„Denn siehe! Finsternis bedeckt das Erdreich, und dunkel die Völker. Aber über Dir geht auf der Herr, und seine Herrlichkeit erscheint über Dir.“ Jesaja 60, 2.
Heute um Mitternacht beginnt eine magische Zeit – die heilige Zeit der Raunächte, das sind die Nächte vom 25. Dezember bis zum 6. Januar, dem Dreikönigs-Tag. Diese Nächte sind „außerhalb der Zeit“ entstanden, als man vom Mondkalender abkam und begann, sich an der Sonne auszurichten. Ein Mondjahr dauert 354 Tage, ein Sonnenjahr elf Tage beziehungsweise zwölf Nächte länger. Für unsere Vorfahren war es eine ganz besondere Zeit, eine Zeit der Besinnung – als Vorbereitung für das kommende Jahr. In dieser Zeit ruhte die Arbeit, alle Räder standen still. Frauen durften keine Wäsche waschen und draußen aufhängen, weil sich das wilde Heer darin verfangen hätte. Sie durften nicht am Spinnrad sitzen, weil nun die drei Nornen, die Schicksalsgöttinnen, das Schicksal spinnen und den Lebensfaden dem Menschen zuteilen und wieder abschneiden, wenn seine Zeit gekommen ist.
Für den Ursprung des eigentümlichen Wortes Rau(ch)nacht gibt es mehrere Erklärungen. Der Name bezieht sich auf den alten Brauch, in dieser Zeit mit Harzen und Kräutern zu räuchern, um Geister und Dämonen zu vertreiben und auf das Raunen der lichtvollen Seelen der Ahnen zu hören. Die Kelten glaubten, in diesen Nächten das Flüstern der Götter und Ahnen besonders gut wahrzunehmen. Seit jeher wurden diese Nächte zum Deuten und Orakeln genutzt, weil man glaubte, dass sich nun die Wünsche für das kommende Jahr zeigen. „Raunacht“ leitet sich auch von „rauch“ ab, ursprünglich ein Wort für „behaart, pelzig, von Fell bedeckt“, womit die Felle der dunklen Gestalten gemeint sind, die in diesen Nächten unterwegs sind und den Menschen Angst einflößen. Die Raunächte sind die Zeit der Percht: Holla, die große Muttergöttin, Göttin der Anderswelt, der Zwischenreiche, Seelenführerin, Anführerin der Wilden Jagd – die Lichte, die den Tod bringt. In ihrem Buch „Mond. Tanz. Magie“ erzählt die Schriftstellerin, Künstlerin und Zauberkundige Luisa Francia eine moderne Geschichte der Percht:
„Es war eine stürmische, düstere Nacht. Ein Angetrunkener folgte einer Frau durch die neonerleuchteten Straßen der Stadt. An einer Ampel blieb sie stehen. Sie führte einen Hund an der Leine. Sie sah sich nicht um. „Na, Mädel, wohin so allein?“, rief er hinter ihr. Sie drehte sich nicht um. „So eine schöne Frau und ganz allein.“ „Ich bin“, sagte sie, indem sie sich umdrehte, dass ihre dunklen Locken um die Schultern flogen, „grausam, hässlich, furchterregend und uralt.“ Nein, sie war wunderschön, atemberaubend. Aber während sie sprach, veränderte sich ihr Gesicht. Mit jedem Wort wurde ihre Erscheinung furchterregender, der Hund an ihrer Seite glich mit seinen gefletschten Zähnen eher einem Wolf. Der Mann erschrak, wich zurück, aber nun wollte sie nicht lockerlassen und folgte ihm, raunte über seine Schulter: „Schöner Knabe, wohin so allein?“, und beschleunigte ihre Schritte, sobald er schneller ging. Sah er sich um, so schnitt sie ihm grässliche Fratzen, stampfe auf, dass die Häuser zitterten. Dann setzte sie zu einem Lachen an, das grollend und dumpf begann und zu einem Gelächter-Inferno anschwoll. Der Mann hatte zu laufen begonnen, als sei die wilde Jagd hinter ihm her, und in der Tat, so war es. Wieherndes, kreischendes Gelächter im Nacken ließ sein Blut gefrieren. Er wünschte sich sehnlichst, einen anderen Mann zu treffen, der ihm gegen dieses entfesselte Weib zu Hilfe kommen könnte, doch als er einem begegnete, wusste er seine Angst nicht zu formulieren, und der Helfer zog ahnungslos vorüber, was die Alte zu immer neuen grässlicheren Lachsalven animierte.“1
Abb. 1 Triumph des Todes. Augsburger Pesttafel
