Das gedruckte Wort steht bereits länger auf der Liste der gefährdeten Kulturgüter. Der, jedoch immer noch »resistente« Buchhandel macht, wider aller Begünstigungen für e- und audio-books, 95 Prozent seines Umsatzes immer noch mit Gedrucktem. Nun jedoch werden schärfere Geschütze aufgefahren, um einer möglichen »geistigen Anregung bei Stromausfall«, Einhalt gebieten zu können.
Niemand hätte die Absicht, Bücher zu verbieten, klingt wohl ein wenig nach »Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen«, à la Ulbricht. Auch die Meinungsfreiheit soll ja keinesfalls in Gefahr sein, denn so heißt es, die EU-Kommission sorge sich alleine um die Natur. Da Bücher nun einmal aus Papier bestehen, seien diese eben eine grundsätzliche Gefahr für unser Ökosystem. Daher sah man sich also gezwungen eine neue EU-Verordnung für entwaldungsfreie Produkte (EUDR – EU 2023/1115) zu erlassen, die dann auch ab dem 30.12.2024 verpflichtend anzuwenden sei.
Ab diesem Zeitpunkt müssen alle, die Bücher in Umlauf bringen, mit jeder Ihrer Lieferungen dann auch nachstehende Informationen bereitstellen:
- HS-Code der Ware,
- Erzeugerland des Holzeinschlags, in dem die relevanten Rohstoffe zum jeweiligen Buch erzeugt wurden,
- Geokoordinaten aller Grundstücke, auf denen die relevanten Rohstoffe zum jeweiligen Buch erzeugt wurden,
- Zeitpunkt der Erzeugung,
- Bestätigung der Erfüllung der Sorgfaltspflicht, dass jedes Produkt entwaldungsfrei ist und gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurde, Referenznummer der Sorgfaltserklärung aus dem Informationssystem der Europäischen Kommission.
Das ganze Machwerk ist eine direkte Folge der sogenannten Lieferkettenverordnung, die nach zwischenzeitlichen Widerständen vom EU-Parlament schlussendlich, wie üblich, abgesegnet wurde.
Wie jedoch soll ein Verlag für jede Buchseite garantieren, dass diese ohne Entwaldung entstanden ist? Gedruckt wird meist in weit entfernten Regionen. Die dortige Druckerei bekommt ihr Papier von unterschiedlichsten Lieferanten, die sich ihrerseits flexibel von diversen Zellstoffherstellern versorgen. Deren Holz stammt von unterschiedlichsten Händlern aus Regionen in aller Welt je nach Preis und Qualität. Wenn während des Drucks einer Auflage der Papiervorrat nachgefüllt werden muss, kann dieser jedoch aus einer anderen Charge stammen.
Derjenige jedoch, der das Buch in den Handel bringt, muss mit seiner Unterschrift die Einhaltung der Verordnung EUDR – EU 2023/1115 garantieren. Die Strafen bei einem Verstoß dürften, wie heutzutage an der Tagesordnung, existenzbedrohend sein.
Und dies ist nur der vorerst letzte Anschlag gegen das gedruckte Wort. Ein Druckereisterben hat bereits dazu geführt, dass selbst in Großstädten selten ein Buch vor Ort produziert werden kann. Haltbarere gebundene Ausgaben sind für kleinere Auflagen oft zu teuer und aufgrund der Engpässe bei Buchbindereien nicht umgehend lieferbar. Auch die Papierpreise sind inzwischen durch die Decke gegangen. Kleinere Verlage können dadurch Bücher jenseits von 200 Druckseiten gar nicht mehr zu einem akzeptablen Preis anbieten. Große Verlage, die durch eine enge Verflechtung mit Papierproduzenten (z.B. dem Bonnier-Konzern aus Schweden) exklusiven Zugang haben, betrifft das dagegen weniger oder gar nicht. Eine weitere Verlagskonzentration ist somit folglich vorgezeichnet.
Als wenn dies noch nicht genug Zerstörungskraft hätte, hatte die Verwertungsgesellschaft »Wort« als private Vertretungsorganisation von Autoren darüber hinaus noch beschlossen, dass jede Veröffentlichung auf elektronischem Wege ohne Berücksichtigung des Copyrights an Dritte weitergegeben werden könne. Diese Nutzer wären dann folglich gegenüber den Urhebern haftungsfrei gestellt. Die Autoren könnten dagegen noch bis zum 29. November Widerspruch einlegen. Es ist allerdings zweifelhaft, ob dieser Widerspruch den Beschluss wird kippen können. Wahrscheinlicher ist, dass den Verweigerern die Mitgliedschaft und damit die Teilhabe an Tantiemen für verbreitete Werke entzogen werden wird.
Angesichts eines weiteren hybriden Kriegs in diesem Fall gegen das Kulturgut Buch, ist die Reaktion eben auch in alternativen Medien bisher kaum wahrnehmbar. Der Angriff auf die Hardware der Aufklärung ist jedoch nicht weniger gravierend als der auf die Software der Inhalte im Digital Services Act der EU. Nunmehr braucht also die Desinformationspolizei eben nicht mehr aktiv zu werden, da ein Buch ja ohnehin nie gedruckt werde.
Zuerst erschienen bei freiewelt.net.
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