"Seenotrettung" des NGO-Schiffes "Triton", Bildquelle flickr.com, Bildlizenz: (CC BY 2.0)

Trotz Mas­sen­zu­wan­derung Arbeitskräftemangel

Wirt­schaft fordert mehr Zuzug und Erhöhung des Ren­ten­alters — Warum es immer noch einen Arbeits­kräf­te­mangel gibt, Teil II

(von Albrecht Künstle) 

Unsere Wirt­schafts­ka­pitäne sind auch nicht mehr besser als unsere Poli­tiker. Obwohl die Bevöl­kerung Deutsch­lands steigt und steigt (aktu­eller Stand 83,8 Mio.), werden sie nicht müde, noch mehr Neu­be­völ­kerung zu ver­langen. Zuzug soll den Arbeits­kräf­te­mangel beheben – obwohl dieses Rezept schon bisher das Gegenteil bewirkte. Mit den ein­ge­la­denen und unge­be­tenen Gästen stieg der Arbeits­kräf­te­mangel weiter an. Lehrsatz: Wer immer wieder das gleiche macht, aber andere Ergeb­nisse erwartet, hat in der Schule nicht aufgepasst.

Die Gründe führte ich bereits in meh­reren Fach­ar­tikeln aus: Durch den Zuzug kam zwar die eine oder andere Fach­kraft, aber mehr der Zuwan­derer sind Ballast für unsere Volks­wirt­schaft. Die staatlich betriebene Nach­fra­ge­stei­gerung mittels mehr und mehr Sozi­al­leis­tungen ging einher mit einer gerin­geren Erwerbs­quote. Die Frauen der Zuwan­derer arbeiten noch sel­tener als diese selbst, und deren viele Kinder arbeiten selbst­ver­ständlich auch nicht.

Nun sollen die Berufs­tä­tigen bis 70 arbeiten, statt bis 67 wie beschlossen, fordern Wirt­schafts­ver­bände – diesmal Gesamt­metall. Ver­nichtung durch Arbeit?! Ihnen scheint nichts zu schäbig zu sein, das Heer an Arbeits­kräften zu ver­größern, um den Beschäf­tigten gegenüber noch mäch­tiger auf­treten zu können. Wann werden die Unter­nehmer ihren schwan­geren Beschäf­tigten Abtrei­bungen sponsern, wie das in den USA schon der Fall ist? Damit werden Aus­fall­zeiten vermieden.

Dieses Jahr kamen über eine halbe Million Ukrainer(innen) zu uns. Viele mel­deten sich arbeitslos, was die Arbeits­lo­sigkeit auf fast zwei­einhalb Mil­lionen ansteigen ließ. Die „Unter­be­schäf­tigung“, die zusätzlich zur Arbeits­lo­sigkeit auch Ver­än­de­rungen in der Arbeits­markt­po­litik und kurz­fristige Arbeits­un­fä­higkeit berück­sichtigt, lag im Juli 2022 sogar bei 3 217 000 Per­sonen. Können diese Mil­lionen nicht arbeiten, wollen sie nicht oder haben sie plau­sible Gründe dies nicht zu tun? Darum geht es im Folgenden:

Wer hat die Worte noch nie gehört, „ich darf nicht mehr arbeiten“? Ansonsten ver­lieren sie Sozi­al­leis­tungen oder Unter­halts­zah­lungen. Unzählige Witwen im rüs­tigen Alter bekommen mit dem Bescheid für ihre Wit­wen­rente die Hin­zu­ver­dienst­grenze mit­ge­teilt – wieviel sie ver­dienen dürfen, ohne dass es zu Ren­ten­kür­zungen kommt. Würden sie etwas mehr arbeiten, würden sie Geld ver­lieren. Also beschränken sie sich auf jene Teil­zeit­stunden, die nicht ren­ten­schädlich sind. So wird Potenzial ver­geudet und Arbeits­kräf­te­mangel pro­du­ziert. Lasst sie doch arbeiten und gönnt ihnen ihre Renten!

Arbeits­lo­sen­geld­be­ziehern wird das Arbeiten eben­falls ver­miest, sie dürfen während des Bezugs in einem Job nur 165 Euro ver­dienen. Und die Bezugs­dauer des ALG 1 wurde erhöht auf bis zu 24 Monate – „kommt Zeit, kommt Rat“? So wird Potenzial ver­geudet und Arbeits­kräf­te­mangel produziert.

Auch Hartz-4-Bezieher werden belehrt, wieviel sie hin­zu­ver­dienen dürfen und sich deshalb besser zurück­lehnen sollten? So wird Potenzial ver­geudet und Arbeits­kräf­te­mangel produziert.

