Die Deutschen aus den „neuen Bundesländern“ erinnern sich noch zu gut, wie sich das anfühlt, wenn man aufpassen muss, was man sagt, wo man es sagt und zu wem. Dass man nirgends sicher ist, nicht an den Falschen gerät, der einen erst provoziert und dann verpfeift. Die „Wessies“ konnten sich ja lange so sicher fühlen. Hier im Westen sind wir frei, die armen Schweine auf der anderen Seite des Stacheldrahts unter roter Diktatur. Das kommt jetzt anscheinend langsam, aber stetig wieder – und wir alle sind mitten dabei.
Und wie in der DDR, wo die Eliten gegen Ende schon ahnten, was kommen würde, wissen es die Eliten hier auch. Deshalb machen sie es auch so unter der Decke. Hat man gehofft, dass es niemand merkt? Wird man langsam nervös? Warum sonst wird etwas so Weitreichendes, die Grundrechte weiter Einschränkendes so geräuschlos durchgezogen?
Es wurde wieder am Paragraph 130 StGB, dem „Volksverhetzungsparagraphen“ herumgefummelt. Ursprünglich und eigentlich sollte dieses Gesetz die Holocaustleugner und Naziverherrlicher in die Schranken weisen. Doch in den letzten Jahren wurde er häppchenweise ausgeweitet. Der scharfe Grat zwischen freier Meinungsäußerung und „Hetze“ gegen „vulnerablen“ Gruppen aller Art wurde immer weiter in das Terrain der freien Meinungsäußerung nach vorne geschoben. Da der Begriff „Hetze“ immer noch eine relativ konkrete Bedeutung hat, führte man dann den neuen Begriff des „Hate-Speech“ ein. Ein neues Wort, das noch keine scharf umrissene Bedeutung hatte und unter dem man eine Menge unter Strafe stellen konnte. So mutierte dieser Paragraph von seiner ursprünglichen Bestimmung, die Waffe der Bürger gegen verbissene Ideologen – speziell gewaltbereite Anhänger des Nationalsozialismus – zu seinem Gegenteil: die Waffe verbissener Ideologen gegen den Bürger.
Kritiker der Auswirkungen ungeregelter Migration bekamen die Peitsche als Erste zu spüren. Der Protest gegen Gewalttaten von Zuwanderern an deutschen Bürgern fiel plötzlich unter Paragraph 130 StGB „Volksverhetzung“. Dann weitete man die Anwendung dieses Gesetzes plötzlich sogar auf Kritik am Staat wegen dessen allzu diktatorischen Vorschriften und empfindlichen Strafen bei Nichtbefolgung in der Corona-Pandemie aus: Wer einen Vergleich mit den Zwangsmaßnahmen der Nationalsozialisten anstellte, war schwuppdiwupp ein Volksverhetzer und bekam die 130er-Keule zu spüren. Der Protest gegen diktatorische Nazimethoden wurde plötzlich aber den Kritikern ebendieser Nazimethoden als „Relativierung des Nationalsozialismus“ um die Ohren gehauen.
In der Nacht-und-Nebel-Aktion im Bundestag legte man den Grundstein für eine weitere Verschärfung. Dazu wurde der Text auch offenbar so schwammig und unscharf gewählt, dass er unglaublich weit ausgelegt werden kann. Bisher war in der Bundesrepublik nur die Billigung von Straftaten aller Art (§ 140 StGB) sowie die Leugnung und Verharmlosung des Holocausts (§130 Absatz 3) strafbar. Jetzt ist schon die öffentliche Leugnung und „gröbliche“ Verharmlosung von anderen Völkermorden sowie von Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen strafbar. Es geht um den neuen Absatz 5 in diesem Gesetz, der da lautet:
„(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören.“
Was steht in den Paragraphen 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches? Das kann man hier genau nachlesen.
Hier die Titel der Paragraphen, jeweils zu den Gesetzestexten verlinkt:
Teil 2 Straftaten gegen das Völkerrecht
Abschnitt 1 Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
- 8 Kriegsverbrechen gegen Personen
- 9 Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte
- 10 Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen und Embleme
- 11 Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung
- 12 Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung
Da reibt sich der Bürger die Augen. Da ist ja eine lange Liste in den „§§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches“, die man nicht „gröblich verharmlosen“ darf. Der schwammige Text erlaubt so ziemlich jede Auslegung. Und ab wann ist eine Äußerung “geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören”? Das liegt natürlich an der allgemeinen Stimmung der Öffentlichkeit. Wenn die Leute in der Masse schon zornig, frustriert und voller Angst sind, reicht dazu schon eine Äußerung, die unter anderen Umständen niemanden interessiert hätte. Und — das ist der springende Punkt: Viele sind schon durch die Geschehnisse auf dem Level angekommen, an dem ein Funke das Pulverfass zum Explodieren kann. Darum glauben sie da in Berlin, müsse man “das Volk, den großen Lümmel” (Heinrich Heine) mit harter Hand disziplinieren.
Das wird nicht funktionieren. Wenn nun also Redner auf Demos oder Bürger, die am Rande einer Demo im kleinen Kreis ihre Meinung sagen oder Blogger vor Gericht gezerrt und ins Gefängnis gesteckt werden, erreicht man genau das Gegenteil: Es werden damit Märtyrer und Identifikationsfiguren geschaffen, die Wut wird wachsen.
Auch die Methode, mit der das neue Gesetz Eingang ins Strafgesetzbuch findet, sorgt für Empörung und Zorn:
„Die Verschärfung des Strafrechts beruhte auf einer zunächst nicht öffentlichen „Formulierungshilfe“ des Justizministeriums von Marco Buschmann (FDP). Völlig unbemerkt von der Öffentlichkeit beschloss der Rechtsausschuss am Mittwoch, den Vorschlag in einem harmlosen Gesetz zum Bundeszentralregister unterzubringen.
So konnte auf eine erste Lesung verzichtet werden. Und schon einen Tag später hat der Bundestag die Änderung abschließend beschlossen – als letzten Tagesordnungspunkt kurz vor 23 Uhr. Dafür stimmten die Ampelfraktionen und die Union, dagegen AfD und Linke.“
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