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Mit Krebs allein­ge­lassen – Erfah­rungs­be­richt zur Gesund­heits­ver­sorgung in Deutschland…

Wenn man den fol­genden Bericht eines Lesers von Sci­ence­Files, in dem er seinen Lei­densweg schildert, gelesen hat, dann bleibt man wie betäubt zurück, ange­sichts des kaf­ka­esken Cha­rakters der Erfah­rungen unseres Lesers.

Er ist unheilbar an Krebs erkrankt und lebt alleine. Niemand nimmt sich die Zeit, die not­wendige Auf­klärung, über Vor-/Nach­teile, Risiken und Nutzen, Gefahren und Chancen wie sie z.B. mit einer Che­mo­the­rapie ver­bunden sind, durch­zu­führen. Der Bericht ver­mittelt dem Leser den Ein­druck, jemand fällt einen Gesund­heits­SYSTEM mit mini­malem mensch­lichen Anteil zum Opfer und wird in diesem SYSTEM behandelt, behandelt wie jemand, dem gegenüber man kei­nerlei Rechen­schaft über die Behandlung ablegen muss, er ist Teil einer Maschine, die ihn auf­nimmt, durch­knetet und in dem einen oder anderen Zustand wieder auswirft.

Der Erfah­rungs­be­richt zeigt das, was sich täglich im Gesund­heits­system und jen­seits der wohl­klin­genden Worte, die die­je­nigen ver­wenden, die über das SYSTEM sprechen, nicht aus ihm berichten, ereignet.

Er ist ernüch­ternd und bewegend zugleich:


„Das tiefe Loch Krebs, und wie ich damit umgehe.
Warum ich eine weitere Che­mo­the­rapie abge­lehnt habe.

Vor­ge­schichte

Mein Leben war selten langweilig.
In bin 1960 geboren. Meine Mutter ist abge­hauen, als ich 2 war. Mein Vater hat mich raus­ge­schmissen und bei der Oma abge­geben, als ich 6 war. Ein Junge im ein­stel­ligen Alter sieht bei anderen Familie. Ich hatte keine, und ich habe mich selbst dafür ver­ant­wortlich gemacht. Die Folge: Aggression, Auf­lehnung. Bezugs­per­sonen waren nicht vorhanden.

Damit haben mir meine Eltern meine Kindheit, Jugend und den Start ins Leben gestohlen. […] Dann kam der Alkohol. Ich bin 1985 davon auf­ge­wacht. Habe ALLES in Frage gestellt: 3 Monate kalter Entzug; Ernährung geändert; Sport. Nach 2 Jahren war ich bereit, ein nor­males Leben zu führen.

Das fing als Gar­di­nen­ver­käufer in einem Möbel­markt an. Danach als Fach­ver­käufer in einem Waf­fen­ge­schäft. Nach einem Jahr war ich Fachmann für Kurz­waffen, Messer und dem Umgang damit, Selbst­ver­tei­di­gungs-Artikel. Es folgten 17 Jahre bei einer pri­vaten Sicher­heits­firma. Ins­gesamt war ich mehr als 20 Jahre Tür­steher, Berufs­waf­fen­träger, Schieß­aus­bilder, habe diverse Groß­ver­an­stal­tungen geleitet. Und ich habe die „andere Seite“ ken­nen­ge­lernt: 2 Jahre als Ein­satz­leiter für eine Sicher­heits­be­hörde; 5 Jahre als Dienst­hun­de­führer im Frank­furter Bahn­hofs­viertel. Zudem: Aus­bilder für Selbst­ver­tei­digung und Dienst­hun­de­führer, IHK-Prüfer, Dozent.

Seit 1985 hat sich mein Gewicht von ca. 72 kg nicht mehr geändert: Ich treibe jeden Morgen 45 Minuten Sport, trai­niere meine Schnell­kraft und Beweglichkeit.