Scheitert eine Ehe, lohnt sich das Arbeiten oft nicht mehr. In der Ehe war man anscheinend nicht glücklich und nach der Scheidung wird es zumindest der Haupt­ver­diener auch nicht wegen der mas­siven Unter­halts­ver­pflich­tungen. Also wird nur noch so viel gear­beitet wie unbe­dingt nötig. So wird Potenzial ver­geudet und Arbeits­kräf­te­mangel produziert.

Für Allein­er­zie­hende besteht oft kein Anreiz, eine Arbeit auf­zu­nehmen. Das Paket an Unter­stüt­zungen ist so attraktiv, dass es sich oft rechnet, offi­ziell getrennt zu leben und auf den Vorteil der gemein­samen Kin­der­er­ziehung und Arbeits­teilung zu ver­zichten. Die Arbeit wird oft redu­ziert oder ganz auf­ge­geben. So wird Potenzial ver­geudet und Arbeits­kräf­te­mangel produziert.

Asyl­be­werber dürfen eine Zeitlang auch nicht arbeiten – in anderen Ländern müssen sie. So ist bei uns die Arbeits­markt­zu­lassung geregelt. Und so wird Potenzial ver­geudet und Arbeits­kräf­te­mangel produziert.

Andere Kul­turen, andere Unsitten – mus­li­mische Frauen arbeiten eher nicht, sie werden zu Hause „gehalten“. Wie bei uns noch vor 50 Jahren bedarf die Arbeit einer Muslima der Geneh­migung ihres Paschas. Was aber nur ein Rand­problem ist, denn der Kin­der­reichtum erlaubt es schon prak­tisch kaum, dass solche Mütter den Arbeits­kräf­te­mangel mildern. Sie schaffen dagegen den Mangel an Per­sonal in Kin­der­gären und Schulen.

Warum gibt es immer noch die Wahl der Lohn­steu­er­klasse III/V? Obwohl beim gemein­samen Lohn­steu­er­aus­gleich alles in einen Topf geworfen wird, ent­steht über das Jahr der Ein­druck, die Arbeit von Frauen mit der Steu­er­klasse V lohne sich nicht. Also lassen sie es, weil die monat­liche Lohn­steuer exor­bitant hoch ist und vom Brutto anscheinend nicht viel bleibt. So wird Potenzial ver­geudet und Arbeits­kräf­te­mangel produziert.

Auch Rentner unter­liegen bis zur Regel­al­ters­grenze einer Hin­zu­ver­dienst­grenze von 6300 Euro im Jahr. Zusätzlich muss die indi­vi­duelle Höchst­grenze beachtet werden – der Hin­zu­ver­dienst­deckel. Werden die Grenzen über­schritten wird die Rente gekürzt. Ganz abstrus wird es, wenn sich jemand eine Pho­to­vol­ta­ik­anlage aufs Dach instal­lieren lies. Der Erlös für die Strom­ein­speisung wird dann behandelt, als ob der Rentner arbeiten würde. Zusammen mit Arbeits­ein­kommen führt das zu Ren­ten­ver­lusten, weshalb man es unter­lässt, noch etwas zu tun. So wird Potenzial ver­geudet und Arbeits­kräf­te­mangel produziert.

Nur für Abge­ordnete sind Ein­künfte neben ihren üppigen Tan­tiemen unbe­schränkt möglich. Wer in den Bun­destag gewählt wird, ist nicht unbe­dingt gut situiert, was sich aber schlag­artig ändert. Und wer aus dem Bun­destag aus­scheidet ist kein Armer mehr. Viele haben nichts gelernt, aber davon eine ganze Menge. Und wer über die üppige Lob­by­arbeit seine Schäfchen nicht im Tro­ckenen hat, macht etwas falsch.

Das waren die Neben­ein­künfte des letzten Bun­destags. Sie waren „schwarz“ domi­niert. Nachdem rot-gelb-grün die Regierung stellt, wird sich das ent­spre­chend ver­schieben. Denn das Kapital regiert nicht offen, es lässt regieren. Und so geht eher ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Abge­ord­neter den Bun­destag so ver­lässt, wie er in ihn einzog. Es gibt nur eine Dekla­ra­ti­ons­pflicht, aber keine Anrechnung der Neben­ein­künfte – oft die Haupt­ein­künfte – auf ihre Abgeordnetenbezüge.

Die beschäf­ti­gungs­hem­menden Vor­schriften sollten endlich geändert werden. Aber von diesem Bun­destag? Wenn es einen Fach­kräf­te­mangel gibt, dann im Bun­destag. Und neu­er­dings auch in den Wirt­schafts­ver­bänden. Warum kommt niemand auf die Idee, endlich diesen Mangel an Expertise abzustellen?!

Teil III wird auf­zeigen, in welchen Bereichen eine Fehl­al­lo­kation von Arbeits­kräften besteht.

——————————————

Dieser Artikel erscheint auch auf der Web­seite des Autors