Kölns Ober­bür­ger­meister schmeißt hin: Köln ver­wahrlost und es ist kein Geld da

Hen­riette Reker, Kölns Ober­bür­ger­meister, macht von sich reden: Eine dritte Amtszeit kommt für sie nicht in Frage, sie hat genug und ist kom­plett frus­triert. Was sie der Presse sagt, könnte auch in den USA statt­finden: Penner und Dro­gen­süchtige leben, kon­su­mieren ihre Drogen und näch­tigen auf der Straße. Polizei und Ord­nungsamt sind über­fordert und das Stadt­säckel leer. Köln ist aller­dings nicht die einzige Stadt, in deren Zentrum solche schreck­lichen Zustände herrschen. 

Weder in Deutschland, noch in Europa, noch auf der Welt. Gerade in der „west­lichen Welt“ sind solche Zustände häu­figer anzu­treffen. Hier stimmt das Sprichwort „Wehret den Anfängen!“

Hen­riette Reker ist seit 2015 Ober­bür­ger­meis­terin von Köln. Zuvor war sie fünf Jahre lang Sozi­al­de­zer­nentin in Köln, von 2000 bis 2010 war sie Sozi­al­de­zer­nentin in Gel­sen­kirchen. Sie ist stu­dierte Juristin. Sie war nach der Sil­ves­ter­nacht auf der Kölner Dom­platte mit ihrem Spruch in die Presse gekommen und zer­rissen worden in Köln, als sie den Frauen den unge­heuer kon­struk­tiven Rat gab, stets eine Arm­länge Ent­fernung von fremden Männern zu halten. Arbeitet sie als Ober­bür­ger­meister für Köln ebenso ahnungslos?

Zur nächsten Kom­mu­nalwahl im Sep­tember tritt Frau Reker nicht an

„Diese Amtszeit wird meine letzte Amtszeit sein“, sagt die par­teilose 68-Jährige ent­schieden. Und setzt hinzu: „Die Ent­scheidung ist gefallen“. An Ruhe­stand denkt sie nicht. Es gebe genug zu tun, sagt sie in einem Interview. Sie überlegt, ob sie wieder als Rechts­an­wältin arbeitet, will sich auch noch für Auf­gaben in der Stadt ein­setzen, aber nicht als Ober­bür­ger­meis­terin. Das ist ihr offenbar zu frustrierend.

Sie spricht zwar recht positiv über Köln und lobt die Fort­schritte bei der Digi­ta­li­sierung der Stadt, man habe die Corona-Pan­demie gut über­standen. Lenkt aber ein, dass es noch viel zu tun gebe in Köln, sie sei aber positiv gestimmt. Ach, wirklich? Doch dann gibt sie zu, dass Die Haus­halts­si­tuation in der Dom­stadt „wirklich schlecht, um nicht zu sagen dra­ma­tisch. Wir werden uns in Zukunft nicht mehr alles leisten können. Das ist noch nicht überall ange­kommen, aber sickert nach und nach durch.“

Das liegt zwar an Frau Reker, aber auch daran, dass in Köln nichts einfach gut durch­ge­plant durch­läuft. Das beste Bei­spiel ist das Kölner Opernhaus. Eine ewige Bau­stelle: Seit 2012 wird das Gebäude saniert. Es sollte 2015 wieder ein­ge­weiht, ist aber heute immer noch nicht fertig. Es kam immer wieder zu Bau­stopps und Neu­sa­nie­rungen. Die mit 253 Mil­lionen ver­an­schlagte Sanierung ist bis dato au 1,3 Mil­li­arden Euro ange­schwollen – und das ist noch nicht das Ende. Der Haupt­grund für das Finanz-Fiasko liegt nach allem, was man weiß, in der man­gel­haften Planung für die Haus­technik und eine chao­tische Struktur der Ver­ant­wort­lich­keiten. Niemand weiß, warum das alles so schief geht und immer noch teurer wird, nicht einmal die Archi­tekten. Und das soll viel mit dem sprich­wört­lichen „Köl­schen Klüngel“ zu tun haben.

Köln ist sehr eigen. Ich habe da stu­diert. Viel­leicht ist es genau das, was Frau Reker selbst prak­ti­ziert und dessen Aus­wirkung ihr nun auf die Füße fällt? Dass nichts richtig funk­tio­niert und das Geld immer irgendwo ver­dampft und deshalb so viele, auch sehr wichtige Pro­jekte nie fertig werden, aber schon neue ange­fangen werden?