2003 hat meine Gesundheit zu spinnen angefangen:

  • 2003 ent­wi­ckelte sich ein heißer Knoten an der linken Schild­drüse, der ope­rativ ent­fernt werden musste;
  • 2007 erlitt ich durch einen Unfall mit einem Leihhund einen Bandscheibenvorfall;
  • 2009/2010 folgte eine Hals­wir­bel­säu­len­ver­steifung, C3/4/5/6, cer­vikale Mye­lo­pathie (Rücken­marks­schä­digung), und eine maximale Fora­mens­tenose C5 rechts.
    2 Jahre Arzt­ma­rathon prägen die Jahre von 2007 bis 2009, Jahre, in denen ich als Simulant bezeichnet, aber nicht behandelt wurde. Als Folge ist mein Rückenmark geschädigt und damit ver­binden sich zum Teil irre Schmerzen, eine gestörte Fein­mo­torik, das Schmerz­emp­finden in der rechten Hand wird immer geringer. Ich habe Ner­ven­ir­ri­ta­tionen, die zu rei­ßenden Schmerzen in den Beinen führen. Das Metall im Genick ver­ur­sachte eine extreme Käl­te­emp­find­lichkeit wegen seiner Nähe zum geschä­digten Rückenmark. Meine Kör­per­hälften ver­sorgen mich mit unter­schied­lichem Schmerzempfinden.
  • 2015 erlitt ich dann eine Lun­gen­em­bolie (rechts),
  • 2021 eine beid­seitige Lun­gen­em­bolie und eine schwere Lungenentzündung.

Beide Lun­gen­em­bolien haben sich beim Hin­legen bemerkbar gemacht. Atmen im Liegen war unmöglich, Auf­richten war durch irre Schmerzen an den unteren Rip­pen­bögen unmöglich. Beim ersten Mal habe ich beide Beine ange­zogen und mich mit Schwung auf­ge­richtet, beim Nachbar geklingelt. Notarzt. Beim zweiten Mal konnte ich meine Beine nicht mehr anziehen. Ich bin zur Seite gerollt, habe die Beine aus dem Bett gehalten, mit Kraft zum Boden bewegt und dabei auf­ge­richtet: Beim Nachbarn geklingelt.

Als Folge leide ich bis heute unter Ersti­ckungs­an­fällen, Pro­bleme, die ich mit Sport zu mindern versuche.
Im Spät­sommer 2024 fing es mit Kraft­lo­sigkeit an. Erst 1 Tag, dann 2 Tage, zuletzt 3 Tage in Folge konnte ich nicht auf­stehen. Ich hatte weder Hunger noch Durst. Ich verlor Gewicht: von 73 kg auf 62kg. Die Schmerzen wei­teten sich aus, vom Genick in den ganzen Brustbereich.

Es folgten 5 Wochen im Krankenhaus:
Im Oktober 2024 bin ich anscheinend umge­kippt. Als ich wieder bewusst wurde, fand ich mich im Kran­kenhaus in einem Kran­ken­haushemd wieder. Ich war voll­kommen weg­ge­treten – aber weshalb? Was war passiert?

„Sie sind umge­kippt und haben den Notarzt angerufen.“
„Wo sind meine Sachen: Kleidung, Arm­banduhr, Schlüs­selbund, Brille?“
„Sie hatten Nichts“.

Ich habe erstmal den Mund gehalten. Ich laufe also zuhause und draußen bei ca. 5° Celsius im Kran­ken­haushemd herum?

Ich lag in einem Ein­zel­zimmer: kein Telefon, kein Fern­seher, keine Zeitung, iso­liert von der Außenwelt. Jeden Tag wurde mir 2–3‑mal etwas in den Körper gepumpt. Dazu jeden Tag etwa 15 ver­schiedene Tabletten. Denken fällt schwer, wenn sich alles anfühlt, als hätte man eine Flasche Vodka geleert. Ein Pfleger hat sich manchmal mit mir unter­halten. Er sagte mir, dass ich Blut­krebs habe.

