schen ‚Opfer‘ abge­leitet) aus­ge­wählt und geprüft werden sollen, bevor sie rituell hin­ge­richtet werden. Eine solche Form von human culling (‚to cull‘ meint eigentlich ein Tier erlegen, um den Bestand zu lichten) soll die Emp­fäng­lichkeit des Sata­nisten für die akau­salen Dunklen Kräfte erhöhen, denn dem Krieg, dem Töten und dem Blut­ver­gießen wohnt angeblich ein mäch­tiges, dunkles evo­lu­tio­näres Potential inne.« (427/5)

Vor­treff­liche Opfer sind »Per­sonen mit geringem Cha­rakter«, unter anderem Christen und Jour­na­listen, Mit­glieder von »Schein-sata­ni­schen Gruppen« wie der Church of Satan und des Temple of Set sowie »eifrige, stö­rende Naza­rener« und poli­tische Akti­visten, die das Treiben des ONA stören.

Die Praxis des Men­schen­opfers soll aus vor­ge­schicht­lichen ONA-Tra­di­tionen stammen. Kon­kreter: Nach ihren Über­zeu­gungen muss der Mörder seinem Opfer erlauben, sich selbst »aus­zu­wählen«. Das soll dadurch erreicht werden, indem das Opfer getestet wird, um fest­zu­stellen, ob es »wahr­ge­nommene Cha­rak­ter­fehler« auf­deckt. Wenn dies der Fall ist, wird ange­nommen, dass das Opfer gezeigt hat, dass es des Todes würdig ist, und die Opferung kann beginnen. Auf­grund dieser »Selbst­auswahl« kommen Kinder als Opfer nicht in Frage. Aller­dings werden »mensch­liche« Opfer dem Tier­opfer vor­ge­zogen. Das Opfer selbst wird ent­weder durch »phy­sische« oder »magische« Mittel aus­ge­führt, damit der Mörder die Kraft von Körper und Geist des Opfers in sich auf­nimmt, um eine »neue Ebene des fins­teren Bewusst­seins« zu betreten. Das wie­derum soll die Ver­bindung zu den kau­salen Kräften des Todes und der Zer­störung ver­stärken, während das Opfer, der »wertlose Mensch« aus der Gesell­schaft ent­fernt wird. (427/6)

Natürlich gibt keine »geheime Zelle« des ONA zu, solche Ritua­l­opfer durch­zu­führen. Vielmehr führen sie diese bei­spiels­weise aus, in dem sich Mit­glieder der Polizei mili­tä­ri­schen Truppen anschließen, um sich an »legaler« Gewalt und Tötung zu betei­ligen. (427/7)

Ich wie­derhole hier noch einmal, dass der Jour­nalist und Fil­me­macher Rainer Fromm in seinem Buch Sata­nismus in Deutschland – Zwi­schen Kult und Gewalt davon berichtet, dass der Order of Nine Angels aus Groß­bri­tannien, Men­schen­opfer als för­derlich für die »Arbeit von Satan« beschreibt und als »kraft­volle Magie« sieht. Denn die­je­nigen, so ist in einem Internet-Aufsatz des Ordens zu lesen, »die an einem Opfer-Ritual teil­nehmen, müssen sich am Tod weiden.«

Konkret: »Auf seiner Homepage ver­öf­fent­licht der Orden zahl­reiche Rituale und widmet sich auch unum­wunden dem Opfer des Prinzen: Eine Anleitung zu Men­schen­opfern. Hier erfährt der Leser, dass ‚Men­schen­opfer eine kraft­volle Magie sind.‘« So heißt es laut Fromm dort: »Der rituelle Tod eines Indi­vi­duums bringt zwei Dinge: Er lässt Energie frei (…) und zieht dunkle Kräfte und Per­sön­lich­keiten herab (ONA: A Gift fort he Prince, S. 1).« Weiter: »Darüber hinaus för­derten Men­schen­opfer die Arbeit von Satan. Hierbei unter­scheidet der Kult frei­willige und unfrei­willige Opfer.«

Fromm zitiert wieder den Order of Nine Angels: »Frei­willige Opfer ereignen sich nor­ma­ler­weise nur alle siebzehn Jahre als Teil einer Zere­monie der Abbe­rufung. Der Aus­er­wählte erhält Unsterb­lichkeit (…) Unfrei­willig ist ein Opfer eines oder meh­rerer Indi­viduen dann, wenn es von einer Gruppe, dem Tempel oder dem Orden aus­ge­sucht wurde. (Internet-Aufsatz: Lucifer’s Realm – FQS – The Alt Satanism – FAQ, Stand: 275.2002).«

