Die Rede ist vom Parmigiano Reggiano- Hartkäse, der in Italien Kult ist und praktisch zu jedem Nudelgericht gehört. Da der sehr lang gereifte Hartkäse eine geschützte, regionale Sorte ist, darf er auch nur in den fünf von Alters her dazu berechtigten Provinzen hergestellt werden. Deshalb – und weil dieser Käse auf besondere Art hergestellt wird – ist er auch sehr teuer. Das wiederum lockt Fälscher an, die einen zwar geschmacklich sehr ähnlichen „Parmesan“ herstellen, aber eben nicht nach dem vorgeschriebenen Prozedere und auch nicht in einer der fünf Provinzen. Mittels eines essbaren Mikrochips werden die großen und teuren Parmigianokäse-Räder nun überprüft und identifiziert.
Der hohe Preis für den traditionellen, sehr würzigen Käse, ohne den kein „Italiano vero“ seine Pasta genießt, kommt aber nicht von ungefähr. Der weltweit begehrte Käse muss einige strenge Regeln beachten, was die Plagiatoren nicht tun, und dadurch viel billiger produzieren können:
Der echte Parmigiano Reggiano enthält überhaupt keine Zusatzstoffe. Sein geschmacklich sehr nahe liegender Stiefbruder, der Grana Padano darf Stoffe, wie Lysozym, verwenden. Das ist ein aus Hühnereiweiß gewonnenes Protein. Damit können unerwünschte Gärprozesse verhindert oder im Zaum gehalten werden. Auch die zum Käse reifende Milch darf ausschließlich von Kühen stammen, die in den fünf Regionen des Reggiano – bestimmte Gebiete der norditalienischen Region Emilia Romagna, zwischen Bologna und Parma – auf der Weide stehen und ausschließlich mit Heu und Gras gefüttert werden. Der wesentlich preiswertere Grana Padano erlaubt die Zufütterung mit Silage, also fermentiertem Heu.
Zu guter Letzt muss der echte Parmigiano Reggiano mindestens ein ganzes Jahr als Käselaib reifen, meistens entwickelt die beliebte Spezialität aber zwei Jahre lang ihren markanten Geschmack. Der Grana Padano braucht nur neun Monate der Reifezeit, ähnlich, wie ein Mensch, bevor er das Licht der Welt erblicken darf. Gerade diese lange Reifezeit und die sich dadurch entwickelnden Aromen kosten Arbeitszeit, Lagerflächen, Überwachung und Betreuung, damit der weltberühmte Hartkäse auch diese Qualität entwickelt – und damit Geld. So ein großes Parmigiano-Käserad wiegt um die 40 Kilo und kostet etwa 900 Euro.
Ein Kilogramm echter und nach den Regeln der Kunst gefertigter Parmigiano benötigt 13,5 Liter der besten, in den bezeichneten Gebieten erzeugten Kuhmilch. Etwa 2,34 Milliarden Euro Umsatz macht die Region mit ihrem echten Parmesan – und die Fälscher verkaufen fast für genauso viel, nämlich fast zwei Milliarden Euro, haben aber eine deutlich höhere Gewinnspanne.
Nicht zutreffend ist, dass die Inhaber der Käsereien eine Abstammung von mindestens vier Generationen regionaler Käser-Vorfahren nachweisen müssen und nur mit Muttermilch aus der Region gestillt werden dürfen und nicht mit industriell hergestellter Babymilch. (Kleiner Scherz).
So sympathisch, regional, nachhaltig, echt und traditionell diese Spezialität ist – und absolut sicher ihren Preis wert — so verlockend ist es aber auch, den teuren Käse zu fälschen. Insbesondere „geriebener Parmesan“ ist oft ein mehliges Pulver mit Umami-Käse-Geschmacksverstärker und hat noch nicht einmal irgendetwas mit Käse überhaupt zu tun.
