Seymour Hersh wartet sprichwörtlich mit einer Bombe auf: Israels plant, den Gazastreifen de facto zu vernichten, indem es ihn entvölkert. Um die Hamas — aber eigentlich alle Palästinenser zu vertreiben -, plant die israelische Regierung zwar keine große Bodenoffensive mit der Armee, aber wird als erste Maßnahme das palästinensische Restland „Gazastreifen“ von Wasser, Energie und Lebensmitteln abschneiden und bombardieren, bis selbst diejenigen, die es eine Weile überleben, aufgeben müssen. Danach soll Gaza erst mit Superbomben bis tief in den Boden „plattgemacht“ werden, und dann erst kommen die Bodentruppen und erledigen den Rest – so der angebliche Plan. Der hamas-freundiche Iran kontert mit einer massiven Gegendrohung.
Laut dem berühmten Investigativjournalisten Hersh und seinen Insiderquellen orientieren sich die Israelis dabei an der Belagerung Leningrads durch die deutsche Wehrmacht. Diese dauerte fast 900 Tage und forderte ca. 800.000 Tote. Diese Information erhielt Seymour Hersh nach eigenem Bekunden von einem gut vernetzten „Veteranen des israelischen Sicherheitsapparates, der über gutes Insiderwissen“ zu den Ereignissen der letzten zehn Tage verfügt. Was Seymour Hersh als kommende Entwicklung in seinem Blockbeitrag „Netanyahu is finished“ beschreibt, ist ein Blick in die Hölle.
Noch-Premierminister Benjamin Netanjahu züchtete die Hamas selbst heran
Das Wichtigste sei, so die Quelle von Herrn Hersh, dass Israels Premierminister Benjamin (Bibi) Netanjahu nur noch wenige Tage als Staatsoberhaupt hat, vielleicht noch ein oder zwei Monate. Der Informant erklärte Herrn Hersh:
„Bibi war immer gegen das Oslo-Abkommen von 1993. Das Abkommen gab der Palästinensischen Autonomiebehörde die nominelle Kontrolle über das Westjordanland und den Gazastreifen. Als er (Netanjahu) 2009 ins Amt zurückkehrte, entschied sich Bibi dazu die Hamas zu unterstützen — als Alternative zur Palästinensischen Autonomiebehörde. ‚Er gab ihr Geld und etablierte sie im Gazastreifen‘.“
Mit israelischem Einverständnis, so Seymour Hersh weiter, bezahlte das Scheichtum Katar Hunderte Millionen Dollar an die Hamas-Führer. Netanjahu war davon überzeugt, dass er damit mehr Kontrolle über die Hamas gewinnt. Dass sie hin und wieder Raketen nach Süd-Israel hineinfeuert und ihre Mitglieder zum Arbeiten nach Israel hineinkönnen, nahm er in Kauf.
Provokationen und Gewalt im Westjordanland – und falsche Entscheidungen
Seymour Hersh drückt das nun sichtbare Resultat dieser „Bibi-Doktrin“ so aus: Netanjhu glaubte, man könne einen Frankenstein erschaffen und die Kontrolle über ihn haben. Doch der Angriff der Hamas sei eine direkte Folge von „Bibis“ Entscheidung, die er gegen den Protest von Militärkommandeuren getroffen habe, nämlich orthodoxen Siedlern zu erlauben, das jährliche Fest Sukkot (Laubhüttenfest) im Herbst zum Gedächtnis an die Reise der jüdischen Vorfahren in die Wüste im Westjordanland zu feiern. Dort feiert man das Gedenken eine Woche, stellt eine Sukkah auf (das ist eine provisorische, leichte, mit Zweigen, Ranken und Blättern geschmückte Hütte) und die Speisen sind die der Vorfahren.
