660 Millionen Euro erhielten die sechs parteinahen Stiftungen im Jahr 2019 aus dem Bundeshaushalt, wie es so üblich ist. Nur eine ging leer aus: Die der AfD. Der Bundestag verweigerte die gebotenen Zuschüsse ohne jede Begründung. Das sei eine Grundgesetzverletzung, befand das Bundesverfassungsgericht — und bestätigte damit die eingereichte Organklage des AfD. Allerdings ordnete das Gericht keine Nachzahlung der Zuschüsse an.
Jede der größeren Parteistiftungen, die im Bundestag vertreten sind, erhält einmal im Jahr einen Zuschuss aus dem Bundeshaushalt. Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist politisch in der Nähe der CDU angesiedelt, die Hanns-Seidel-Stiftung bei der CSU, die Friedrich-Naumann-Stiftung bewegt sich im Umfeld der FDP, die Friedrich-Ebert-Stiftung ist der Begleiter der SPD und die Rosa-Luxemburg-Stiftung ist natürlich der Partei der Linken zugeordnet. Auch die Grünen sind mit einer Stiftung verbandelt, der Heinrich-Böll-Stiftung und die AfD die Desiderius-Erasmus-Stiftung. Alle bekamen sie ihre Milliönchen, nur eine nicht: die AfD. Wen wundert’s.
Die Gelder gehen in verschiedene Projekte. Stipendiaten werden unterstützt und wechseln nach dem Studium meist erst einmal für eine erste Anstellung in die Parteiarbeit. Einiges fließt auch in zivilgesellschaftliche Auslandsprojekte. Etwa 130 Millionen wurden den Stiftungen für „Globalzuschüsse“ gegeben. Das sind alle möglichen Verwendungszwecke, wie Beraterfirmen, politische oder gesellschaftliche Forschungen oder politische Bildung, Druckerzeugnisse, Veranstaltungen etc.
2019 hatte die AfD, wie alle anderen Parteien auch, Zuschüsse für die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) beantragt. Vorsitzende dieser Stiftung ist Erika Steinbach. Die Dame war immer stark in der Vertriebenen-Frage engagiert und war 30 Jahre lang CDU-Bundestagsabgeordnete. 2022 trat sie in die AfD ein.
Der Bundestag ignorierte die DES-Stiftung einfach permanent. Jedes Jahr wurden die Zuschüsse ausschließlich für die AfD-nahe Organisation verweigert. Die erste Antragsablehnung der AfD verbrämte man damit, dass die AfD möglicherweise nur eine vorübergehende Kraft im Bundestag ist und bei der nächsten Wahl wieder verschwinde. Doch als die AfD auch bei der nächsten Bundestagswahl wieder eine stattliche Anzahl Sitze eroberte, fand man fix eine andere Lösung: Plötzlich sollten parteinahe Stiftungen nur dann bezuschusst werden, wenn es keine Zweifel an ihrer Verfassungstreue gibt. Damit war aber nicht die Linke und ihr extremer Antifa-Flügel gemeint, auch nicht die kriegstreiberischen Grünen mit ihren Klimaterroristen, sondern natürlich die AfD.
Dass das Verfassungsgericht nun auf die Klage der AfD hin feststellen muss, dass es der ach-so-verfassungstreue Bundestag ist, der die Verfassung bricht, indem er einfach ohne weitere Begründung einer Parteistiftung die Zuschüsse verweigert, hinterlässt einen sehr schlechten Nachgeschmack. Denn damit sind eigentlich die etablierten Parteien allesamt nicht verfassungstreu und wollten das „Schmuddelkind“ AfD einfach nicht an die Fleischtöpfe lassen.
Die AfD wiederum hat geschlafen und wird wahrscheinlich wieder in die Röhre gucken. Denn verhandelt wurde vor dem Karlsruher Gericht ausschließlich das Jahr 2019. Die Frist, auch die Zuschüsse für die Jahre 2020 und 2021 einzuklagen, hatte die AfD schlicht verpennt.
Und auch für die Zuschüsse für 2022 stellte die Partei den Antrag erst zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung zum Jahr 2019, die Ende Oktober stattfand. Daher wurde das Verfahren abgetrennt und muss extra angesetzt werden. Grund: Die Bundesregierung habe sich aus Zeitmangel nicht genügend vorbereiten können. Daher konnte auch nicht klargestellt werden, ob eine plötzlich und willkürlich geforderte Prüfung der Verfassungstreue der AfD überhaupt so zulässig war.
