Er ist einer der wenigen, die den brutalen Zweiten Weltkrieg und das Rheinwiesenlager überlebt hat, und wahrscheinlich der Letzte, der noch lebt. Er ist das Gedächtnis der Stadt Strausberg und ein lebendiges Geschichtsbuch: Kurt Schornheim. Der unerschrockene Filmemacher und Berichterstatter, das „Enfant terrible“ unter den deutschen Auslandsreportern, Billy Six, ist weltweit bekannt geworden, weil er 119 Tage in venezolanischer Haft war. Und nun hat er einen Film über den alten Herrn gemacht, der in seiner Heimatstadt Strausberg hoch geachtet und geehrt wird.
Um zuerst die Causa Billy Six noch einmal ins Gedächtnis zu rufen. Auf einer Recherchereise in Venezuela war er in das Fadenkreuz der Regierung geraten. Am 17. November 2018 verhafteten Soldaten den deutschen Reporter Billy Six und brachten ihn in das Gefängnis „El Helicoide“ in Caracas, die Haftanstalt des Geheimdienstes “Servicio Bolivariano de Inteligencia Nacional” (SEBIN). Billy Six war dort an Dengue-Fieber erkrankt.
Die venezolanische Behörde warf ihm „Spionage“ und „Eindringen in die Sicherheitszone“ bei einer Kundgebung mit dem diktatorisch regierenden Präsidenten Nicolás Maduro vor. Er war nicht der einzige Journalist, der in Venezuela verhaftet wurde, doch alle anderen wurden von ihren Regierungen mit vollem Einsatz wieder in die Freiheit und nach Hause geholt. Billy Six nicht. Das Auswärtige Amt hatte zu keinem Zeitpunkt die Freilassung des freien Journalisten Billy Six gefordert, weil er „Rechts“ sei. Der Deutsche Journalistenverband tat ebenfalls nichts für ihn unter dem Vorwand, er sei ja kein Mitglied im DJV – was für den Verband aber im Falle des festgesetzten, linken Journalisten Deniz Yücel kein Hindernis war. An dieser Stelle muss gesagt werden, dass der linke Deniz Yücel, anders als seine Kollegen, sich für die Freilassung von Billy Six einsetzte. Respekt. Das ist Anstand und Ehrenhaftigkeit. „Die Freiheit des Wortes gilt oder gilt nicht. Sie ist unteilbar“, twitterte Yücel.
Ebenfalls setzte sich die AfD-Fraktion für ihn ein und da besonders Petr Bystron und Russland. Hier das Video :
Billy Six interviewt den 101-jährigen Zeitzeugen Kurt Schornheim
Billy Six hat eine unglaublich Fleißarbeit hingelegt und sechs Stunden Filmmaterial gedreht. Das ist eine historisch wertvolle Leistung, sowohl von dem alten Herrn, der erstaunlicherweise noch völlig fit an Geist und – für einen über Hundertjährigen – auch körperlich ist. Er könnte der letzte noch lebende Augenzeuge sein, der den Krieg als Soldat und dann einige der berüchtigten Rheinwiesenlager überlebt hat. Dieses Lager auch nur zu erwähnen, wird schon als „rechts“ angesehen. Gleichgültig, dass diese Lager eklatant gegen Kriegs‑, Menschen‑, und Völkerrecht verstoßen haben.