Die Dunkelheit scheint über das Licht zu triumphieren, der Tod ist allgegenwärtig seit nahezu drei Jahren. In einer Zeit des Wandels werden wir mit unseren Ängsten und Albträumen konfrontiert. Viele empfinden die Zeit des Übergangs als unheimlich und gefährlich. Doch diese Zeit birgt eine große Chance: die Chance zum Neubeginn, und bevor das Neue entstehen kann, muss das Alte sterben, ein schmerzhafter Prozess, den die Lichtarbeiterin Edith Juretzky in einer Nachricht an mich so beschreibt:
„Es ist in der Tat eine mehr als nervenaufreibende Zeit, die wir durchleben. Mit vielen Schwankungen, die uns jedoch dem Ziel jedes Mal näherbringen. Wir verlassen das Feld dieses maroden Systems, verschieben die Zeitlinie dann kollektiv, wenn es soweit ist. Bis dahin haben wir zu tun mit den dunkelsten Ecken, die uns das Leben schwer machen… Die letzten Wochen hatte ich das Gefühl, ich stehe in der Notaufnahme des geistigen Feldes. All die wunderschönen Erdenengel wurden infiltriert, massakriert, geknebelt und gefesselt. Alles ist von der lichten geistigen Welt jedoch so orchestriert, und momentan laufen viele Hilfsaktionen zur Säuberung. Das sieht erstmal nach Chaos aus! Die Luft um uns vibriert im Zeichen der Freiheit. Bitte habt noch einen Augenblick Geduld. Die Welle hat sich etwas gelegt, und die Wehen haben an Kraft verloren, ruhen… Frequenzen der Liebe und der Besänftigung sind an deren Stelle heute getreten. Wir schaffen das in der Gemeinsamkeit.“
Nun ist die Zeit des Kräftesammelns für die neue Zeit gekommen. Zelebrieren Sie wie einst Ihre Ahnen die Raunächte als geheimnisvolle Anderszeit, die aus dem Einerlei des Alltags fällt. Lassen Sie alle Räder stillstehen, eine Analogie dazu könnte das Schweigen Ihres Smartphones sein. Verbinden Sie sich mit der Natur. Genießen Sie die Stille. Lauschen Sie dem Flüstern Ihres Herzens. Achten Sie auf Ihre Gedanken und Ihre Träume. Jede Raunacht symbolisiert einen Monat des kommenden Jahres: der 25. Dezember den Januar, der 26. Dezember den Februar … bis zum 5. Januar, der für Dezember steht. Führen Sie ein Traumtagebuch. Wenn Sie es am Ende des kommenden Jahres in die Hand nehmen, werden Sie ein Gefühl bekommen für die Botschaften aus der geistigen Welt, die Sie in diesen heiligen Nächten erhalten haben. Reinigen Sie Ihr Haus, um alles Dunkle aus den Räumen zu vertreiben und sich für das neue Licht und das neue Jahr bereit zu machen. Räuchern Sie weißen Salbei, Wacholder, Myrrhe, Kampfer, um die Räume zu reinigen und versprühen Sie nach dem Lüften einen angenehmen Duft – am besten Weihrauch, den Nektar der Götter, eines der drei Geschenke der Magier aus dem Morgenland.
Bei sakralen Handlungen im alten Ägypten diente er der Reinigung, er sollte störende Schwingungen fernhalten und zugleich die eigene Schwingung anheben; Weihrauch galt als Vermittler zwischen den Welten und war für arabische Mystiker ein mächtiges Mittel für Aura und Psyche. Und weil Duft und Klang die einzigen sind, die direkt in unser limbisches System hervordringen und dort unmittelbar Emotionen auslösen, können Sie die Wirkung des himmlischen Dufts verstärken, indem Sie die Meditation anhören, die Sie im beigefügten Link finden – mein Weihnachtsgeschenk für Sie, verbunden mit den besten Wünschen für einen lichten und segensreichen Neubeginn.
Ihre Vera Wagner
Abb. 2 … und es werde Licht!
Meditation: „Lausche dem Duft“
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Quellen:
Ruland, Jeanne. Das Geheimnis der Raunächte. Schirner Verlag 6. Auflage 2010
Francia, Luisa. Mond. Tanz. Magie. Verlag Frauenoffensive. 6. Auflage 1994.
Bildquellen:
Titelbild: https://pixabay.com/illustrations/wolf-moon-tree-silhouettes-howl-647528/
Abb. 1 Augsburger Pesttafel: Triumph des Todes als Warnung vor der Seuche. Aus: Hexen. Mythos und Wirklichkeit. Ausstellungskatalog Historisches Museum der Pfalz. Speyer, 2009.
Abb. 2 Vera Wagner
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