Denn eine solche „Würdigkeitsprüfung“ ist überhaupt nicht im Gesetz vorgesehen, und es haftet ihr daher der Ruch der Willkürlichkeit an – und dass der wahre Grund der ist, dass man der verhassten AfD keinen Euro gönnen will.
Doch es bedarf einer gesetzlichen Grundlage, die klare Regeln für alle aufstellt, unter welchen Bedingungen eine Bezuschussung der Parteienstiftung verweigert werden kann. Und das Karlsruher Gericht konnte nicht umhin festzustellen, dass die Verweigerung der Finanzhilfe für eine bestimmte parteinahe Stiftung ein rechtswidriger Eingriff in die Rechte der Partei AfD als solche ist und die verfassungsrechtlich gebotene Chancengleichheit verletzt.
Denn gerade die Arbeit dieser Stiftungen ist eine große Unterstützung für den Erfolg einer Partei. Es darf allerdings keine Vermischung geben. Die Mitglieder der Stiftungen dürfen keine aktiven Parteimitglieder sein und umgekehrt. Die Stiftungen dürfen sich auch nicht an Wahlkämpfen beteiligen. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, die Weltsicht und die Ansichten der Parteien darzustellen und zu verbreiten. Sie untermauern die praktische Politikarbeit der Partei mit Bildungspolitik und Wissenschaft. Darüber hinaus besteht die Aufgabe der Parteienstiftungen in der gezielten Förderung junger Leute, auch mit Stipendien, um sie an sich zu binden und so qualifizierten Nachwuchs heranzuziehen. Nicht jeder davon schlägt die parteipolitische Laufbahn dann auch ein. Aber dort, wo derjenige einen Wirkungskreis entfaltet, wird auch sein erworbenes Gedankengut wirksam.
Der Tenor des Gerichtes stellt in den Mittelpunkt, dass ein Verweigern der Zuschüsse gegenüber einer Partei nur aufgrund einer entsprechenden Gesetzesvorschrift möglich ist. Die dann auch für alle Parteien im Bundestag zu gelten hat. Eine Lex AfD ist eine willkürliche Begründung ohne existierende gesetzliche Grundlage, daher unwirksam und überdies ein Verfassungsbruch. Damit sei eine Verletzung der Rechte der Partei AfD gegeben.
Nun muss entweder ein Gesetz her, dass allen Parteien jedes Jahr den Beweis ihrer Verfassungstreue abverlangt, oder man kann der AfD-nahen Stiftung die Zuschüsse nicht verweigern. Die Frage ist die der Beweislast: Muss die Partei ihre Verfassungstreue beweisen – oder der Bundestag die Illoyalität zur Verfassung nachweisen?
In der Begründung des Urteils heißt es weiterhin:
„… der verfassungsrechtliche Status der Parteien gewährleiste das Recht, gleichberechtigt am politischen Wettbewerb teilzunehmen. Dabei garantiere das Grundgesetz den politischen Parteien nicht nur die Freiheit ihrer Gründung und die Möglichkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung, sondern auch, „dass diese Mitwirkung auf der Basis gleicher Rechte und gleicher Chancen erfolgt“. Jede Einwirkung von Staatsorganen „zugunsten oder zulasten einzelner am politischen Wettbewerb teilnehmender Parteien“ sei damit grundsätzlich unvereinbar. Daher betreffe auch die Zuweisung staatlicher Finanzmittel an politische Parteien das Recht auf Chancengleichheit.“
Das Gericht eröffnete noch eine weitere Möglichkeit: Auch ein Gesetz, dass die Vergabe von Geldern an die Parteienstiftungen davon abhängig macht, dass es sich bei der Partei um eine „dauerhafte, ins Gewicht fallende Grundströmung handelt“. Das dürfte kein sehr aussichtsreicher Weg für die (Un)demokraten im Bundestag sein, denn die Zustimmungswerte der AfD in den Umfragen werden besser und besser für die in Berlin Ungeliebten.
Es komme, so die Karlsruher Verfassungsrichter, aber auch der „Schutz der demokratischen Grundordnung in Betracht“. Bingo, das ist eine Steilvorlage, um die als „rechts“ und damit „undemokratische“ AfD aufgrund aller möglichen und unmöglichen Unterstellungen von allen staatlichen Fleischtöpfen fernzuhalten und auszuhungern. Aber es enthält auch die Möglichkeit, den Spieß herumzudrehen und den etablierten Parteien ihre ständigen Verstöße gegen unsere Demokratische Grundordnung um die Ohren zu hauen.
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