Etwa 2 Wochen später an meinem 64. Geburtstag kam ein Arzt und sagte, dass ich Blut­krebs habe. Ein sehr nettes Geschenk. Dann kam noch eine Ver­stopfung dazu. Es hat 4 Tage gedauert, bis das repa­riert wurde. Sehr schmerzhaft. Brauche ich nicht nochmal.

3 Mal wurde ich im Roll­stuhl in andere Abtei­lungen gebracht.
Einmal im Kran­ken­haushemd über die Straße geschoben. Bei 5° Celsius mit Metall im Hals, sehr schmerzhaft. Die Fach­kraft nahm den Stra­ßenrand mit vielen Löchern. Wahr­scheinlich wurden mir dabei 2 Rippen durch die Erschüt­terung gebrochen. Ange­kommen bin ich stark unter­kühlt, wie es im Arzt­brief heißt.

Etwa eine Woche später wurde ich wieder im Roll­stuhl abgeholt. Dieses Mal zu einem RTW gebracht. Die Fach­kraft stellt mich am rechten Hin­terrad ab, ver­sucht die Tür zu öffnen, steigt ins Auto und ver­sucht den Motor zu starten, das Auto springt nach vorne, weil die Vor­der­räder nach rechts ein­ge­schlagen waren, nach rechts. Und ich sitze am rechten Hin­terrad im Roll­stuhl. Die Fach­kraft fährt zu einem anderen Gebäude, bringt mich ins Gebäude. Dort weiß er nicht wohin. Er schiebt mich hin und her. Stellt meinen Roll­stuhl im offenen Ein­gangs­be­reich ab. Tele­fo­niert mit dem Handy privat. Geht im Gebäude herum. Sieht mich also nicht mehr. Nach langer Zeit ca. 30 Minuten will er her­aus­ge­funden haben, wo er mich hin­bringen soll.
[…]
Ich war bis Ende November, ins­gesamt 5 Wochen im Kran­kenhaus. Nie­mandem ist auf­ge­fallen, dass ich weg war. Da ich Monate vorher schon kaputt war. 5 Wochen allein, keine Infor­ma­tionen was pas­siert ist in der Welt. Gespräche? Bis auf einen Pfleger, der mich auch mit Essen ver­sorgt hat, hatten sie alle keine Zeit oder keine Lust.

Ich wurde einer Che­mo­the­rapie unter­zogen, ohne dass ich darüber infor­miert worden wäre. Die Folge waren Herz­rhyth­mus­stö­rungen, Ver­stopfung, Ersti­ckungs­an­fälle und irre Schmerzen. Dass eine Che­mo­the­rapie durch­ge­führt wurde, habe ich mir anhand der Medi­ka­men­ten­liste bei Ent­lassung, durch den Arzt­brief und mit der Medi­ka­men­ten­liste zusammengereimt.

Ent­lassen wurde ich am 26. November 2024. Meine per­sön­lichen Sachen habe ich nicht bekommen. Sie seien in meiner Wohnung. Ich wurde im Roll­stuhl und RTW nach Hause gefahren. Da keine Schlüssel mehr vor­handen waren, musste die Tür zu meiner Wohnung geöffnet werden. In der Wohnung waren alle Heiz­körper und die elek­trische Zusatz­heizung ein­ge­schaltet, ein Fenster war gekippt. Ich ver­lasse niemals meine Wohnung, ohne die Heizung abzu­drehen. Mein Strom­ab­schlag hat sich dadurch ver­drei­facht. In der Wohnung waren meine Sachen nicht zu finden.
[…]
Bei Ankunft in meiner Wohnung war mein Gewicht unter 50 kg. Laufen, stehen, auf­stehen, hin­legen, alles viel mir sehr schwer. Der Kühl­schrank war leer. Ich habe einen meiner Chefs ange­rufen und ihn um Hilfe gebeten. Er war am nächsten Tag bei mir. Ich erzählte, was pas­siert ist, zeigte ihm die Ruine, in der ich ver­suchte, zu exis­tieren. Ich habe selten einen geschock­teren Gesichts­aus­druck gesehen.
Den ganzen Dezember über habe ich ver­sucht, den Arzt­brief zu ver­stehen. PC-Nutzung war mangels klaren Kopfs sehr schwierig. Es hat bis Mitte Dezember gedauert, bis ich die Kraft hatte, mit meinem Chef zum Hausarzt zu gehen.

