Der Chiemgau-Impact und die Frage der kel­ti­schen Waffentechnologie

Während des Angriffs „schwangen sie ihre Schwerter empor und schlugen mit der Wucht ihres ganzen Körpers . nach der Art von Holz­hauern auf den Gegner ein … als ob sie den ganzen Körper ihrer Gegner mit einem Schlag durch­hauen wollten“.

Diese mar­tia­lisch anmu­tende Beschreibung kel­ti­scher Kämpfer durch den römi­schen Autoren Dionys von Hali­karnaß ent­spricht dem damals geprägten Bild des unge­stümen Bar­baren, der wut­ent­brannt und dis­zi­plinlos auf seinen Gegner einstürmt.

Dass die Kelten jedoch nicht nur unge­schlachte Bar­baren waren, sondern zugleich Meister in der Ver­ar­beitung von Metall sowohl zu krie­ge­ri­schen als auch pro­fanen Zwecken, kommt dabei in der Betrachtung oft zu kurz.

Ins­be­sondere die Waf­fen­technik der Kelten fand viele Nach­ahmer in der dama­ligen Welt.

Mit Beginn der gegen 475 v.u.Zt. ein­set­zenden Latène-Zeit, die als klas­sische kel­tische Hoch­phase gilt, begannen zunehmend Ver­än­de­rungen Einzug in die idyl­lisch anmu­tende Welt der reich­haltig aus­ge­stat­teten Fürs­ten­gräber zu halten.

Zwar wurde noch zu Beginn dieser Phase an die Zeiten der Hall­statt-Kultur (Hall­statt D – seit 650 v.Zw.) ange­knüpft und ins­be­sondere das erst 1998 wei­test­gehend frei­ge­legte Fürs­tengrab vom Glauberg stellt hierfür ein gutes Bei­spiel dar, jedoch erfaßte schon gegen 400 v. Zw. eine Auf­bruch­stimmung große Teile der dama­ligen Bewohner SüdwestDeutschlands.

Scharen von Kriegern zogen mitsamt ihren Familien über die Alpen, wo schon einige Zeit zuvor erste Gruppen von Kelten sie­delten und bedrängten die etrus­kische und die in den Kin­der­schuhen ste­ckende römische Kultur. 390 v.u.Zt. eroberten kel­tische Krieger der Senonen Rom und legten den Grund­stein für die „Kel­ten­phobie“ der nach­fol­genden römi­schen Gene­ra­tionen. Auch im Süden, dem Bal­kanraum setzten sich die Kelten als Eroberer durch und bedrängten schließlich gegen 279 v.u.Zt.die Griechen.

Nach einem Sieg am his­to­risch blut­ge­tränkten Ther­mo­phylen-Paß, plün­derten sie das Hei­ligtum von Delphi konnten aber – nach antiker Über­lie­ferung mit Hilfe der Götter – in die Flucht geschlagen werden. Was die Abwan­derung der kel­ti­schen Stämme ursprünglich aus­löste, ist bis heute unklar.

Kli­ma­ver­schlech­te­rungen, eine zu hohe Gebur­tenrate oder einfach die Gier nach den durch Jahr­hun­derte wäh­renden Handel bekannt gewor­denen Reichtum der süd­lichen Kul­turen gehören zu den Ste­reo­typen, die stets als primäre Gründe für den Zug nor­di­scher Krieger nach Süden genannt werden – sicherlich nicht völlig zu unrecht.

Doch im Falle der Aus­wan­derung gegen 400 ist seit einigen Jahren noch ein wei­terer Faktor im Gespräch, der den Archäo­logen Kopf­schmerzen bereitet: Der soge­nannte Chiemgau-Impact.