Um die Käse-Piraterie zu verhindern, hat das eigens nur für diesen Käse verantwortliche „Consorzio del Formaggio Parmigiano Reggiano“, das die Produktion dieser kulinarischen Spezialität überwacht, eine neue Taktik beschlossen, wie das Wall Street Journal in seinem Beitrag „Next Time You Buy Parmesan, Watch Out for the Microchip“ schreibt. Man bringt einen winzigen Silizium-Mikrochip der Firma p‑Chip aus Chicago in die Käserinde ein, neben einem QR-Code auf der Rinde. Der kann gescannt werden, und man hat die Seriennummer des Käselaibes, dessen Weg per Blockchain-Technologie nachvollziehbar ist … bis zurück zu der Milch, aus der er gemacht wurde. Die harte Rinde wird nicht gegessen, beruhigt man besorgte Kunden und selbst wenn, schade das in keiner Weise. Die Hülle des Chips widerstehe selbst der aggressiven Magensäure.
Der österreichische Standard schreibt:
„An mehr als 100.000 Laiben testete man die Funktion der Chips über ein Jahr hinweg – auch was passiert, wenn man einen Chip verschluckt. Bill Eibon, Technikchef des Chipherstellers, verriet der Zeitung, den Chip schon einmal gegessen und keinerlei Nebenwirkungen verspürt zu haben. In Labortests zeigte sich außerdem, dass der Mikrochip selbst nach drei Wochen in künstlicher Magensäure keine schädlichen Stoffe abgegeben habe. Auch sei es nicht möglich, Menschen mit Chip im Magen zu tracken, heißt es.“
Zwar funktionierte die kurz nach dem Jahr 2000 in die Rinde des Käselaibs eingebrachte Seriennummer schon gut, aber man möchte jetzt die Hightech-Lösung. Jeder Käselaib soll digital identifizierbar und verfolgbar sein. Das kleine Körnchen in der Rinde sei dabei weder störend noch gefährlich. Durch die neue Technologie soll die jahrhundertealte Käsetradition der Region geschützt und erhalten werden.
Der Präsident des „Consorzio del Formaggio Parmigiano Reggiano“ (CFPR), Nicola Bertinelli ist ganz begeistert von diesem Mikrochip. Der Parmigiano Reggiano sei einer der ältesten und berühmtesten Käse und ein Symbol für hochwertige italienische Produkte. Man müsse also auch darauf achten, dass dieses Produkt fürderhin sehr genau von den unter ähnlich klingenden Bezeichnungen firmierenden Erzeugnissen unterschieden werden kann, und das gelinge eben durch den famosen Mikrochip. So könne die Verbrauchersicherheit garantiert werden, und die Produkte entsprächen damit auch den „technologischen Zielen der Industrie 4.0“. Es folgen noch ein paar „Next-Generation“- Floskeln, Nachverfolgbarkeit, digitale Identifizierung, Tracking-Etiketten, alphanumerische Codes, Datenmatrix … usw. usf.
Also ein lebensmittelechtes, digitales Tag, so dass „die Lebensmittelsicherheit von CFPR sogar noch die staatlichen Anforderungen übertrifft“. Wie wunderbar und großartig und absolut desillusionierend. Also, ich persönlich hatte noch so eine ländlich-idyllisch-italienische Assoziation von Parmigiano Reggiano, von sanften, warmen, sonnenverwöhnten, norditalienischen Landschaften, urwüchsigen Bauernhöfen und glücklichen Kühen.
Puff! Zerplatzt.
Die Branchenseite „Dairyreporter“ berichtet dann auch noch euphorisch, dass die Partner des CFPR, die Kaasmerk Matec und der Chip-Hersteller p‑Chip Corporation (Motto: Sichtbarkeit, Nachverfolgbarkeit, Authentifizierung) mit diesem essbaren Tausendsassa-Chip ein ganz großartiges Innovationsprogramm gestartet haben, eine gar wunderbare Methode zur Identifizierung von Lebensmitteln – in diesem Fall eben für Käse nach Industriestandard auf Proteinbasis. So könne CFPR sein „Inventar“ besser kontrollieren und seine Produkte vor „Look- und Sound-Alike-Marken“ schützen.
Na, lieber Leser? So richtig Lust auf digital nachverfolgbaren Mikrochip-Parmesan bekommen?
Nö? Ach!
Wenn diese Information die Runde macht, könnte dem Parmesan eine Art Budweiser-Light-Moment bevorstehen.
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