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Vierzig Jahre Krieg und alles ist wie zuvor — Jetzt ist Afgha­nistan wieder im Mittelalter

Briten, Russen, Ame­ri­kaner, EU, NATO, Kom­mu­nismus, Kap­tia­lismus, Inter­na­tionale Orga­ni­sa­tionen: Alle Ver­suche, das Land in die Moderne zu bringen, sind gescheitert. Die Taliban haben Afgha­nistan wieder ins Mit­tel­alter zurückgeführt.

Patri­mo­niale Herr­schafts­struk­turen, Stam­mes­ver­bände, Fami­li­en­clans, Scharia, alte Tra­di­tionen: All das ist wieder so wie vor hundert Jahren. Afgha­nistan fällt immer wieder ins Mit­tel­alter zurück. Die Afghanen wollen es so. Nicht alle. Aber viele. Ver­mutlich die Mehrheit. Das Ergebnis der vier Jahr­zehnte aus Krieg und Bür­ger­krieg spricht Bände.

Afgha­nistan war für Inva­soren immer unre­gierbar. Das ist seit Jahr­hun­derten so. Die Briten und Russen haben es im 19. Jahr­hundert zu spüren bekommen. Später die UdSSR, dann die west­liche Allianz.

Bilder, Fotos, Film­ma­terial aus den 1960er bis 1970er Jahren zeigen ein west­liches und auf­ge­klärtes Kabul. Und während der US-ame­ri­ka­ni­schen und euro­päi­schen Mili­tär­präsenz gab es – eben­falls in Kabul – soziale Nischen mit westlich-libe­ralem Lebensstil.

Doch Kabul ist nicht das weite Land. Kabul ist anders als die Aber­tau­senden von Dörfern und Klein­städte, die Hun­dert­tau­senden von Gehöften und Weilern in den abge­le­genen Tälern der Berg­re­gionen. Das weite Land war immer anders als Kabul.

Wenn west­liche Jour­na­listen über Frau­en­rechte und angeb­lichen Fort­schritt berichtet haben, dann war es fast immer aus Kabul.

Afgha­nistan ist kein eth­nisch-homo­gener Natio­nal­staat. Die Regionen unter­scheiden sich eth­nisch und sprachlich. Es gibt Pasch­tunen, Hazara, Tadschiken, Usbeken, Turk­menen, Kir­gisen, Nuristani und viele andere Volksgruppen.

Afgha­nistan ist ein Relikt aus einer anderen Zeit, aus einer anderen Welt. Keine poli­tische Kraft hat das Land in die Moderne ziehen können.

Wie sehr das Land wieder ins Mit­tel­alter zurück­ge­fallen ist, zeigen jüngere Doku­men­ta­tionen über die Wie­der­ein­führung der Scharia und die ört­liche Rechts­spre­chung unter den Taliban. Eine Doku­men­tation der Zeitung »The New Yorker« und eine andere Doku­men­tation der »AFP News Agency« zeigen die Welt der Scharia-Gerichte unter den Taliban. Dass sich nichts ver­ändert hat, zeigt ein Ver­gleich mit einer Doku­men­tation, die schon zehn Jahre alt ist: »Thou­sands Of Afghan Women Jailed For ‘Moral Crimes’«

Viele Muslime aus aller Welt fei­erten den »Sieg« der Taliban und die Flucht des Westens. Noch heute reisen Araber nach Afgha­nistan, um sich von den »Erfolgen« der Got­tes­krieger erzählen zu lassen. Frei­willige aus ara­bi­schen Ländern hatten sich während der Agf­gha­nistan-Kriege den Mud­scha­hedin und später den Taliban ange­schlossen. Auch Al-Qaida und der IS waren in Afgha­nistan vor allem mit Rekruten aus ara­bi­schen Ländern präsent. Die Afghanen selbst sind keine Araber. Aber ein bisschen Ara­bisch haben viele Afghanen in der Koran­schule gelernt. So klappte es mit der Verständigung.

Über 60 Prozent der erwach­senen Afghanen sind Analpha­beten. Besonders Frauen können oft nicht lesen und schreiben. Das wird sich unter den Taliban kaum verbessern.

Bei den Migranten und Flücht­lingen, die aus Afgha­nistan nach Deutschland gekommen sind, zeigt sich ein ähn­liches Bild. Mit einem ein­fachen Inte­gra­ti­onskurs ist es nicht getan. Die Men­schen, die aus Afgha­nistan kommen, sind in einer anderen Welt aufgewachsen.

Das mag sich bei der gebil­deten »Ober­schicht« aus Kabul anders ver­halten. Doch sie sind eine kleine Min­derheit in einem Land, das in der Zeit stehen geblieben zu sein scheint und sich nicht einmal unter dem Ein­fluss zahl­reicher Staaten des Westens in die Mor­derne holen lässt.

Aus­ge­rechnet mit diesem mit­tel­al­ter­lichen Land haben wir uns nun auf eine Migra­ti­ons­po­litik ein­ge­lassen, die dazu bei­trägt, dass viele Pro­bleme aus Afgha­nistan nach Europa impor­tiert werden.

Peter Scholl-Latour hatte einst den Satz geprägt: »Wer halb Kal­kutta auf­nimmt, hilft nicht Kal­kutta, sondern wird selbst zu Kal­kutta«. Das Gleiche ließe sich auch in Bezug auf Kabul, Kan­dahar, Herat, Masar‑e Scharif, Kundus oder Dscha­lalabad sagen.

Der Artikel erschien zuerst hier: freiewelt.net