Vera Lengsfeld: Stille auf der Deutschland-Titanic

Deutschland, das auf seine „Ver­gan­gen­heits­be­wäl­tigung“, um die uns angeblich die Welt beneidet, (Cem Özd­emirr), stolz ist, hat aus zwei Dik­ta­turen anscheinend nicht viel gelernt. Anders ist die fast unwi­der­spro­chene Zer­setzung von Demo­kratie und Rechts­staat nicht zu erklären. Nun wird zusätzlich die Axt an die wirt­schaft­liche Grundlage unseres Landes gelegt. Ein Hoch­tech­no­lo­gieland braucht ständig ver­fügbare, bezahlbare Energie. Außerhalb Deutsch­lands hat man das längst begriffen und arbeitet mit Hoch­druck an der For­schung für die vierte Gene­ration Kern­kraft­werke. Die von grüner Ideo­logie domi­nierte Regierung Scholz ist eifrig dabei, das Angebot an Energie zu ver­knappen und zu verteuern.

Die größte Oppo­si­ti­ons­partei schweigt weit­gehend dazu, weil sie nicht den Willen hat, sich vom Irrweg des Atom- und Koh­le­aus­stiegs der lang­jäh­rigen Vor­sit­zenden und Kanz­lerin Merkel zu ver­ab­schieden. Dass die ehe­malige bür­ger­liche Partei, die das Erfolgs­modell Bun­des­re­publik prägte, das gerade vor aller Augen abge­wi­ckelt wird, unter ihrem neuen Vor­sit­zenden Merz kom­plett versagt, ist das eine.

Das andere ist das unver­ständ­liche Schweigen der über­wie­genden Mehrheit der Bevöl­kerung zu den irra­tio­nalen poli­ti­schen Beschlüssen.

In einem Buch über die Sta­linzeit habe ich eine mög­liche Erklärung gefunden. Stalins Doktrin, dass ein Viertel der Bevöl­kerung ver­haftet oder erschossen werden muss, um die benö­tigte Ruhe im Land her­zu­stellen, war so absurd, dass die Men­schen das nicht glauben konnten. Die Betrof­fenen hielten ihre Ver­haftung, besonders wenn es sich um Funk­tionäre und Mit­glieder der KPdSU han­delte, für eine Irrtum. Sie sagten sich, wenn Stalin das wüsste, würde er sofort inter­ve­nieren. Die Post­stelle des Kremls floss über von Bitt­briefen an das „Väterchen“. Wer das System durch­schaute, war im Vorteil. Legendär ist ein Student aus Leningrad, der auf dem Newski-pro­spekt fest­ge­nommen und in einen Trans­porter gesteckt wurde. Kurz ent­schlossen sprang er, als die Tür das nächste Mal geöffnet wurde aus dem Wagen und rannte davon. Er rechnete damit, dass die Häscher ihm nicht folgen würden, weil es für sie bequemer war, einfach den Nächst­besten zu schnappen. Sie hatten eine Quote zu erfüllen, nicht einen Ver­brecher zu stellen.

Irra­tional geht es auch  heute zu. Deutschland ist noch eine der stärksten Indus­trie­na­tionen der Welt, Haupt­fi­nanzier der EU. Man kann sich einfach nicht vor­stellen, dass es wirklich demon­tiert werden soll. Es ist zu absurd. Also quellen die Post­kästen der deut­schen Regie­rungen und Par­la­mente über von Hin­weisen, Brand- und Bitt­briefen. Es herrscht immer noch der Glaube, dass die Poli­tiker ihren Kurs ändern, wenn sie nur begriffen, was sie anrichten. Diese Briefe, oder zeit­gemäß E‑Mails, landen unbe­achtet im Papierkorb. Denn es ist nicht so, dass Poli­tiker nicht wüssten, was sie tun. Im Gegenteil: es wird offen gesagt, dass die Rettung des Klimas nicht ohne Wohl­stands­verlust und Umver­teilung zu bewerk­stel­ligen sei.

Die Ver­ar­mungs- und Ent­eig­nungs­pro­gramme sind bereits beschlossen. Die Bot­schaft ist klar und unmiss­ver­ständlich, aber es fehlt offenbar der Glaube, dass es ernst ist.

In zwei Tagen werden ohne Grund die letzten Atom­kraft­werke abge­schaltet und damit die sichere Ener­gie­ver­sorgung für 10 Mil­lionen Haus­halte abge­schafft, ohne dass es Ersatz dafür gäbe. Nun regt sich auf den letzten Metern doch noch Wider­spruch, aber der wird keinen Erfolg haben.

Sachsens Minis­ter­prä­sident Kret­schmer rettet die Ehre seiner Partei: „Die Ener­gie­po­litik der Bun­des­re­gierung ist kurz­sichtig, die von der Ampel geplante Abschaltung der Atom­kraft­werke grund­ver­kehrt“, sagte er am Dienstag in Dresden. Es könne nicht richtig sein, in der jet­zigen Situation das Angebot an Energie ohne Not zu ver­knappen. Kret­schmer fordert auch, dass Kohle und Gas wei­terhin genutzt werden sollten. Aber er will eben­falls den „mas­siven“ Ausbau der Erneu­er­baren, obwohl längst klar ist, dass dieser Irrweg nur den Wind­kraft- und Solar­päpsten nützt, die Kul­tur­land­schaft zer­stört, die Arten­vielfalt bedroht und das Netz weiter desta­bi­li­siert. Deshalb geht sein Appell ins Leere.

Zu den Gegen­stimmen gehört auch der säch­sische Hand­werkstag. „Das ist eine Ent­scheidung, die eigentlich nochmals gründlich über­dacht werden sollte“, sagte sein Hand­werks­prä­sident Jörg Dittrich. Er stelle sich die Frage, ob es sich Deutschland ange­sichts der Ener­gie­krise wirklich leisten könne, fortan auf Atom­kraft zu ver­zichten. Fragen stellen genügt aber längst nicht mehr.

Die neue Atom­kraft-Expertin der Grünen Göring-Eckardt erklärt dagegen, im ver­gan­genen Winter hätten die AKWs keine Rolle gespielt. Zehn Mil­lionen Haus­halte, die zuver­lässig mit Strom ver­sorgt wurden, zählen also nicht. Dann behauptet sie, dass durch den Ausbau der „Erneu­er­baren“, der bislang die Strom­preise in die gegen­wärtige Höhe getrieben hat, die Preise auch wieder sinken sollen. Dabei müssen für mehr Wind­räder und mehr Solar­parks auch mehr Gas­kraft­werke gebaut werden, um ein­springen zu können, wen die „Erneu­er­baren“ aus­fallen. Das wird teuer, denn die Gas­kraft­werke sollen mit Frack­inggas aus den USA und später aus Namibia gefüttert werden, das über tau­sende Kilo­meter zu uns trans­por­tiert werden muss.

Auf der Titanic war es nach dem Zusam­men­prall mit dem Eisberg auch erst einmal ruhig. An Deck wurde mit den Eis­brocken Fußball gespielt zu den Melodien der Bordkapelle.

Nur am Ende, ging es plötzlich ganz schnell und es war nichts mehr zu retten.


Vera Lengsfeld — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de