Die Ärztin: „Ich habe wenig Zeit.“
„Ich brauche Rezepte“.
„Ja, Sie müssen diese Medi­ka­mente dringend nehmen“.
„Wie sollte ich an die Rezepte kommen, sehen Sie mich an.”

Mir wurde durch das Amts­ge­richt ein Betreuer zuge­wiesen. Der Betreuer war Mitte Dezember bei mir, um sich vor­zu­stellen. Laut Gericht sollte er sich um meine Gesund­heits­ver­sorgung und Kran­ken­kas­sen­sachen kümmern bzw. dabei helfen. Ende Dezember kam ein Brief des Amts­ge­richts, in dem mir mit­ge­teilt wurde, dass der Betreuer noch Zugriff auf Finanzen, Post, Behör­den­umgang bean­tragt habe. Ein Mit­ar­beiter des Sozi­al­dienstes der Stadt hat das befürwortet.
Aber: Mich hat diese Gestalt nie gesehen.
Zwi­schen­zeitlich habe ich erfahren, dass meine Ent­mün­digung erst einmal vom Tisch ist.

Was ich nach der Zombie-fizierung durch 5 Wochen Kran­kenhaus gemacht habe:

Den ganzen Dezember musste ich ständig essen, um nicht zu ver­hungern. Bewe­gungen konnte ich nur sehr langsam und vor­sichtig aus­führen. Mitte Januar stand ich dann vor er Frage, ob ich weiter als Zombie dahin­ve­ge­tiere oder dafür sorge, dass mehr Kraft und Denk­ver­mögen zurückkommt.
Ich habe mich für Letz­teres entschieden.
Mit einem festen Pro­gramm: morgens nach dem Auf­stehen, Übungen. Das erste Mal drei Lie­ge­stützen, bei der 4. hingefallen.

Mein Gedanke hinter Muskelaufbau

Die vom Kno­chen­marks­krebs zer­fres­senen Knochen, die sich durch die vom Krebs ver­ur­sachte Steolyse auf­lösen, zu Glas­knochen werden, zu stabilisieren.
Seit Anfang April bin ich bei 25 Lie­ge­stützen und 20 Knie­beugen ange­kommen. Dazu trai­niere ich meine Beweglichkeit.

Ich ver­suche damit auch, den angeblich unver­meid­lichen Roll­stuhl am Horizont in die Ferne zu schieben.
Ein wei­teres Ziel: Min­destens 70 Kilo­gramm Gewicht erreichen. Es gibt viele Studien, die eine richtige Ernährung für Krebs unter­sucht haben. Ich habe mich ent­schlossen, das zu essen worauf ich Lust habe, und das, was mir schmeckt. Das bewirkt eine Sti­mu­lation der Glücks­ge­fühle, löst ein Grinsen aus. Wenn jeder Biss eine Explosion der Geschmacks­nerven auslöst.