Das Ganze war vor dem Hintergrund der außergewöhnlich häufigen gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Siedlern und den einheimischen Arabern, bei denen in diesem Jahr bisher 200 Palästinenser umgekommen sind, was die höchste Todesrate seit 20 Jahren ist, ziemlich riskant. Also wurden – laut der Informationen von Seymour Hersh – zwei von drei lokalen Armeebataillonen in der Gegend zum Schutz des Festes abkommandiert.
Dadurch blieben nur 800 Soldaten, die die über 50 Kilometer lange Grenze zwischen dem Gazastreifen und Südisrael bewachen und verteidigen konnten. Was bedeutete: Kein militärischer Schutz für israelische Bürger im Süden von Israel. Sie waren dem Angriff schutzlos ausgeliefert. An dem „Tag des Angriffs waren zweiundzwanzig Siedlungen im Süden Israels stundenlang unter der Kontrolle der Hamas, die von Haus zu Haus ging und Frauen und Kinder abschlachtete“, schreibt Seymour Hersh. Das werde das Ende von Premier Netanjahus Regierung sein.
Jetzt will man das „Palästinenser-Problem“ anscheinend radikal lösen
Eine große Bodenoffensive sei aber erst einmal nicht möglich, berichtet Herr Hersh. Es seien zwar 360.000 Reservisten einberufen worden, aber die seien zwar motiviert, aber nicht wirklich für so einen Kampf ausgebildet. Die Soldaten sind auf die Aufgaben als Sicherheitskräfte hauptsächlich im Westjordanland trainiert. In einen Häuserkampf in der zerbombten Stadt Gaza kann man diese Truppe nicht ohne Ausbildung schicken. Die Reservisten werden gerade in einem Crash-Training ausgebildet.
Voll einsatzbereit sind die israelische Luftwaffe und die Spezialeinheiten der Marine, sagte der Insider gegenüber Seymour Hersh. Die Luftwaffe bombardiert zurzeit pausenlos und rund um die Uhr und zerstört komplett die Infrastruktur: Wohnhäuser, Krankenhäuser, Moscheen, Einkaufsstraßen. Die zivile Bevölkerung ist dem Bombenhagel schutzlos ausgeliefert. Es gibt keine sicheren Orte mehr. Es muss die Hölle dort sein – und dazu schweigt der Westen.
Den Palästinensern droht in den nächsten Tagen die Apokalypse
Tatsächlich will die israelische Regierung jetzt nach dem Vorbild der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg beim Russlandfeldzug Gaza belagern und aushungern. Das hat damals die Wehrmacht bei Leningrad (heute wieder Sankt Petersburg) erfolgreich gemacht. Es ist eine grausame Methode: Das Aushungern. Wasser, Strom, Lebensmittelversorgung, medizinische Mittel, alles, was lebenswichtig ist, soll abgeschnitten werden. Die Zivilbevölkerung – oder was davon noch da ist – kann geordnet fliehen. Man geht davon aus, dass die meisten Hamas-Mitglieder sich aber in dem großen, weitverzweigten Tunnelsystem unter der Stadt – und im gesamten Gazastreifen verschanzen werden.
Seymour Hersh schreibt (und das ist so unglaublich, dass ich es am besten wörtlich zitiere):
„Die große Debatte heute“, sagte er, „ist, ob man die Hamas aushungern oder bis zu 100.000 Menschen in Gaza töten soll.“
Zurzeit denkt man über Geiselaustausch nach, denn, wie bekannt, hat die Hamas ja sehr viele Menschen gefangengenommen und als Geiseln verschleppt, viele waren junge Menschen auf einem Musikfestival im Grenzgebiet. Wenn es zu keiner tragfähigen Lösung komme, werde Israel eben doch zu einer Bodeninvasion mit sehr vielen Toten auf allen Seiten gezwungen sein.