Nichts­des­to­trotz emp­fiehlt Frau Reker als ihren Nach­folger einen „Köln-affinen“ Kan­di­daten. Und sie gesteht offen­herzig: „Sonst hat es keinen Sinn. Man muss die Men­schen ver­stehen, die hier leben, und die Stadt kennen.“ Die oder der OB solle einen sta­bilen Gesund­heits­zu­stand mit­bringen, viel Enga­gement, dazu die Bereit­schaft, die per­sön­lichen Inter­essen an der Gar­derobe abzu­geben. „Man muss das gerne machen, was man macht, und sehr kri­tik­fähig sein“, sagte Reker. „Wichtig auch: Man muss die Stadt zusam­men­halten. Wir haben hier 180 Nationen, 130 Reli­gi­ons­ge­mein­schaften. Alle mit einem großen Selbst­be­wusstsein und mit einer eigenen Aus­strahlung, natürlich.“

Das erinnert irgendwie an dern Aus­spruch des welt­be­kannten und respek­tierten Jour­na­listen Peter Scholl Latour: „Wer halb Kal­kutta zu sich holt, hilft nicht Kal­kutta, sondern wird selbst Kalkutta“.

Frau Reker hat nicht über­trieben, Köln verwahrlost …

… und das ist noch vor­sichtig aus­ge­drückt. Herr Schuch, der Leiter einer Kölner Bür­ger­initiative, erzählt im Focus aus dem Näh­kästchen: Die Geschäfts­leute haben fast alle Über­wa­chungs­ka­meras. Darauf ist zu sehen, wie die Junkies sich spät­abends in den Laden­ein­gängen ver­sammeln. Sie richten sich da sehr gemütlich ein: Sie legen Matratzen und Decken aus, machen es sich darauf gemütlich, spritzen Heroin, rauchen Crack und auf der Straße prügeln sich die Dealer-Banden. Viele normale Bürger meiden abends die Laden­straßen in der Innen­stadt, zumal die Hin­ter­las­sen­schaften dieser „Stadt­be­wohner“ auch kein roman­ti­sches Ambiente verbreiten.

Die Laden­be­sitzer am Neu­markt wollen auf die Zustände auf­merksam machen. Da sind sie nicht allein, die anderen Groß­städte haben mehr oder weniger die­selben Pro­bleme in ihren Zentren. In Köln ver­sucht die Initiative „Zukunft Neu­markt, in der die Laden­be­sitzer, Gewer­be­trei­benden und die Anwohner Kon­zepte zu erar­beiten, um die Dro­gen­pro­bleme und die Kri­mi­na­lität unter Kon­trolle zu bringen.

Auch Ober­bür­ger­meister Hen­riette Reker ist sich dessen sehr bewusst und sprach mit einer der beiden großen Kölner Zei­tungen sehr offen: „Ja, ich sehe eine zuneh­mende Ver­wahr­losung der Stadt. Und die Mittel, dieser Ver­wahr­losung zu begegnen, sind sehr restriktiv. Einige Städte ver­treiben die Obdach­losen und Dro­gen­ab­hän­gigen aus der Stadt­mitte. Dafür gibt es in Köln keine Mehrheit.“

Doch die Lage ist noch schlimmer:

Bür­ger­initia­tiven-Aktivist Schuch erzählt dem Focus offen­herzig, was er ständig erleben muss: „Die Misere, die wir haben, sind nicht die nor­malen Dro­gen­ab­hän­gigen“, sagt Schuch. „Es sind die auf­fäl­ligen Kon­su­menten, solche, die in der Regel auch noch alko­hol­ab­hängig und obdachlos sind.“

Sein Sani­tätshaus liegt genau neben der Sub­sti­tu­ti­ons­am­bulanz am Neu­markt. Gegenüber befindet sich ein Dro­gen­kon­sumraum. Er beob­achtet immer wieder, wie die „Auf­fäl­ligen“ auf offener Straße Crack kon­su­mieren, „20 bis 30 Mal pro Tag“. Davor betteln sie, um das Geld für ihre Drogen zusam­men­zu­be­kommen, erzählt Schuch. „Die Lage ist eigentlich noch schlimmer, als Reker es sagt.“

Und weiter berichtet der Focus: „Paulo Santo, der seit mehr als 20 Jahren einen Kiosk am Platz zum U‑Bahn-Abgang betreibt, beschreibt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ähn­liche Zustände. Er sagte dem Blatt, am Neu­markt würden sich rund hundert Schwerst­ab­hängige her­um­treiben. „Die Stadt eröffnet hier einen Dro­gen­kon­sumraum, kümmert sich aber anschließend um gar nichts“, so Santo. Das würde letztlich nur noch mehr Abhängige anziehen. Manche von ihnen würden den Neu­markt gar nicht mehr ver­lassen. „Die leben hier“, sagte der Kiosk-Betreiber dem „Stadt-Anzeiger“. Er berichtet auch, dass Pas­santen teil­weise sehr aggressiv ange­bettelt werden. Überall, vor allem nachts, seien Dro­gen­ab­hängige zu sehen, die in Haus­ein­gängen und auf Vor­sprüngen lägen, „manche davon hochaggressiv“.

