Soli­da­rität wirkt – spart Wasser! (Glosse)

G l o s s e von Maria Schneider

Ich weiss nicht, was die Leute für ein Problem mit dem 9‑Euro-Ticket haben. Allent­halben beschwert man sich über aus den Nähten plat­zende Züge, Ver­spä­tungen, Ver­wahr­losung und dass die nor­malen Pendler das Bil­lig­ticket quer­fi­nan­zieren müssten.

Ja, natürlich ist dies nicht das einzige Problem im Lande. Da hätten wir noch die Mas­sen­mi­gration, die Woh­nungsnot, die Arbeits­losen und Hartzer. Ande­rer­seits wie­derum den Fach­kräf­te­mangel und Restau­rant­schlie­ßungen an bestimmten Tagen wegen Per­so­nal­mangels. Aber was soll’s?

Mich per­sönlich ficht das Ganze nicht (mehr) an. Seit rund 3 Wochen habe ich immer Platz im Zug. Kaum steige ich ein, teilen sich die Men­schen­massen wie das Rote Meer auf Mose Geheiß. Selbst wenn ich mich setze, stehen freund­liche Mit­rei­sende unauf­ge­fordert auf und über­lassen mir die gesamte Sitzbank.

Ich finde das super, kann ich doch dann in Ruhe meine Füße auf den gegen­über­lie­genden Sitz legen, meine Vesper aus­packen und gemütlich vor mich hinmampfen.

Ich übe Verzicht

Das Leben ist schön. Mir geht es gut. Ich bin rundum ent­spannt und glücklich. Und all dies, weil ich soli­da­risch bin. Weil ich selbstlos bin. Weil ich Ver­zicht für die armen Men­schen in der Ukraine übe, die wegen des Schufts Putin so sehr leiden müssen.

Alles fing vor einem Jahr an. Ich saß mit meiner soli­da­ri­schen Freundin in ihrem auto­freien Viertel in der fuß­läu­figen Öko­kon­di­torei „Fleischfrei“ und müm­melte mit ihr hän­disch geformtes Säge­spä­ne­gebäck, das mit geheimen, über 10 Gene­ra­tionen über­lie­ferten, tibe­ti­schen Mantren gesegnet und mit einem Fluch gegen Rechte, Kon­ser­vative und Men­schen mit gekämmten Haaren belegt worden war. Wenn einer von ihnen auch nur in die Nähe des kost­baren Gebäcks käme, würde er sofort niesen müssen. Würde er es wagen, in das Teilchen hin­ein­zu­beißen, so würde Phase zwei des Fluchs aus­gelöst werden: Stun­den­langes Erbrechen.

Inves­tieren in Aktien für Waffen statt Frieden schaffen!

Während wir wo plauschten, gab mir Solana Blu­men­schön (vor ihrer Initiation im indi­schen Ashram: Heike Schmidt) den Tipp, in Aktien von Heckler & Koch, MAN, Jen­optik, MTU Aeroen­gines und Kraus-Maffei-Wegmann zu inves­tieren. Dank ihrer Bezie­hungen zu Quo­ten­frauen bei den Grünen hatte sie früh­zeitig vor Aus­bruch des Ukrai­ne­kriegs den Hinweis bekommen, Aktien bei den Waf­fen­pro­du­zenten zu kaufen. Mitt­ler­weile hatte sie schon ein erkleck­liches Sümmchen erwirt­schaftet und einen Teil davon auf ihrem Off­shore­konto in Rubel angelegt. Außerdem hatte Solana für ihren per­sön­lichen Flüchtling aus Afrika mit wun­der­baren Muskeln wie aus Ebenholz das ehe­malige Dienst­bo­ten­zimmer in ihrer elter­lichen Villa aus­gebaut, die sie endlich vor einem Jahr bezogen hatte.

