Moderner Beton ist zwar vielseitig einsetzbar und stabil, hält aber nicht sonderlich lange: Schon nach 50 bis 100 Jahren beginnt das Gemisch aus Sand, Kies und Zement zu reißen und zu bröckeln.
Anders ist dies beim antiken Beton der Römer: Bauwerke wie das Colosseum in Rom, die römischen Aquädukte und Brücken oder auch antike Hafenanlagen haben die Jahrtausende überdauert – selbst Wetter, Meerwasser und sogar Erdbeben konnten den römischen Betonbauten nichts anhaben.
Aber warum? Ein Rätsel des Römerbetons haben Wissenschaftler schon vor einigen Jahren gelöst: Die antiken Baumeister mischten Vulkanasche und Tuffsteinbrocken unter ihren Zement. Diese Puzzolane reagierten mit dem Kalk des Zements und erzeugten besonders stabile, plattenförmige Minerale, darunter das aluminierte Calciumsilikat Tobermorit.
Doch der Römerbeton birgt noch ein zweites Geheimnis, wie nun Linda Seymour vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ihre Kollegen herausgefunden haben. Für ihre Studie hatten sie eine weitere Zutat des antiken Betons näher untersucht: Auffallend weiße, wenige Millimeter kleine Klümpchen, die sich in den meisten römischen Beton- und Zementmischungen finden.
Bisher galten sie als bloße Verunreinigungen, die durch unvollständiges oder zu starkes Brennen des Kalks oder unzureichende Vermischung des Materials in den Beton gelangt waren.
„Doch die Vorstellung, dass diese Kalkklumpen einfach nur aus Nachlässigkeit im Römerbeton landeten, erschien mir seltsam“, berichtet Seniorautor Admir Masic vom MIT. „Wenn die Römer so viel Mühe in ihr Baumaterial steckten und dafür eigens detaillierte und über die Jahrhunderte optimierte Rezepte entwickelten – warum sollten sie dann beim Anrühren des fertigen Produkte so schlampig sein? Da musste mehr dahinterstecken.“
Auf der Suche nach einer Erklärung nahm das Forschungsteam Proben aus dem Mörtel einer römischen Stadtmauer im antiken Ort Privernum in Italien und unterzog sie detaillierten chemischen und mineralogischen Analysen – unter anderem mittels Röntgenspektroskopie, Röntgenstreuung und Raman-Laserbildgebung. Demnach besteht das Innere dieser weißen Körnchen aus fast purem Calciumcarbonat – Kalkstein.
Das Besondere jedoch: Die Struktur dieser Kalkklümpchen verriet, dass sie nicht in ihrer jetzigen Form in den Zement gemischt wurden. Stattdessen muss das Carbonat erst im Zement bei einer exothermen Reaktion unter Hitzeentwicklung entstanden sein.
Der normalerweise für die Mörtel-Herstellung verwendete Löschkalk (Ca(OH)2) erzeugt jedoch keine solche Reaktion. „Könnten die Römer stattdessen Kalk in seiner reaktiveren Form verwendet haben – dem Branntkalk?“, fragte sich Masic.
Branntkalk – Calciumoxid (CaO) – entsteht durch das Kalkbrennen aus Calciumcarbonat und ist hochreaktiv: In Gegenwart von Wasser reagiert er unter starker Hitzeentwicklung zu Löschkalk.
Tatsächlich liefern historische Quellen Hinweise darauf, dass die Römer für ihre tragende Bauten eine andere Kalksorte verwendeten als beispielsweise für Wandputz oder Fresken. In den antiken Rezepten für Putz wird Löschkalk meist als „Calx macerata“ bezeichnet und empfohlen, ihn vor dem Einmischen längere Zeit in Wasser einzuweichen.
„Beim Kalk für strukturelle Bauten nutzt Vitruvius dagegen statt macerata den Begriff extincta“, berichten Seymour und ihre Kollegen. Das deute auf einen anderen Prozess hin.
Nach Ansicht der Forschenden spricht dies dafür, dass die Römer für ihren Beton das Verfahren des „Hot Mixing“ nutzten: Statt den Kalk vorher abzulöschen, rührten sie ihre Masse direkt mit Branntkalk an.
Dadurch heizte sich das Gemisch auf und dies förderte die Bildung der Kalkklümpchen und der besonders stabilen Mineralformen aus der Vulkanasche. „Außerdem verringerte die erhöhte Temperatur die Zeit, die der Mörtel für das Trocknen und Härten benötigte, was das Bauen beschleunigte“, erklärt Masic.
Und nicht nur das: Das Hot Mixing könnte dem Römerbeton sogar selbstheilende Fähigkeiten verliehen haben, wie die Forschenden erklären. Denn bei der Reaktion bleiben Kalkklümpchen übrig, die als Reservoir für künftige Reaktionen dienen können: Wenn sich ein Riss im Beton bildet, in den Wasser eindringt, löst sich das Calcium im Wasser.
Durch Reaktion mit dem im Wasser gelösten Kohlendioxid entsteht dann Calciumcarbonat, das auskristallisiert und den Riss mit neuem Material auffüllt.
Diese „Selbstheilungskraft“ des Römerbetons bestätigte sich in einem Experiment. Dafür mischten die Wissenschaftler verschiedene Betonmischungen nach antiken und modernen Rezepten an und ersetzten einen Teil des Löschkalks durch ungelöschten Branntkalk. Nachdem die Masse ausgehärtet war, erzeugten die Forschenden absichtlich Risse in ihren Proben und ließen Wasser darüber rinnen.
Es zeigte sich: Bei den mit Branntkalk angemischten Proben schlossen sich die Risse nach einiger Zeit von allein. Der Beton nach römischem Rezept bleibt dadurch weit haltbarer und rissbeständiger als sein moderner Gegenpart.
„Egal, ob die Schäden wenige Jahre oder aber Jahrhunderte nach dem Bau entstehen, solange noch Kalkklümpchen im Material vorhanden sind, bleiben die Selbstheilungskräfte erhalten“, berichten Seymour und ihre Kollegen.
Nach Ansicht der Wissenschaftler eröffnet das antike Rezept damit auch die Chance, den modernen Beton zu optimieren. „Es ist spannend zu überlegen, wie diese Betonrezepte auch unsere Baustoffe haltbarer machen könnten“, sagt Masic. „Auch die Haltbarkeit der mit 3D-Druck hergestellten Betonbauwerke könnte durch diese Zutaten verbessert werden.“
Das Forschungsteam arbeitet bereits daran, ihre von den Römern inspirierten Zementmischungen marktreif zu machen.
Quelle: anti-matrix.com
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