Diese Zustände wirken sich aber auch auf andere Weise desaströs aus. Es gibt dort Haus­ei­gen­tümer, die ihre Immo­bilie nur noch unter rui­nösen Ver­lusten ver­kaufen könnten, kein Wunder bei der Lage. Dafür gibt es keine Nachfrage.

Das alles ist bekannt und eine unhaltbare Kata­strophe, aber wie man sie berei­nigen könnte, dafür gibt es kein Patent­rezept – und vor allem kein Geld. Das Thema bewegt die Kölner schon lange und sie sind nicht zufrieden mit den Zuständen. In den Leser­briefen an den Kölner Stadt­an­zeiger lassen sie ihren Unmut über ihre Ober­bür­ger­meis­terin heraus, sehen aber auch, dass es nicht nur Frau Rekers Scheitern ist.

Doch Frau Reker mache es sich zu leicht, die Ver­wahr­losung zu bemängeln und den Bettel hinzuschmeißen:

„Ich kann mich nur wundern über unsere noch amtie­rende Ober­bür­ger­meis­terin: Sie ist nun fast zehn Jahre im Amt und hat beob­achtet, dass die Stadt mehr und mehr ver­wahrlost und ver­dreckt. Was kann man oder frau dagegen tun? Offen­sichtlich nichts – jeden­falls, wenn man Ober­bür­ger­meis­terin dieser Stadt ist.“

Man wirft ihr vor, sie sei nun immerhin „lange genug Chefin der Stadt­ver­waltung, und wenn Chefs nicht die Ver­ant­wortung haben, wer dann? Zum anderen hat sie im Stadtrat zwar nur eine Stimme, hätte sich hier aber um Mehr­heiten für geeignete Maß­nahmen kümmern können. Ich habe Demo­kratie immer so ver­standen, dass es hier um Kom­pro­misse und das Orga­ni­sieren von Mehr­heiten geht.“

„Frau Reker posi­tio­niert sich wie eine machtlose Oppo­si­ti­ons­po­li­ti­kerin, die auf Miss­stände hin­weist, ohne daran etwas ändern zu können. Das hat sie auch schon im letzten Kom­mu­nal­wahl­kampf getan, leider mit Erfolg. Ich hoffe nach der nächsten Wahl auf eine oder einen OB, die oder der Dinge anpackt und vor­an­bringt. Köln hat es bitter nötig.“

Ein Herr Steafan Lat­termann aus Köln sieht aber auch eine nicht geringe Mit­schuld der Ver­waltung: „Die seitens der Ober­bür­ger­meis­terin völlig zu Recht bemerkte Ver­wahr­losung ist auch das Ergebnis einer völlig dys­funk­tio­nalen und unin­ter­es­sierten Ver­waltung, die sich haupt­sächlich um schwarz-grüne Lieb­lings­pro­jekte und Stadt­teile – Innen­stadt, Nippes, Ehrenfeld, Lin­denthal, Hahnwald – kümmert.
Die Ordnungs‑, Verkehrs‑, Sauberkeits‑, Schul- und sons­tigen Ver­hält­nisse im noto­risch ver­nach­läs­sigten Rechts­rhei­ni­schen, von Mülheim bis Porz, werden dem­ge­genüber mit erschre­ckender Gleich­gül­tigkeit und Ignoranz völlig igno­riert. Die Ver­wahr­losung wird hier in jeder Hin­sicht besonders deutlich, ohne dass die zustän­digen Ver­ant­wort­lichen in den bequemen Amts­stübchen besonders tan­giert scheinen.
Die Ordnungs‑, Verkehrs‑, Sauberkeits‑, Schul- und sons­tigen Ver­hält­nisse im noto­risch ver­nach­läs­sigten Rechts­rhei­ni­schen, von Mülheim bis Porz, werden dem­ge­genüber mit erschre­ckender Gleich­gül­tigkeit und Ignoranz völlig igno­riert. Die Ver­wahr­losung wird hier in jeder Hin­sicht besonders deutlich, ohne dass die zustän­digen Ver­ant­wort­lichen in den bequemen Amts­stübchen besonders tan­giert scheinen.
Der schmut­zigste und ver­kom­menste Ort in Mülheim, mit ent­setz­lichen, rat­ten­ver­seuchten Drecks­ecken, ist seit Jahren das Stadthaus! Scheinbar arbeitet es sich in einer solchen Umgebung besonders angenehm, ohne dass Ände­rungen erfor­derlich wären. Die Anwohner bedanken sich für diese Haltung herzlich. Schließlich ist Kölle doch esu jemötlich!

