Die entschwärzten Papiere aus dem RKI sind ein großes Konvolut. Und langsam wird das nun ausgewertet und veröffentlicht. Jetzt zeigt sich, dass der schon fast wie ein Messias verehrte Charité-Virologe Prof. Dr. Christian Drosten möglicherweise ein Papier zur Strategie des Testens währen der Coronazeit zurückgehalten hat, weil der Inhalt mit der Pandemiepolitik der Regierung nicht vereinbar war. Der Vorwurf des „Wissenschaftbetrugs“ wurde laut.
Nach der spektakulären Veröffentlichung der geleakten, völlig entschwärzten RKI-Papiere zum Krisenstab des Robert Koch-Instituts (RKI) durch die Berliner Journalistin Aya Velázquez, gibt es Vorwürfe gegen Prof. Dr. Christian Drosten. Er ist Leiter des Instituts für Virologie an der renommierten Berliner Charité und war DAS Expertengesicht währen der Pandemie.
Hielt Drosten seinen Text zur Teststrategie zurück, weil die Regierung das nicht wollte?
Wir erinnern uns alle: „Testen, Testen, Testen!“ Die sogenannte „anlasslose Massentestung“ auf den Virus SARS-CoV‑2 bei allen, die nicht bei drei auf dem Baum waren. Menschen, die offensichtlich gesund waren und vollkommen symptomfrei, sollten sich aber dennoch laufend testen lassen. Da das RKI, wie wir heute aus verschiedenen freigeklagten und – wie in diesem Fall – geleakten Dokumenten gewonnenen Informationen wissen, war das RKI eigentlich gar nicht so begeistert über die Strategie der Regierung, diese SARS-CoV-2-Infektionen zur Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes hochzupushen. Da das Institut aber weisungsgebunden ist, ordnete die Politik an … und so wurde es auch gemacht.
Es war eben nicht so, wie öffentlich der Eindruck geweckt wurde, dass die Regierung sich von einem unabhängigen, medizinwissenschaftlichen Institut von kompetenten Medizinern und Wissenschaftlern unterrichten ließ und diese Experten-Informationen dann zur Richtschnur ihres Handelns machte. Es war eher umgekehrt.
Diskussionen beim RKI
Und genauso scheint es auch bei der Zumutung mit den anlasslosen Massentestungen gelaufen zu sein. Dieses Thema entzündete anscheinend heißeDebatten im RKI, wie aus den RKI-Protokollen hervorgeht. Zuerst sprach sich das Institut klar dagegen aus, aber musste dann wohl einlenken, weil das Bundesgesundheitsministerium – damals noch unter Jens Spahn als Gesundheitsminister („wir werden uns viel zu verzeihen haben) – und seinem Credo „Testen, Testen, Testen!“
Das geht auch aus den teilentschwärzten Protokollen des RKI-Krisenstabs hervor, die in den ersten Junitagen veröffentlicht wurden, nachdem das Magagzin „Multipolar“ auf die Herausgabe der Protokolle geklagt hatte. Ganz offensichtlich gründeten sich die empfohlenen Maßnahmen gegen Infektionen nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnisse des RKI, sie waren eben nicht „evidenzbasiert“ beschlossen worden, sondern wurden auf Druck des Bundesgesundheitsministeriums so an die Bürger als Empfehlung oder Vorschriften unter Vorspiegelung wissenschaftlicher Expertisen weitergereicht. Das legen jedenfalls die Protokolle nahe.
So stand es im Protokoll des Treffens des RKI-Krisenstabes am 14. Januar 2020:
„Der Infektionsschutz (vor SARS-CoV2) ist ähnlich wie bei SARS oder MERS, aber mit einem geringeren Gefährdungspotenzial.“ Man unterschied deutlich bei der Einstufung der Sicherheit zwischen den Fällen, die bereits Symptome zeigen, die aber „klinisch-epidemiologisch noch nicht von einem Labor bestätigt“ waren, und Fällen, bei denen sich Symptome feststellen ließen, die sowohl klinisch-epidemiologisch als auch im Labor abgeklärt wurden.
(Bild: Ausschnitt aus den weiter entschwärzten RKI-Protokollen)
Das Papier des Prof. Drosten
Prof. Drosten hatte zu dem Thema offensichtlich auch einen Text geschrieben, denn im Protokoll vom 29. Juli 2020 heißt es dort:
„Der Artikel (von Drosten) ist vertraulich. Hr. Drosten hat zwischenzeitlich entschieden, das Papier nicht zu publizieren, da ungezielte Testung im Text als nicht sinnvoll betrachtet wird und dies dem Regierungshandeln widerspricht.“
(Ausschnitt aus den durchgestochenen, vollständig ungeschwärzten Protokollen des COVID-19-Krisenstabes des Robert Koch-Instituts. Foto: Bildschirmfoto von RKI-Protokollen)
Die Empfehlungen von Prof. Christian Drosten waren weit weniger dramatisch. Er empfahl bei Symptomen eine Kurzquarantäne von fünf Tagen mit anschließendem Test oder ganz ohne Test, am besten unter Berücksichtigung des CT-Wertes der PCR-Tests, weil die das Maß der Infektionsgefahr zeige. Interessant: Das RKI fand diese Empfehlung „sehr sinnvoll, unverhältnismäßig lange Isolierungen und andere unnötige Maßnahmen können vermieden werden“.