Nach zwei fehl­ge­schla­genen Anmel­dungen zur neu­er­lichen Che­mo­the­rapie, war die dritte erfolg­reich. Am 1. April(!). Was ich dort erfahren habe, war sehr inter­essant: Der erste Satz der Ärztin:

„Ich habe nicht viel Zeit, ich muss in eine Besprechung!“
„Wie haben sich meine Blut­werte verändert?“
„Die Werte haben sich stabilisiert.“

Dann wurde mir die Medi­ka­men­ten­liste für die ambu­lante Che­mo­the­rapie vor­gelegt. Eine Che­mo­the­rapie dauert 4 Wochen. Zuerst Medi­ka­mente, um die Haupt­che­mo­the­ra­pie­spritze vor­zu­be­reiten. Die Spritze muss unter Auf­sicht im Kran­kenhaus durch­ge­führt werden, denn: Es drohen fatale Herz­pro­bleme. Eine weitere Neben­wirkung: Herpes, massive Atem­pro­bleme der oberen und unteren Atemwege. Zudem gibt es Medi­ka­mente, um die Neben­wir­kungen der Che­mo­the­rapie zu lindern. Und darüber hinaus Medi­ka­mente, um die Neben­wir­kungen der Neben­wir­kungs­me­di­ka­mente zu lindern.

Ins­gesamt etwa 10 ver­schiedene Medi­ka­mente. Die Haupt­ne­ben­wir­kungen fast aller Che­mo­the­rapie-Medi­ka­mente sind Nie­ren­schä­digung, Nerven-/Atem­pro­bleme, Herzrhythmusstörungen.
In diesem Zusam­menhang habe ich auch erfahren, warum ich umge­kippt bin: Es waren Herz­rhyth­mus­stö­rungen, Hyperkalzämie/Kaliumvergiftung und Nie­ren­ver­sagen. Ich bin mehr oder minder von 3 Klingen gesprungen.

Ich soll/muss also eine Che­mo­the­rapie machen, bei der viele der Medi­ka­mente zum Einsatz kommen, die die Neben­wir­kungen haben, wegen derer ich umge­kippt bin. Eine Erklärung zu Wirkung und Neben­wirkung der Medi­ka­mente habe ich nicht erhalten. Nach 15 Minuten war das Gespräch beendet, weil eine Bespre­chung stattfand.

Zuhause habe ich ange­fangen, über die Che­mo­the­rapie nach­zu­denken. Ich habe alle Medi­ka­mente in der gelben Liste gefunden und vor allem die Neben­wir­kungen zu den schon vor­han­denen Medi­ka­menten, die ich bereits ein­nehme, und den Medi­ka­menten, die neu hin­zu­kommen sollten, ver­glichen. Dabei ist mir auf­ge­fallen, dass ich bereits einer Che­mo­the­rapie im Kran­kenhaus unter­zogen wurde, offenbar ohne meine Ein­wil­ligung? Selbst wenn ich ein­ge­willigt habe, war das zu einer Zeit, zu der ich mit Medi­ka­menten ruhig­ge­stellt war. Ist sowas rechtsgültig?

Da mein Betreuer für meine gesund­heit­lichen Ange­le­gen­heiten zuständig ist, habe ich ihm zum 2. April eine Mail geschickt und ihn gebeten, die Che­mo­the­rapie zu stornieren.

Die erste Che­mo­the­rapie im Kran­kenhaus hatte Ver­wirrtheit, Gewichts­verlust und mehr Schmerzen zur Folge. Das soll ich alle 4 Wochen über mich ergehen lassen, um etwas länger zu leben?
Ich habe mich ent­schlossen lieber kürzer und besser, als länger und noch schlechter zu leben. Das Ende der Restzeit wird bei beiden Alter­na­tiven im Kran­kenhaus statt­finden. Kno­chen­marks­krebs ist nicht heilbar. Wie lange ich mich noch mit der Kno­chen­auf­lösung bewegen kann, ist ungewiss.

Habe ich Angst vor dem Abtreten?
Nein, dazu bin ich zu oft von der Klinge gesprungen.
Wir leben in irren Zeiten. Da sollte sich jeder eine gewisse Freiheit der Gedanken gönnen. Mein ver­stor­bener Hund wartet am großen Lager­feuer auf mich, und ich freue mich, ihn wieder zu sehen.