Und noch einmal Fromm: »Der sata­nis­tische Orden ent­lässt seine Leser­schaft mit einem wich­tigen Hinweis: ‚Die­je­nigen, die an einem Opfer-Ritual teil­nehmen, müssen sich am Tod weiden. Es ist die Pflicht eines Meisters oder einer Meis­terin, pas­sende Teil­nehmer zu finden‘ (Internet-Aufsatz: Lucifer’s Realm – FQS – The Alt Satanism – FAQ, Stand: 275.2002).« (427/7/1)

FORT­SETZUNG FOLGT …

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Quellen:

(427) Vgl. neben den im Text ange­ge­benen Quellen noch fol­gende: „State of hate 2020 – Far right terror goes global“ (https://www.hopenothate.org.uk/wp-content/uploads/2020/02/state-of-hate-2020-final.pdf)///“State of hat 2019 – People vs. The Elite?“ (http://www.hopenothate.org.uk/wp-content/uploads/2019/02/state-of-hate-2019-final‑1.pdf)///“Atomwaffen Division/National Socialist Order” (https://cisac.fsi.stanford.edu/mappingmilitants/profiles/atomwaffen-division#_ftn45)/Zugriff: 26.02.21///https://web.archive.org/web/20110721230220/http://www.nineangles.info/commentary-dreamers.pdf

(427/1) Vgl. Nicholas Goodrick-Clarke: Im Schatten der Schwarzen Sonne – Arische Kulte, Eso­te­ri­scher Natio­nal­so­zia­lismus und die Politik der Abgrenzung, Wies­baden 2009, S. 440

(427/2) Vgl. Nicholas Goodrick-Clarke: Im Schatten der Schwarzen Sonne – Arische Kulte, Eso­te­ri­scher Natio­nal­so­zia­lismus und die Politik der Abgrenzung, Wies­baden 2009, S. 446, 447

(427/3) Vgl. Nicholas Goodrick-Clarke: Im Schatten der Schwarzen Sonne – Arische Kulte, Eso­te­ri­scher Natio­nal­so­zia­lismus und die Politik der Abgrenzung, Wies­baden 2009, S. 441

(427/4) Vgl. Nicholas Goodrick-Clarke: Im Schatten der Schwarzen Sonne – Arische Kulte, Eso­te­ri­scher Natio­nal­so­zia­lismus und die Politik der Abgrenzung, Wies­baden 2009, S. 447, 448

(427/5) Vgl. Nicholas Goodrick-Clarke: Im Schatten der Schwarzen Sonne – Arische Kulte, Eso­te­ri­scher Natio­nal­so­zia­lismus und die Politik der Abgrenzung, Wies­baden 2009, S. 441

(427/6) Vgl. Jeffrey Kaplan: Order of Nine Angles – Ency­clo­pedia of White Power: A Sourcebook on the Radical Racist Right. Jeffrey Kaplan (editor). Lanham: AltaMira Press, 2000, S. 235–238///Matthias Gardell: Gods of the Blood: The Pagan Revival and White Sepa­ratism, Durham and London, 2003, S. 293, 294///Gavin Bad­deley: Lucifer Rising: Sin, Devil Worship & Rock n‘ Roll (third ed.). London: Plexus, 2010, S. 155///Graham Harvey: Satanism in Britain Today, Journal of Con­tem­porary Religion, 10 (3), 1995, S. 283–296/// »Praxis and Theory of the Order of Nine Angles« (PDF). Order of Nine Angles. Archived from the ori­ginal (PDF) on 21 Sep­tember 2015. Retrieved 21 Sep­tember 2015.

(427/7) Vgl. Connell Monette: Mys­ticism in the 21st Century, Wil­son­ville, Oregon 2013, S. 114 (Sirius Aca­demic Press)

(427/7/1) Rainer Fromm: Sata­nismus in Deutschland – Zwi­schen Kult und Gewalt, München 2003, S. 78, 79


Guido Grandt — Dieser Beitrag erschien zuerst auf dem Blog des Autors www.guidograndt.de