Prof. Drosten schlug überdies eine „großzügige und rasche“ Quarantäne ohne vorheriges Testen bei solchen Fällen vor, wo ganze Gruppen zusammengekommen waren (Theateraufführungen, Feste oder Versammlungen) und schon mehrere Personen Symptome aufweisen. Da sollte vorsorglich die ganze Gruppe in Quarantäne gehen. Wichtig sei dann auch die Kontaktverfolgung, mit wem sich die Menschen aus diesen „Clustern“ nach der Zusammenkunft noch getroffen haben.
Hat Prof. Drosten Wissenschaftsbetrug“ begangen?
Die Journalistin Aya Velázquez sieht in diesem Handeln von Prof. Drosten einen „Wissenschaftsbetrug“. Er hätte seine Teststrategie veröffentlichen müssen. Denn als Wissenschaftler habe er „etwas, das er eigentlich für fachlich richtig hielt“, nicht veröffentlicht, weil es dem Regierungshandeln widersprochen habe.
In dem Papier heißt es aus Prof. Drostens Feder:
„Es hilft ein Blick nach Japan. (…) Statt viel und ungezielt zu testen, hat Japan früh darauf gesetzt, Übertragungscluster zu unterbinden. (…) Die Gesundheitsbehörden suchen in der Kontakthistorie eines erkannten Falls gezielt nach bekannten Clusterrisiken. (…) Die gezielte Eindämmung von Clustern ist anscheinend wichtiger als das Auffinden von Einzelfällen durch breite Testung.“
Er führte als Argument auch an, dass es Japan gelungen sei, die erste Welle trotz einer großen Zahl importierter Infektionen ohne einen Lockdown zu beherrschen. In dem nun kürzlich geleakten Zusatzmaterial von Aya Velázquez ist dieser „vertrauliche“ Textentwurf unter der Überschrift „Empfehlung für den Herbst – Ein Plädoyer für Pragmatismus und Fokussierung im Kampf gegen die zweite Welle“. Darin heißt es:
„In Japan und auch in anderen Ländern wurden bereits Listen von typischen sozialen Situationen erstellt, in denen es häufig zu Übertragungsclustern gekommen ist.“ Diese könnten laut Drosten von den Gesundheitsbehörden genutzt werden, um bei erkannten Infektionsfällen nach Clustergefahren zu fahnden. „Das ist wichtiger als stetiges Testen, denn man kann das Virus ja nicht wegtesten, sondern muss auf positive Tests auch reagieren.“
Er weist auch darauf hin, dass die Strategie, alle Kontaktfälle zu verfolgen, die Gesundheitsämter überfordern würde und auch wirtschaftlich kaum zu verkraften wäre.
Allerdings hat Prof Drosten diese, seine wissenschaftliche Meinung, sehr wohl an die Öffentlichkeit gebracht, nämlich über die Zeitung „die Zeit“. Diese veröffentlichte seinen Gastbeitrag am 5. August 2020, unter dem Titel „Zweite Corona-Welle: So können wir einen neuen Lockdown verhindern.“
Regierung schlug diese Ratschläge in den Wind – RKI hat seine Glaubwürfigkeit verspielt
Nach allem Dafürhalten hat Prof. Drosten wohl keinen Wissenschaftsbetrug begangen. Dass er sein Papier in der Presse veröffentlicht hat, sollte wohl auch ein Weckruf an das RKI und die Politiker sein.
Das Ganze ist nun zu einer veritablen Glaubwürdigkeitskrise ausgewachsen. Denn das Institut könnte viel eher einen Wissenschaftsbetrug begangen haben. Sie haben sich trotz besseren Wissens auf die Seite der Regierung gestellt und damit nicht vertretbare, ja gefährliche Maßnahmen ermöglicht und unterstützt. Auch, wenn das RKI eine Behörde ist und weisungsgebunden, steht Leib und Leben der Bürger höher, als ein wissenschaftswidriges Programm der Regierungsparteien, die keinerlei medizinischen Sachverstand haben.
Dass das RKI dann auf einen Gerichtsbeschluss hin noch weitestgehend geschwärzte Protokolle herausgab und nach neuerlicher Klage eine weitere Entschwärzung erstritten werden musste, tat ein Übriges dazu zum Glaubwürdigkeitsverslust. Das war schon der Todeskuss für das Vertrauen ins RKI. Und nun noch die geleakten Papiere! Das ist nur noch als Totalschaden zu bezeichnen.
Die Schlussfolgerung daraus kann nur heißen: Entweder steht die Regierung über dem RKI und auch, wenn es Leib und Leben der Bürger in Gefahr bringt, MUSS das RKI die Weisungen der Politik befolgen … Dann brauchen wir gar kein RKI, dann kann die Regierung eben sowieso nach Gutdünken hantieren. Als wissenschaftliches Mäntelchen braucht niemand so eine teure Behörde.
Dies vorausgesetzt, richtet sich jetzt der Blick auf die Politiker.
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