Also ist das MEIN Weg:

Ich esse, was ich will.
Ich will, solange es mir möglich ist, in meiner Wohnung bleiben.
Falls ich wieder einmal umkippe, werden mein Chef und der Betreuer durch meine Uhr mit Sturz­er­kennung informiert.
Ich will in meiner Restzeit das machen, was ich will, und so lange wie möglich mein Leben genießen.

Mein Fazit zum Gesundheitssystem:

Fast immer wird zuerst gesagt: „Ich habe nicht viel Zeit!“
Oder der Satz taucht in einem 10 – 15-minü­tigen Gespräch irgendwann auf.
Die erste Frage an einen Kranken sollte aber sein: „Hallo Herr/Frau X, wie geht es Ihnen heute?“
Erklä­rungen zu Gesund­heits­zu­ständen sind spärlich. Das hängt vor allem daran, dass man als Nicht­me­di­ziner nicht die rich­tigen Fragen kennt, die man stellen muss, um über­haupt infor­miert zu werden. Ent­weder der Kos­ten­druck ist für Ärzte so hoch, dass mög­lichst viele Pati­enten pro Tag behandelt werden müssen, um finan­ziell zu über­leben. Oder viele Ärzte haben einfach keine Lust mehr. Die Empa­thie­lo­sigkeit führt gemeinhin direkt zum Vor­schlag teurer Behand­lungen. Die Psyche des Pati­enten, dem gerade eine töd­liche Krebs­er­krankung mit­ge­teilt wurde, ist uninteressant.

Zweimal musste ich die Anmeldung zur Che­mo­the­rapie abrechen, denn: In der ent­spre­chenden Abteilung im Kran­kenhaus herrscht Mas­ken­zwang. Ich kann mit Maske auf­grund meiner beid­sei­tigen Lun­gen­em­bolie aber nicht atmen. Ich habe es jeweils ca. 40 Minuten aus­ge­halten und musste den Versuch, mich anzu­melden, dann abbrechen.

Ich habe in den 5 Wochen, die ich im Kran­kenhaus ver­bracht habe, Miss­handlung erfahren. Meine per­sön­lichen Sachen sind ver­schwunden: Wert ca. 2000 €. Ent­lassen wurde ich mit Kleidung der Sozi­al­station. 4 Wochen habe ich iso­liert in einem Ein­zel­zimmer zuge­bracht. Infor­ma­tionen dazu, was pas­siert ist, wurden mir ver­weigert. Sehr spät habe ich über­haupt Erklä­rungen zu meiner Krankheit erhalten. In der ganzen Zeit hatte ich zu drei Gele­gen­heiten Besuch von einem Mit­ar­beiter der Sozi­al­station. Seine einzige Sorge: Mein Geis­tes­zu­stand. Um ihn zu erkunden, wurde mit mir ein Gespräch über All­ge­meines geführt. Ohne Zusam­menhang, unter­brochen mit dummen Fragen, wie: „Hören Sie manchmal Stimmen?“

Ich: „Wenn ich Stimmen hören will, mache ich den Fern­seher an!“

Gut, dass ich zu dieser Zeit etwas klarer wurde und nicht in diese Falle gestolpert bin. Die Folge wäre eine Ent­mün­digung gewesen.

Jeder sollte sich Gedanken darüber machen, was er in einem Notfall wie dem meinen tut, vor allem, wenn er alleine lebt und keine Familie vor­handen ist. Jeder sollte sich Maß­nahmen für den Notfall überlegen!“


Wir sind mit Gedanken bei unserem Leser und danken ihm, für sein Enga­gement und seinen Mut und in der Tat: Wir bewundern sein Durch­hal­te­ver­mögen und hoffen, dass ihm noch mög­lichst viel Zeit bleibt, sein Leben zu genießen, wie er das will.

Wenn Sie über IHRE Erfah­rungen im Gesund­heits­system einen Bericht bei­tragen wollen, dann schreiben Sie uns:
redaktion @ sciencefiles.org


Zuerst erschienen bei sciencefiles.org.