Wenn Markt­preise nicht nur im ÖPNV nicht mehr “ver­mit­telbar” sind

Das Bei­spiel 9‑Euro-Ticket für Bus und Bahn und die beschlossene Nach­fol­ge­lösung – Den Kos­ten­preis wagen Poli­tiker dem Volk schon lange nicht mehr zuzu­muten – Sie funken in den Markt inter­ven­tio­nis­tisch hinein – Finan­zierung über­wiegend aus Steu­er­mitteln – Die unbe­ach­teten Fol­ge­wir­kungen – Warum nur Bahn und Bus ver­bil­ligen? – Was sich eben­falls schon aus­malen lässt – Eine Wirt­schafts­lehre, der die not­wendige Beachtung fehlt

Ach ja, das 9‑Euro-Ticket. Schon, als es noch gar nicht aus­ge­laufen war, wollten die Rufe, es zu ver­längern, kein Ende nehmen, oder aber es etwas weniger zu ver­bil­ligen und es dann zur Dau­er­ein­richtung zu machen. So ist das eben, wenn popu­lis­tische poli­tische Führung das Volk aus Angst vor dessen Aufruhr mit einem befris­teten Geschenk vor­über­gehend ruhig­stellen will und dann fest­stellen muss, das Volk will dau­erhaft „bestochen“ werden, zumal weil mit Kli­ma­schutz begründet. Und bestechend aus­ge­fallen ist das Geschenk als „belieb­teste Rabatt­aktion aller Zeiten“ (FAZ) wirklich: Für nur neun Euro einen ganzen Monat lang mit Bus und Bahn im Öffent­lichen Per­sonen-Nah­verkehr (ÖPNV) in und durch ganz Deutschland her­um­zu­fahren, ist nahezu wie Gratis-Transport und fast wie drei Monate lang Freibier. Lange genug mit dem Fast-Umsonst-Fahren ver­sorgt, tritt Gewöhnung ein und Volkes Wille mag davon nicht mehr lassen. Prompt war auch ziemlich schnell zu ver­nehmen, den Bürgern sei der normale Preis gar nicht mehr vermittelbar.

Den Kos­ten­preis wagen Poli­tiker dem Volk schon lange nicht mehr zuzumuten

Der normale Preis? Ohne die Rabatt­aktion ist er ganz schön happig. Immerhin soll er für die Ver­kehrs­leis­tungen die Kosten decken. Er sollte es zumindest. Aber diese Kosten sind derart hoch, dass heutige Politik den Bürgern den Kos­ten­preis lieber nicht zumuten will, ihn zu viele auch gar nicht bezahlen könnten oder nicht bezahlen wollen. Daher ist bereits dieser normale Fahr­preis ein mit Steu­er­geldern sub­ven­tio­nierter Preis. Weil im Regelfall aber auch Bahn- und Bus­fahrer Steuern zahlen, müssen sie die tat­säch­lichen Kosten des ÖPNV eben doch mit­tragen – aller­dings ver­steckt und nicht in voller Höhe, denn an diesen Ver­kehrs­kosten werden auch alle jene Steu­er­zahler beteiligt, die den ÖPNV nicht in Anspruch nehmen. So sind auch hier die Umver­teiler am Werk.

… bereits [der] normale Fahr­preis [ist] ein mit Steu­er­geldern sub­ven­tio­nierter Preis.

Die Poli­tiker funken in den Markt inter­ven­tio­nis­tisch hinein

Der sub­ven­tio­nierte Preis lässt den ÖPNV für seine Nutzer kos­ten­güns­tiger erscheinen, als er es rea­liter ist. Würde der Staat seine Steu­erlast ent­spre­chend senken, wären die ÖPNV-Nutzer in der Lage, Fahr­preise zu zahlen, die den tat­säch­lichen Kosten ent­sprechen. In der freien Markt­wirt­schaft sollte der normale Preis ein Markt­preis sein, der sich im freien Wett­bewerb nach Angebot und Nach­frage bildet. Aber diese Markt­wirt­schaft und diesen Wett­bewerb gibt es im ÖPNV nicht. Der Staat mit seinen Inter­ven­tio­nisten, vor­geb­lichen Volks­be­glü­ckern und Umver­teiler-Sozia­listen, funkt hinein. Die Fahr­preise hier richten sich weder nach den ent­ste­henden Anschaf­fungs- und Betriebs­kosten noch nach Angebot und Nach­frage. Das ist poli­tisch so gewollt, und die Bürger nehmen es hin wie so vieles andere ebenfalls.

