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Waffen für die Welt – Rhein­metall und das Geschäft mit dem Krieg

Mich erinnern heutige Zeiten an die 80er-Jahre, in denen in Ost und West eine starke Frie­dens­be­wegung gegen die Sta­tio­nierung von Atom­ra­keten an der Grenze des geteilten Deutsch­lands auf die Straße gegangen ist. Nur, dass es heute beinahe toten­still bleibt, wenn die Sta­tio­nierung von ame­ri­ka­ni­schen Lang­stre­cken­ra­keten ver­kündet wird, die den Ukrai­ne­krieg auf Deutschland aus­dehnen könnten. Es fehlte auch ein unüber­hör­barer Auf­schrei, als der Kanz­ler­kan­didat der Union, Friedrich Merz, ver­kündete, er würde als Kanzler Putin ein Ulti­matum stellen, den Krieg gegen die Ukraine innerhalb von 24 Stunden zu beenden, ansonsten würde er Taurus-Raketen in die Ukraine schicken. Von Vera Lengsfeld.

Kürzlich hörte ich einen ehe­ma­ligen DDR-Bür­ger­rechtler sagen, dass man die ganze Frie­dens­be­wegung doch ver­gessen könnte, geholfen hätte nur die Nach­rüstung. Nur durch die sei die Sowjet­union in die Knie gegangen. Also müsste man jetzt wieder mili­tä­rische Stärke zeigen. Ich habe den Mann, der auch mit mir im Bun­destag war, nicht gefragt, ob er Putin für seine Rede 2001 ste­henden Beifall gespendet hat. Nach meiner Erin­nerung waren fast alle Par­la­men­tarier wie ein Mann auf­ge­standen. Nur auf den hin­tersten Bänken gab es außer mir nur zwei oder drei Abge­ordnete, die das nicht taten. Von denen, die applau­dierten, sind heute noch etliche aktiv, und sie erklären Putin für den Gott­sei­beiuns, den schlimmsten Feind des Westens.
Ich war auch in der letzten Volks­kammer dabei, als Gor­bat­schows Bedingung, dass bei einer Ver­ei­nigung der beiden deut­schen Teil­staaten garan­tiert werden müsse, dass die NATO nicht an die Grenze der Sowjet­union aus­ge­dehnt würde. Inzwi­schen ver­künden Poli­tiker, dieses Ver­sprechen hätte man nur mündlich gegeben, es sei niemals schriftlich fixiert worden. Gor­bat­schow hat den deut­schen Poli­tikern also unbe­rechtigt vertraut.

Bekanntlich hat Putin hin­ge­nommen, dass sowohl Polen, Ungarn und Rumänien als auch die bal­ti­schen Staaten Mit­glied der NATO wurden. Er hat hin­ge­nommen, dass dort NATO-Manöver statt­finden. Die Vor­ge­schichte des Ukraine-Krieges wird heut­zutage nicht the­ma­ti­siert, es wird statt­dessen behauptet, die Ukraine ver­teidige die west­lichen Werte und die Freiheit. Wer wissen will, wie es in der Ukraine vor dem Krieg aussah, sollte Juri Kurkow lesen, der auch erfolg­reich ins Deutsche über­setzt wurde. „Picknick auf dem Eis“ ist eine Beschreibung eines kor­rupten Olig­ar­chen­staates, „Graue Bienen“ eine des Krieges, der jah­relang vom Westen unbe­achtet vor sich hin­schwelte. Die Ukraine ist nach dem Zusam­men­bruch der Sowjet­union keine Demo­kratie geworden. Das hat sie mit Russland gemeinsam. Wenn heute deutsche Poli­tiker die Hard­liner geben, bekomme ich das Gefühl nicht los, dass sie die Kom­plett-Nie­derlage Nazi­deutsch­lands nicht ver­standen haben. Jeden­falls scheint die „Kriegs­tüch­tigkeit“, um nicht ein weniger freund­liches Wort zu gebrauchen, vor allem bei denen am größten zu sein, die ihren Platz im Atom­schutz­bunker sicher haben.

Nun zu Rhein­metall. Fred Schu­macher hat im Verlag Das Neue Berlin einen kurzen, aber aus­sa­ge­kräf­tigen Abriss zur Geschichte des Rüs­tungs­kon­zerns, der heute immer noch ein wich­tiges Glied der inzwi­schen stark schrump­fenden deut­schen Wirt­schaft ist, ver­öf­fent­licht. „Voller Stolz führt der Rhein­metall-Vor­sit­zende Armin Pap­perger in der Lüne­burger Heide das aktuell größte Werk des Unter­nehmens vor. Man schreibt den 12. Juni 2014, und gekommen sind Bun­des­kanzler Scholz, Ver­tei­di­gungs­mi­nister Boris Pis­torius und die dänische Regie­rungs­chefin Mette Fre­de­riksen. Panzer und Munition pro­du­ziert das Unter­nehmen hier, derzeit vor allem für den Kriegs­einsatz in der Ukraine.“ Das Gelände inmitten des Natur­parks Süd­heide erwarb das Unter­nehmen bereits 1899.
Fred Schu­macher zeichnet die Unter­neh­mens­ge­schichte besonders in der Zeit des Natio­nal­so­zia­lismus nach, wo zehn­tau­sende Zwangs­ar­beiter, dar­unter auch KZ-Häft­linge, zum Profit des Unter­nehmens bei­tragen mussten. Diese Geschichte ist nach wie vor nicht genügend auf­ge­ar­beitet. Mich hat besonders erschreckt, dass die Zwangs­arbeit von hun­derten Frauen für einen Rhein­metall-Zweig­be­trieb in Söm­merda bis vor Kurzem nicht bekannt war. Erst jetzt wird daran erinnert. Das wird in anderen Orten ähnlich sein.

Natürlich hat sich Rhein­metall auch auf die ehemals sozia­lis­ti­schen Länder aus­ge­dehnt. In fünf ehe­ma­ligen War­schauer-Pakt-Staaten: Polen, Ungarn, Tsche­chien und Rumänien ist der Konzern schon ansässig, um die dor­tigen Streit­kräfte zu unter­stützen, mit Litauen gibt es noch Gespräche für eine Niederlassung.

Der Rüs­tungs­konzern liefert die Ukraine auch direkt.

Pap­perger:

„Direkt in die Ukraine liefern wir etwa Flug­ab­wehr­systeme, die übrigens auch zur Bekämpfung von Drohnen dienen, außerdem diverse Muni­ti­ons­typen sowie Militär-LKWs und ein Feld­la­zarett. Über den Ring­tausch haben wir Marder und Leopard aus unserem Bestand ver­kauft, auch weitere LKWs. Und wir bauen in Deutschland eine Fer­tigung für Gepard-Munition auf.“

Das, so Schu­macher, könnte das Publikum etwas irri­tieren, „denn das passt nicht zur NATO als selbstlose Insti­tution für die reine Selbstverteidigung“.
So ist es. Die Kriegs­gefahr ist akut. Wer schweigt, stimmt zu.

Fred Schu­macher: Waffen für die Welt, Berlin, 2024

Der Artikel erschien zuerst hier: vera-lengsfeld.de