Letztendlich will Israel offenbar die Auslöschung der Hamas. Es gibt Berichte von „Human Rights Watch“, nachdem Israel angeblich die geächteten Phosphorbomben über Gaza abwirft, was Videos nahelegen:
Palästina und Gaza könnte vollkommen ausgelöscht werden
Seymour Hersh schildert auch, wie weit die Pläne Israels gehen:
Abgeworfene Flugblätter warnen bereits die zivile Bevölkerung des Gazastreifens und fordern sie dazu auf, ihre Häuser zu verlassen und sich in Richtung der Grenzübergänge nach Ägypten zu evakuieren. Ob Ägypten aber einwilligt, Zigtausende palästinensische Flüchtlinge aufzunehmen, ist noch unklar. Tel Aviv versuche daher, Katar zu überzeugen, sich mit Ägypten zusammenzuschließen und ein Zeltlager für die Millionen oder mehr Flüchtlinge zu finanzieren, die jenseits der Grenze warten.
Der Exodus der palästinensischen Zivilbevölkerung würde wenigstens sicherstellen, dass „zumindest die Menschen nicht alle getötet werden“, sagt der israelische Insider und vermutet, dass die Hamas einige Zivilisten im Gazastreifen festhalten wolle, um sie als „menschliche Schutzschilde“ zu nutzen. Denn sobald die Zivilbevölkerung des Gazastreifens vertrieben und geflohen ist, beabsichtigt Israel angeblich, eine großangelegte Bombenkampagne zu starten, die die Stadt dem Erdboden gleich machen würde.
Zuerst würde – wenn dieser Plan durchgezogen werden sollte — die israelische Luftwaffe die „verbliebenen Strukturen in Gaza-Stadt“ zerstören. Dem folgten israelische Flugzeuge mit US-amerikanischen, bunkerbrechenden Bomben mit einem Gewicht von 5.000 Pfund, die in den „plattgemachten Gebieten“ des Gazastreifens abgeworfen werden, um auch die unterirdischen Einrichtungen der Hamas, die tief unter dem Gebiet versteckt sind, zu zerstören – mitsamt den verbliebenen Hamas-Kämpfern.
Der israelische Insider berichtet, so Seymour Hersh, dass die „derzeitigen israelischen Kriegsplaner“ glauben, dass eine „verbesserte Version von JDAMs (Joint Direct Attack Munitions) mit größeren Sprengköpfen“, bis zu 50 Meter tief in den Boden eindringen können, bevor sie detonieren und „alles innerhalb einer halben Meile zerstört und tötet“. Nachdem die bunkerbrechenden Bomben dann alles zerstört haben, sollen anschließend israelische Infanterieeinheiten die Aufräumoperationen durchführen. Das ist ein wirklich schockierendes und apokalyptisches Szenario.
Allerdings schreibt Seymour Hersh auch, dass ein ehemaliger europäischer Geheimdienstbeamter eine gewisse Skepsis bei dem israelischen Plan äußerte: „Eine Stadt in Trümmern ist überall und jederzeit genauso gefährlich “ und „dass die Leute, die von JDAMS reden, nicht mehr wissen, was sie noch tun sollen“. Der EU-Beamte gab zu bedenken, dass die Tunnel der Hamas so tief unter der Erde liegen, dass sie den Angriffen mit JDAMs standhalten können. „Das war eine sorgfältig geplante Operation, und die Hamas wusste genau, wie die israelische Reaktion aussehen würde. Stadtkämpfe sind schrecklich.“
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass der iranische Außenminister angekündigt habe, man sei in der Lage, einen Präventivschlag gegen Israel innerhalb von Stunden durchzuführen. Die Führer der „Widerstandsfront“, also islamistische Bewegungen, die dem Iran treu sind, würden Israel nicht erlauben, den Gazastreifen ohne Konsequenzen zu betreten. Außenminister Hossein Amirabdollahian warnte: „Wir können Kriegsverbrechen gegen die Menschen in Gaza nicht ignorieren.“
Die Büchse der Pandora öffnet sich. Wir können schon hineinsehen
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