Hier eine kurze Zusammenfassung im Filmtraier:
Der unerschrockene Vollblutreporter Billy Six scheut sich nicht, dieses heiße Einsen anzufassen. Er sagt über Seine Doku mit dem Zeitzeugen Kurt Schornheim:
„Das war mein Interview des Jahres 2024: Ein Augenzeuge, von denen es wohl kaum noch jemanden gibt — geboren 1924, Zeitzeuge der gesamten Hitler-Zeit, Weltkriegsteilnehmer, Gefangener der berüchtigten US-Gefangenenlager. Ausfindig gemacht nur durch einen besonderen Such-Auftrag. Der Brandenburger Kurt Schornsheim, der sich gerade auf seinen 101. Geburtstag Ende Januar vorbereitet, ist körperlich und geistig so voll auf der Höhe wie ich es noch nie bei einem Menschen fortgeschrittenen Alters gesehen habe … er macht noch immer kilometerlange Fahrrad-Touren, geht schwimmen, spielt Klavier, nutzt das Internetz, schreibt Aufsätze zur Geschichte. Und: In elf Treffen hat er mir (auch vor der Kamera) über Stunden Rede und Antwort gestanden — zu über 100 Jahren brisanter deutscher Entwicklung, die er selbst erlebte … und heute die Nachgeborenen davor warnt, sich ja nicht in einen neuen Krieg verwickeln zu lassen. Der alte, weise Mann, der früher als Musikwissenschaftler und Übersetzer tätig war, weiß um Zusammenhänge, die Politiker, Medien und Historiker heute gern verschweigen wollen. So hätten die Amerikaner damals etwa selbst schriftlich darüber informiert, nicht als Befreier gekommen zu sein, sondern, um „ein Feindesland zu besetzen“. Und: Die Horror-Lager überlebte er nur knapp — siehe 02:12:15 (im Film unten) — „und dann starben ja um mich die Kameraden wie die Fliegen“. Doch Schornsheim stellt unter Beweis, dass ein furchtbares Lebenstrauma keinesfalls zu psychischer Gebrochenheit und lebenslanger Schwäche führen muss. Die früheren Generationen wussten mit Schicksalsschlägen offenbar noch viel besser umzugehen als unsere heutigen verweichlichten Bundes-Bürger.
Hier der Film, der über 5 Stunden lang ist:
Wer nur bestimmte Themen sehen will, hier sind die Timecodes:
ZEIT-STEMPEL:
00:00:00 : Einleitung
00:02:45 : Wie war es vor 100 Jahren? Wie wird man so alt?
00:14:13 : „Weimarer Republik“ und 1920er-Jahre
00:19:16 : Erster Weltkrieg, 1914–1918
00:28:53 : Hitlers Machtergreifung, 1933
00:35:35 : „Alles für Deutschland“, damals/heute
00:40:28 : Juden im Dritten Reich, 1933–1945
01:01:50 : Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, 1939
01:05:59 : Adolf Hitler, 1933–1945
01:07:42 : Krieg gegen Sowjetunion & USA, 1941–1945
01:09:27 : Kriegsschuld-Frage
01:10:26 : Erfahrung als Soldat, 1942–1945
01:17:44 : Marine-Einsatz, 1942–1944
01:23:50 : Lettland/Sowjetunion, 1942
01:31:31 : Bomben-Krieg gegen Deutschland, 1939–1945
01:35:59 : Deutschlands Niederlage, 1945
01:46:52 : Fahnen-Flucht, 1945
01:51:44 : Der Krieg, 1939–1945
01:56:31 : Gefangennahme, 1945
02:00:46 : Rheinwiesen-Lager, 1945
02:39:39 : (Ex-)Rheinwiesenlager, Exkursion 2024
03:11:24 : Foucarville, US-Lager in Frankreich, 1945/46
03:14:07 : Holocaust, 1941–1945
03:23:52 : KZ Sachsenhausen, 1933–1950
03:50:29 : Freilassung & Heimkehr, 1946
04:02:12 : Gründung der DDR, 1949
04:13:14 : Transformation, 1945–1950
04:21:12 : Aufstand in der DDR, 1953
04:37:05 : Mauerbau, 1961
04:50:09 : Berufswandel, 1960er-1980er
04:54:02 : Untergang der DDR, 1989/90
05:15:02 : Resümee: Deutschland im Wandel, 1924/2024
05:24:00 : Schwimmen im Straussee, Sommer 2024
05:24:56 : Corona, 2020–2022
05:41:25 : Klavier-Stück für Deutschland, 2024
05:43:07 : Unterstützung
Hier geht es, um das gleich klar zusagen, nicht um einen Hetzfilm gegen die USA. Auch nicht um eine Glorifizierung der Zeit des Dritten Reiches oder gar Hitlers. Hier geht es um die Greuel des Krieges, egal wer von welcher Seite und was geschehen ist.