So umschreibt die For­schungs­gruppe „Chiemgau Impact Research Teams“ (CIRT), dem neben Begründer Werner Mayer auch ver­schiedene Pro­fes­soren ange­hören (Dr. Michael Rap­pen­glück, Astronom und Archäo­as­tronom, Institut für Inter­dis­zi­plinäre For­schung Gil­ching, Prof. Dr. Kord Ernstson, Geologe, Geo­phy­siker und Impakt­for­scher von der Uni­ver­sität Würzburg, sowie Pri­vat­dozent Dr. Uli Schüßler, Mine­raloge und Petrologe) ein Sze­nario, dem­zu­folge zwi­schen 500 und 335 v. Zw. ein Komet in das süd­deutsche Gebiet ein­ge­schlagen wäre und mög­li­cher­weise Aus­löser nicht nur der fest­stell­baren Wa n d e r u n g e n sondern zugleich der – gegenüber Alex­ander dem Großen geäu­ßerten – sprich­wört­lichen Furcht der Kelten gewesen sei, daß ihnen der Himmel auf den Kopf fiele (Nach Mit­teilung der Netz­seite des CIRT erhärtet eine neuere Datierung mit der Ther­mo­lu­mi­neszenz-Methode [per­sön­liche Mit­teilung Dr. B. Raey­maekers] von einem Krater-Geröll, das mit einer nano­dia­mant­hal­tigen Glas­kruste über­zogen ist, ein Alter von 300 v. Chr. + 200 Jahre. www. chiemgau-impakt.de/historie.html). Eine wei­ter­ge­hende Inter­pre­tation, die ins­be­sondere in der TV-Doku­men­ta­ti­ons­reihe Terra‑X zur Sprache gebracht wurde, spe­ku­liert, ob der Meteorit zugleich posi­tiven Ein­fluss auf die Eisen­ge­winnung der Kelten genommen habe, über­trifft das in Meteo­riten ent­haltene Eisen oftmals doch die Qua­lität mühsam ver­hü­teten Eisens um Längen.

Was die Frage des daraus resul­tie­renden Mate­ri­al­vor­sprungs betrifft, so spricht eigentlich alles gegen diese Theorie. Zwar dürfte es sich bei der Über­lie­ferung Diodors, nach der die Schwerter der Kelten beim Schlag ver­biegen würden, um eine Ver­all­ge­mei­nerung eines Ein­zel­vor­ganges handeln, jedoch spricht nichts für eine auf­fällige Über­le­genheit kel­ti­scher gegenüber römi­schen Schwertern, zumindest im Zeitraum des 4. Jahrhunderts.

Dass die sowohl zum Hieb als auch zum Stich geeig­neten kel­ti­schen Schwerter allesamt nicht gehärtet waren (so Roland Schwab in seiner 2004 erschienen Diss. „Tech­no­logie & Her­kunft eiserner Werk­zeuge & Waffen. Freiburg 2004), tat ihrer Beliebtheit keinen Abbruch: Zahl­reiche Nach­bar­stämme der Kelten über­nahmen die Waffe.

Mit einer Länge zwi­schen 55 und 65 cm lag die Länge der ver­wen­deten Schwerter zwi­schen der der Kurz­schwerter, die später von den Römern genutzt wurden und den mit­tel­la­tène­zeit­lichen Lang­schwertern, die Längen von über 1m erreichten – also ein gutes Mit­telding für ver­schiedene Arten der Anwendung im Kampf.

Hoch gepriesen war dagegen unbe­stritten das soge­nannte „norische Eisen“ kel­ti­scher Pro­ve­nienz, das auch in grö­ßeren Mengen nach Rom impor­tiert worden sein soll, jedoch stammt dieses frü­hestens aus dem 1. Jahr­hundert v. Zw. und wäre damit um einige Hundert Jahre zu jung um auf einen Meteo­riten-Ein­schlag zurück führen zu sein. Gegen die Theorie spricht eben­falls, dass unmit­telbar nach dem anvi­sierten Zeit­punkt des Impactes das Schwert, als ergie­bigste Waffe eines guten Eisens, trotz seines zahl­reichen  Auf­tretens in Fürs­ten­gräbern, an Bedeutung ver­liert. Zum Haupt­be­waff­nungs­element der Krieger der begin­nenden Latène-Zeit (Latène‑A) wird die Stoßlanze.