Sabine Schulze schreibt an den Kölner Stadtanzeiger:

„… Ich selbst fahre nur noch wenig mit dem Auto, erledige das meiste mit dem Rad, zu Fuß oder mit Bus oder Bahn. An Bahn­steigen, Bus­hal­te­stellen und den Wegen dorthin sieht es häufig fürch­terlich aus. Ebenso neben Super­märkten, Bau­märkten, Straßen mit Grün­streifen und Sträu­chern. Hun­dekot, gefüllte Hun­de­kot­beutel, leere Chips­tüten, Trink­becher, Ziga­ret­ten­kippen und ‑schachteln, Essens­reste, ver­schie­denste Umver­pa­ckungen liegen herum.
Da, wo Fla­schen- und Alt­klei­der­sam­mel­be­hälter stehen, türmt sich Hausrat der ver­schie­densten Art. Was an Straßen oder Zuwegen vor Schulen alles her­um­liegt und fliegt, davon will ich gar nicht erst reden. Bei­spiele sind die Gesamt­schule Fin­kenberg und die S‑Bahn- und Regio­nalbahn-Hal­te­stelle Porz.“

Lisa Höl­scher wirft den Ball zurück an Frau Reker:
„Wenn das Ober­haupt der Stadt Köln so wenig Ein­fluss auf das Stadt­ge­schehen hat, dann können wir uns diesen kost­spie­ligen Job eigentlich sparen! Das war ein Eigentor, Frau Reker.“

Walter Neis meint:
„Die Aus­sagen von Hen­riette Reker wirken leider hilflos und wie ein Offen­ba­rungseid. Das kann so nicht bleiben, und es kann auch nicht sein, dass gesetz­liche Spiel­räume nicht stärker genutzt werden, um Schutz­räume zu schaffen, die dro­genfrei bleiben.
Warum ist es nicht möglich, die KVB für die Pflege ihrer Hal­te­stellen stärker in Ver­ant­wortung zu nehmen? Warum muss ein Dro­gen­nut­zungsraum mitten in der Innen­stadt liegen? Es ist nur logisch, dass dies einen Anzie­hungs­effekt hat. Was ist gegen restriktive Maß­nahmen zu sagen? Es ist nicht hin­nehmbar, dass Kinder, Senioren und Durch­rei­sende per­manent mit dem Elend kon­fron­tiert werden, das immer stärker wird. Haben sie keine Rechte im öffent­lichen Raum, der für sie immer schwie­riger zu nutzen ist?
An den Hal­te­stellen des Neu­markts kann man sich nicht mehr hin­setzen, da diese mit Dro­gen­ab­hän­gigen belegt sind. Wie wäre es mit einem schlichten Alkohol- und Dro­gen­verbot im öffent­lichen Raum in der Innen­stadt? Was kann daran ver­kehrt sein? Dras­tische Strafen bei Ver­schmutzung und Ver­müllung. kon­se­quentes Kär­chern, mit Spül­mitteln, die Gerüche ver­treiben. Und vor allem: es gibt auf der Welt gute Kon­zepte! Bitte in andere Städte reisen und davon Anre­gungen mit­nehmen! Köln muss die Welt auch nicht neu erfinden.“

Klaus Sch­ampel hat auch genug von Frau Reker :

„Köln ver­wahrlost zunehmend. Das ist keine Frage. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ hat über die Jahre unzählige Artikel dazu geschrieben und etwa Frau Schock-Werner über die unsäg­lichen Zustände berichten lassen. Die Stunk­sitzung hat es in diesem Jahr auf den Punkt gebracht: Das Amt des Gleich­gül­tig­keits­be­auf­tragten ist das einzige Amt in dieser dys­funk­tio­nalen Ver­waltung, das funk­tio­niert, weil es doch alles „ejahl“ ist. Frau Reker als oberste Lei­terin dieser Ver­waltung hat in zehn Jahren mit kom­pletter Inkom­petenz und Füh­rungs­lo­sigkeit geglänzt.“

Kurt Ter­horst:
Wie ein roter Faden zieht sich diese Sicht­weise von Frau Reker durch ihre gesamte Amtszeit: Sie ist nur für die gute Arbeit ver­ant­wortlich. Die beklagte Ver­wahr­losung der Stadt haben andere zu ver­ant­worten. Die Zustände der KVB darf sie nicht bemängeln. Die Oper läuft weiter kos­ten­mäßig aus dem Ruder. Ich bin froh, dass Frau Reker uns eine dritte Amtszeit erspart.“