Die Sieger, egal welcher Nation und welcher Hautfarbe, glorifizieren immer ihren Sieg und deuten ihre Taten im Nachhinein um. Die Verlierer werden zu Bestien gemacht. Wer es wagt. die Wahrheit und die Greueltaten der Sieger aufzudecken, wird zum Schurken erklärt. Das war schon immer so. Damals, – siehe 02:12:15 – hat die US-Armee sogar schriftlich kundgetan, nicht als Befreier, sondern als Besatzer in Feindesland gekommen zu sein.
Niemals vergessen, was Krieg bedeutet! Die heutige Generation hat keine Ahnung!
Anmerkung: Dass man die gefangenen, deutschen Männer in den meisten Rheinwiesenlagern bewusst hat leiden lassen, weiß ich persönlich von einer alten Dame, die mir vor zirka dreißig Jahren erzählte, dass sie einen Verwandten in einem Rheinwiesenlager als Gefangenen hatte. Dessen Frau, ihre Schwester, fuhr dorthin und wollte Brot und ein paar Decken zu ihm und seinen Kameraden bringen. Das war streng verboten und die Anwohner warnten sie sogar dringend davor, mit den Hilfsgütern an den Zaun zu gehen und und sie darüber zu werfen, man könne dabei erschossen werden.
Ich selbst bin in der Stadt Düren in der Voreifel aufgewachsen. Diese Stadt ist zu über 90 Prozent zerstört worden. Zum Ende des Krieges hin in einem Overkill-Bombenhagel und Riesenfeuer, das man auch nicht in den Kellern überleben konnte. Noch in meiner Kinderzeit gab es Ruinen-Grundstücke, überwucherte Trümmergrundstücke, die seit dieser Bombennacht nicht angefasst worden waren. Wir Kinder mieden diese Plätze, denn wir wussten, dass da bisweilen noch Kellerdecken einstürzten und manchmal sogar fast verweste, verkohlte, halb mumifizierte Skelette an Tageslicht kamen. Das war Anfang der sechziger Jahre. Die Stadt ging schon lange zur Tagesordnung über und diese Trümmergrundstücke wurden eben für neuen Wohnraum gebraucht und daher neu „erschlossen“. Oft gab es niemanden mehr, der ein Eigentumsrecht an dem Grundstück hatte, weil so viele gestorben waren.
Dass nach den Bombenangriffen die Toten herausgeholt wurden und sehr klein geschrumpft waren, das wussten wir Kinder aus den Erzählungen auch. Meine Mutter war als Kind bei einem Bombenangriff verschüttet worden. Sie ist heute 93 und kann es bis heute nicht in Räumen mit geschlossenen Türen aushalten. Auch meine Oma ist mit diesem Trauma nie wirklich zurechtgekommen.
Ich selbst hatte von Kindesbeinen an immer das Gefühl, dass der Krieg immer noch präsent ist. Er lag damals wie eine bleierne Decke auf der Stadt. Die Wunden waren überall zu sehen und die Erwachsenen und Alten für immer davon traumatisiert, wir Kinder teilweise indirekt auch noch. Vor dem Rathaus Dürens steht ein Denkmal an die Feuernacht: der niederfahrende „Flammenengel“, der an den schwersten Luftangriff auf Düren, am 16. November 1944 erinnert. Die Marienkirche, von der nur noch der Stumpf des Kirchturmes übrigblieb, trägt die Inschrift – ich kann sie heute noch auswendig:
„Zeuge von grausamer Not
von Ersticken und Brennen und bitterem Tod
Turm Trage Mariens Geläut
im Frieden der Tage Morgen und Heut!“
Gerade heute, wo man schon wieder so tut, als sei es im Grunde normal, sich mit Waffen und Raketen in einen Konflikt einzumischen, der zu einem Massensterben an der Front und in den Städten führt, ist es das große Anliegen von Kurt Schornheim und Billy Six, zu mahnen, was wir uns doch einmal alle auf die Fahne geschrieben und uns geschworen haben: „NIE WIEDER KRIEG!“
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