Lange genug hatte es ja gedauert. Dank ihres Dau­er­terrors in Form von täg­lichen Beschimp­fungen ihrer Eltern als Nazis, Umweltsäue und Rechts­extreme erlitt ihre Mutter schließlich nach fünf Jahren einen Schlag­anfall und ihr Vater ent­wi­ckelte Demenz, so dass sie beide endlich im Pfle­geheim abgeben und die Ver­fü­gungs­gewalt über ihre Erspar­nisse über­nehmen konnte. Wurde auch wirklich Zeit. Das winzige WG-Zimmer unter dem Dach war einer Gerech­tig­keits­krie­gerin mit scha­ma­ni­scher Inten­siv­aus­bildung und Auf­stiegs­er­fah­rungen zur Bud­dha­schaft wahrlich nicht mehr würdig gewesen. Zu mehr hatte jedoch bislang das Geld ihrer steu­er­fi­nan­zierten Initiative „AfD – wir sehen Dich“ nicht gereicht.

Egal – nun war alles anders und wir schlemmten nach gut einem Jahr wieder einmal zu Sphä­ren­klängen eine Torte mit veganer Schlag­sahne, während ich ihr von meiner neu­esten Inves­tition dank meiner Akti­en­ge­winne berichtete: Ein schnu­cke­liges Häuschen im süd­lichen Teil Tene­riffas, wo das ganze Jahr die Sonne scheint und niemand frieren muss. Von dort werde ich wei­terhin Spenden für geflüchtete Ukrai­ne­rinnen und min­der­jährige Flücht­linge mit trau­ma­ti­sie­renden Erfah­rungen sammeln und an die rele­vanten Arbeits­gruppen wei­ter­leiten, die meine zahl­reichen Ver­wandten betreiben. Dazu fühle ich mich ver­pflichtet, denn nicht jeder hatte das Glück, in einem solch reichen Land wie Deutschland geboren zu werden.

Ich übe Solidarität!

Mir ist mein Enga­gement ernst. Das erläutere ich auch Solana erneut, die ständig ihre Nase wegen meiner Pläne zu rümpfen scheint. Denn ich übe seit 4 Wochen kon­se­quent Soli­da­rität mit der Ukraine und wasche mich nicht mehr. Die erste Woche gab es noch keine Reak­tionen von den Men­schen. Doch jetzt treten die Men­schen ehr­fürchtig zu Seite, wenn ich einen Raum betrete und – wie schon erwähnt – stellt mir bei jeder Fahrt im ÖPNV jemand seinen Platz zur Verfügung.

Ihr seht also, liebe Leser. Soli­da­rität wirkt. Jeder kann aktiv werden und Wasser sparen. Wir können es Putin zeigen. Keinen Tropfen Wasser gönne ich ihm! Auch die Ukrai­ne­rinnen zollen mir Respekt. Als Dank für meine Bemü­hungen schenken Sie mir Seife und Wasch­lappen, die ich selbst­ver­ständlich nicht behalte, sondern an die Tafeln wei­tergebe. Denn auch die armen Deut­schen dürfen wir nicht vergessen.

Nehmt Euch also ein Vorbild an mir. Lasst das Waschen sein und Ihr werdet reichlich belohnt. Wir schaffen das! Macht’s gut, frohes Müffeln und bis zum nächsten Mal in der Öko­kon­di­torei „Fleischlos“!

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Maria Schneider ist freie Autorin und Essay­istin. Sie führt neben ihrer Berufs­tä­tigkeit den Blog bei­schneider. In ihren Essays und Rei­se­be­richten beschreibt sie als Chro­nistin — mal iro­nisch, mal pole­misch, mal kno­chen­trocken — die Ver­än­de­rungen in der Gesell­schaft und wie die Men­schen damit umgehen. Außerdem ver­öf­fent­licht sie Essays von anderen Autoren. Ihr Blog pflegt den offenen Dialog und ist hei­ma­ver­bunden, christlich und kon­ser­vativ. Kontakt: Maria_Schneider@mailbox.org