Die Fahr­preise … richten sich weder nach den ent­ste­henden Anschaf­fungs- und Betriebs­kosten noch nach Angebot und Nach­frage. Das ist poli­tisch so gewollt …

Die Nach­fol­ge­lösung als dau­er­hafte Verbilligung

Daher ist es auch kein Wunder, wenn die ÖPNV-Nutzer aus der ein­ma­ligen Rabatt­aktion eine dau­er­hafte Ver­bil­ligung gemacht sehen wollen und dafür auf willige, kli­ma­schutz­süchtige und popu­lis­tische Poli­tiker gestoßen sind. Folglich ließ sich das nicht mehr auf­halten. Bund und Länder haben sich am 14. Oktober auf eine lang­fristige Nach­fol­ge­lösung ver­ständigt. In einem monatlich künd­baren Abon­nement soll das Dau­er­rabatt-Ticket monatlich 49 Euro kosten, der Fahr­schein nicht mehr am Auto­maten oder am Schalter zu lösen sein, sondern nur in den Apps und auf den Web­seiten der Ver­kehrs­ver­bünde erhältlich sein. Das werde viele Men­schen für den ÖPNV begeistern und Fahr­gäste zurück­ge­winnen, ließ sich Bun­des­ver­kehrs­mi­nister Volker Wissing dazu ver­nehmen.

Die Finan­zierung über­wiegend aus Steuermitteln

Dazu ein Ver­gleich: „Mit 49 Euro liegt das bun­des­weite Ticket im Durch­schnitt deutlich unter den Preisen für Monats­karten bei den regio­nalen Ver­kehrs­ver­bänden. In Köln kostet das güns­tigste Monats­ticket im Abo 68,10 Euro pro Monat“. Damit wird der Sub­ven­ti­ons­betrag größer, und die Kosten des ÖPNV würden noch wei­ter­gehend aus Steu­er­mitteln finan­ziert. Ob Busse und Bahnen bei diesem Angebot derart gestürmt würden, dass der Mehr­umsatz den Sub­ven­ti­ons­betrag senken würde, dürfte ein Wunsch­traum bleiben. Und würden sie wirklich gestürmt, reichte die bestehende Infra­struktur-Kapa­zität nicht dafür aus, den Nach­fra­gesturm zu bewältigen.

Damit wird der Sub­ven­ti­ons­betrag größer, und die Kosten des ÖPNV würden noch wei­ter­gehend aus Steu­er­mitteln finanziert.

Die unbe­ach­teten Folgewirkungen

Aber so sehr das bun­des­weite Pau­schal-Ticket auf all­ge­meines Wohl­ge­fallen stößt, unbe­achtet bleibt, dass Deutschland immer mehr von den mark­wirt­schaft­lichen Prin­zipien abweicht und noch weiter hin­ein­gleitet, mit staat­lichen Maß­nahmen in das Geschehen an den Märkten ein­zu­greifen. Die zwangs­läufige Folge dieses Inter­ven­tio­nismus sind Ver­fäl­schungen der rela­tiven Knapp­heiten und man­gelnder Wett­be­werbs­druck auf Kosten und Preise mit inves­tiven Fehl­len­kungen und Ver­schwendung von Kapital. Auch die Gra­tis­men­ta­lität bekommt einen zusätz­lichen Schub.

… unbe­achtet bleibt, dass Deutschland immer mehr von den mark­wirt­schaft­lichen Prin­zipien abweicht …

Warum nur Bahn und Bus verbilligen?

Dazu kommt die mög­liche Prä­ze­den­z­wirkung: Warum nur Bahn und Bus ver­bil­ligen? Warum nicht auch anderes, was als zu teuer emp­funden wird? Wenn man nämlich schon ver­nimmt, den Bürgern sei der normale Preis gar nicht mehr ver­mit­telbar, dann sind es doch wohl auch kaum die exor­bi­tanten Preis­stei­ge­rungen für Erdöl, Gas und Strom, die eine Folge der völlig abwe­gigen Kli­ma­schutz- und Ener­gie­wen­de­po­litik sind und durch die Sank­tionen gegen Russland noch einen zusätz­lichen Schub bekommen. Über Gas- und Strom­preis­bremsen wird bereits dis­ku­tiert. Und auch bei­spiels­weise die Gebühren für Kin­der­ta­ges­stätten, die eben­falls nicht kos­ten­de­ckend sind, könnten auf 9 Euro oder 49 Euro im Monat gesenkt werden. Der Phan­tasie der Inter­ven­tio­nisten sind hier keine Grenzen gesetzt.

