Ukraine: Die Weichen der EU sind gestellt – wohin?

30 Jahre reichten nicht, die Schie­nen­weite an Europa anzu­passen — Vom EU-Emp­fän­gerland zum EU-Normal-Land dauert es zig Jahre

(von Albrecht Künstle) 

Für viele Ukrainer (und Russen) war es tödlich, auf Geheiß der USA der NATO bei­treten zu wollen. Weniger gefährlich ist es dagegen, dem Wunsch der Ukraine nach­zu­kommen, der EU bei­zu­treten. Die Mit­glieds­länder wurden zwar noch nicht gefragt, aber in Brüssel wurden die Weichen dazu bereits gestellt. Auch Putin hat kein Problem damit. Es ginge ihn auch nichts an, dies ist die „Sou­veräne Ent­scheidung jedes Landes“, erklärte er in St. Petersburg. Nur Selenskyj wäre nicht Selenskyj, würde er nicht orakeln, sein Land werde nun von Russland für die Bei­tritts­ent­scheidung mili­tä­risch bestraft.

In Brüssel und Berlin wird nun bejubelt, „die Ukraine ist eine Berei­cherung.“ Das dürfte zutreffen, die Frage ist nur für wen. Aber außer bei den Grün­dungs­mit­gliedern war es stets so, dass Kern­europa für die Neu­mit­glieder Opfer bringen musste. Das wird zwangs­läufig noch ver­stärkt für die Auf­nahme der Ukraine gelten, dem größten Flä­chenland Europas mit einer relativ kleinen Wirt­schafts­leistung. Das könnte auch der Grund für Putins „Groß­zü­gigkeit sein, der EU die Ukraine zu gönnen. Denn es ist nicht aus­ge­schlossen, dass sich das 27er-Bündnis an der Ukraine ver­schlucken könnte, und dass dann weitere Länder der EU den Rücken kehren, wie es Groß­bri­tannien tat.

Gehen wir aber davon aus, die Ukraine schafft es, ein voll­wer­tiges Mit­gliedsland zu werden. Die Frage ist, wie lange wird das dauern? Um nicht spe­ku­lativ zu bleiben, werfen wir einen Blick auf einen ele­men­taren Bestandteil der Infra­struktur, auf die Eisenbahn. Diese wurde jetzt noch wich­tiger, weil Selenskyj seine Häfen ver­minen ließ und sich dann wun­derte, dass die Ree­de­reien sich wei­gerten, das ukrai­nische Getreide abzu­holen. Die Lager­be­stände nahmen zu und das Geld ab, weil nicht aus­ge­lie­ferte Waren auch nicht bezahlt werden.

Deshalb muss der Transport per Bahn her­halten, aber siehe da, die Güterzüge stran­deten erst einmal an den Umschlags­bahn­höfen vor der Grenze. Warum? Die rus­sische Spur­weite in der Ukraine von 152 cm ver­trägt sich nicht mit der mit­tel­eu­ro­päi­schen von 143,5 cm. Seit 1991 ist die Ukraine unab­hängig, schaffte es aber in 30 Jahren bis heute nicht, ihre Spur­weite der euro­päi­schen anzu­passen. Das macht nämlich richtig Arbeit, und man bekommt dre­ckige Hände. Mit über 60 Prozent Dienst­leis­tungs­be­schäf­tigten ist so etwas auch nicht zu stemmen. Und so stauen sich die Züge zum Umladen in den Ter­minals und das feh­lende Geld für die Ukraine muss ihr von uns ersetzt werden, damit der Staat nicht plei­tegeht – eigentlich eine Insolvenzverschleppung.

Spä­testens ab 2014 hätte die nach dem Westen stre­bende Ukraine in die Hände spucken und ihr Schie­nennetz dem euro­päi­schen anpassen sollen. Ob zumindest diese neue HGV-Strecke in Nor­malspur durch eine ita­lie­nische Firma schon in Angriff genommen wurde? Aber nein, das Land wirft sich der DB an den Hals, die schon bei uns in Deutschland nichts auf die Reihe bringt. Früher über­ließen die Ukrainer den Bau und Betrieb der Eisenbahn Öster­reich, Polen und Russland. Und nun: Ent­scheidet die Eisenbahn über das Schicksal der Ukraine? sin­nierte die Deutsche Welle am 6. Mai.

Wenn die Ukraine „Eisenbahn nicht kann“, dann viel­leicht etwas anderes Pro­duk­tives? Kaum, auch Waffen für die Ver­tei­digung bauen kann sie nicht (wie es z.B. das kleine Israel vor­macht). Keine 25 Prozent wollen in der Industrie arbeiten. Und haupt­sächlich von Kultur, aus der Selenskyj kommt, kann eine Nation nicht leben. Die schlech­teste Bewertung bekam das poli­tische Management in der Ukraine, das noch kor­rupter als Nach­bar­länder sein soll? Was aber richtig pro­ble­ma­tisch ist: Die Han­dels­bilanz ist durch­gängig negativ. 

Aber wofür gibt es die „Euro­päische Union der Reichen“, die wird’s schon richten!? Sofern sie dann noch besteht, bis die Ukraine die Bei­tritts­kri­terien erfüllt hat. Zu den Anfor­de­rungen gehört u.a.: Soli­da­rität ja, aber keine mili­tä­rische Kriegs­führung. Selbst Mit­glieds­länder sind zu keinem Kriegs­ein­tritt gezwungen, schon gar nicht gegenüber Bei­tritts­kan­di­daten in Lauerstellung.

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