Es domi­nieren die ein­heitlich mit Schild und Stoß­lanze, sowie meh­reren Wurf­speeren bewaff­neten Krieger, die nach Meinung einiger Autoren sogar eine Art Phalanx-Taktik nutzten und ver­mutlich auch dem Wunsch nach Ein­sparung der kost­baren Metalls in krie­ge­ri­scher wer­denden Zeiten ent­sprachen – also eine öko­no­mische Lösung – unwahr­scheinlich, wenn man wenige Jahre zuvor auf reich­hal­tiges Material zur Fer­tigung hoch­wer­tiger Schwerter gestoßen wäre.

Eine andere inno­vative Technik, wurde jedoch bereits einige Hundert Jahre früher zum Export­schlager: Das Ket­tenhemd, das gegen 300 v. Zw. von kel­ti­schen Schmieden ent­wi­ckelt wurde, fand wenig später Eingang in das römische Heer und wurde noch in früh­mit­tel­al­ter­licher Zeit in modi­fi­zierter Version ein­ge­setzt. Doch auch hier läßt sich eine Ver­bindung zu Mete­or­eisen nicht ziehen.

Was bleibt jedoch von der Theorie der Aus­lösung von Wan­de­rungs­be­we­gungen durch einen Meteo­riten? Das Problem der For­schungs­gruppe besteht in feh­lenden geo­lo­gi­schen, geschweige denn archäo­lo­gi­schen Hin­weisen auf diesen angeb­lichen Ein­schlag. Und auch die Schrift­quellen schweigen zu diesem angeb­lichen Vorfall, der wohl weit über die Grenzen des heu­tigen Bayern zumindest der Kunde nach auch Italien und damit die antiken Autoren erreicht haben müsste. Für die Archäo­logen ist daher allein die Nennung des Chiemgau.-Impaces schon ein Tat­be­stand der Betreibung a‑wissenschaftlicher Forschung.

Im November 2006 hatte Prof. Reimold von der Ber­liner Hum­boldt-Uni­ver­sität im Namen von mehr als 20 inter­na­tio­nalen Wis­sen­schaftlern eine Erklärung ver­öf­fent­licht, in der die Theorie vom Chiemgau-Kometen in scharfer Form zurück­ge­wiesen wurde.

 

Unge­achtet dessen watet die For­schungs­gruppen nun mit neuen Beweisen auf: So soll ein kürzlich gefun­dener Stein, der ein menschlich ein­ge­trie­benes Loch auf­weist und in nur einem Meter Tiefe in einer soge­nannten Brekzie steckte – einem Klumpen, der ent­steht, wenn kantige Gesteins­trümmer unter hohem Druck ver­dichtet werden – den Meteo­riten – Ein­schlag bestä­tigen. Jedoch vermag kein Geologe das genaue Alter zu verifizieren.

Auch die Deutung dieses Steins als „Beil­rohling“ findet bislang kein posi­tives Echo bei Archäo­logen – es könnte zwar als Rohling für ein Beil gedacht gewesen sein, im Fund­zu­stand jedoch, bleibt dies Spe­ku­lation. Immerhin beschei­nigte ein Experte des R h e i n i s c h e n Amts für Boden­denk­mal­pflege dem Objekt auf­grund der Bohr­technik ein Alter von etwa 4000 bis 5000 Jahren, mög­li­cher­weise stamme es auch aus der Bron­zezeit. Trotz der wis­sen­schaftlich wenig lukra­tiven For­schung, beschäf­tigen sich seit einiger Zeit auch andere For­scher mit der Frage des Chiemgau-Impactes.

Einer der hier füh­renden Geo­logen ist der Mainzer Wis­sen­schaftler Wolfgang Rösler. Seine bis­he­rigen Erkennt­nisse: Viele der bisher geor­teten Löcher könnten von einem gebors­tenen Meteo­riten sprechen und würden das Sze­nario bestätigen.

Jedoch können diese ange­sichts feh­lender datier­barer Tektide aus einem viele Tausend Jahre zurück­lie­genden Ein­schlag her­rühren. Auch For­scher der Uni­ver­sität München kamen zu einem ähn­lichen Ergebnis, wonach die Gegend um den Chiemsee ein großes Ein­schlags­krater-Streufeld ent­halten könnte – solange jedoch kein ein­deu­tiger Meteo­riten-Rest auf­ge­funden wird, warnt man auch hier vor vor­ei­ligen Datierungen.


Quelle: anit-matrix.com