Über Gas- und Strom­preis­bremsen wird bereits dis­ku­tiert. Und auch bei­spiels­weise die Gebühren für Kin­der­ta­ges­stätten, die eben­falls nicht kos­ten­de­ckend sind, könnten auf 9 Euro oder 49 Euro im Monat gesenkt werden. Der Phan­tasie der Inter­ven­tio­nisten sind hier keine Grenzen gesetzt.

Was sich eben­falls schon aus­malen lässt

Hin­zu­kommt jetzt noch die begin­nende galop­pie­rende Inflation im Preis­niveau all­gemein als eine Folge der maß­losen Geld­po­litik der Zentralbank(en) mit dem unbän­digen Auf­blähen der Geld­menge, mit der das Güter­an­gebot nicht mehr Schritt halten kann. Schon lässt sich aus­malen, dass die darob bedrängten Poli­tiker ihren Bürgern Markt­preise über­haupt nicht mehr zumuten mögen und zu viele unkundige Bürger nach stän­digen Preis­kon­trollen rufen und Preis­de­cke­lungen für alles und jedes ver­langen. Immer weitere Schritte in die sozia­lis­tische Staats­wirt­schaft wären die Folge. Wie das läuft und endet, sollte aus der Zeit des sowje­tisch beherrschten Ost­blocks und der DDR noch in Erin­nerung sein.

Eine Wirt­schafts­lehre, der die not­wendige Beachtung fehlt

Um den aus der Flasche gelas­senen Sub­ven­tions- und Inter­ven­ti­ons­geist wieder los­zu­werden, brauchen wir in der poli­ti­schen Führung Per­sön­lich­keiten, wie Ludwig Erhard eine war, und liberale Öko­nomen aus der Wiener und Frei­burger Schule der Natio­nal­öko­nomie als deren sach­kundige Berater. Aber deren Wirt­schafts­lehre spielt in der Wirt­schafts­wis­sen­schaft des aka­de­mi­schen Main­streams und in der Aus­bildung des öko­no­mi­schen Nach­wuchses noch immer nicht die ihr gebüh­rende Rolle – und in der Wirt­schafts­po­litik der Staaten schon gar nicht. Nach dieser Lehre führt staat­licher Inter­ven­tio­nismus letztlich zwangs­läufig in den Nie­dergang von Wirt­schaft, Wohl­stand und demo­kra­tisch-selbst­be­stimmter Gesell­schaftsform. Auf diesem Weg sind wir nun schon eine geraume Zeit. Wenn die popu­lis­ti­schen Poli­tiker und deren populäre Öko­nomen nicht umdenken und ent­spre­chend handeln, werden breite Schichten der Bevöl­kerung ver­armen und die Mangel- und Ver­tei­lungs­wirt­schaft wird zum neuen Standard für eine vor­malige „Mit­tel­schicht“.

Wenn die popu­lis­ti­schen Poli­tiker und deren populäre Öko­nomen nicht umdenken und ent­spre­chend handeln, werden breite Schichten der Bevöl­kerung ver­armen und die Mangel- und Ver­tei­lungs­wirt­schaft wird zum neuen Standard für eine vor­malige „Mit­tel­schicht“.

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Über Klaus Peter Krause: Jahrgang 1936. Abitur 1957 in Lübeck. 1959 bis 1961 Kauf­män­nische Lehre. Dann Studium der Wirt­schafts­wis­sen­schaften in Kiel und Marburg. Seit 1966  pro­mo­vierter Diplom-Volkswirt. Von 1966 bis Ende 2001 Redakteur der Frank­furter All­ge­meinen Zeitung, davon knapp elf Jahre (1991 bis Ende 2001) ver­ant­wortlich für die FAZ-Wirt­schafts­be­richt­erstattung. Daneben von 1994 bis Ende 2003 auch Geschäfts­führer der Fazit-Stiftung gewesen, der die Mehrheit an der Frank­furter All­ge­meine Zeitung GmbH und der Frank­furter Societäts-Dru­ckerei gehört. Jetzt selb­stän­diger Jour­nalist und Publizist. Seine website ist www.kpkrause.de

Quelle: misesde.org