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Von der Kriegs­wirt­schaft in den Kriegssozialismus

Ludwig von Mises‘ Betrach­tungen zum Ersten Welt­krieg und ihre Relevanz für heute

Ludwig von Mises ver­öf­fent­lichte sein Buch „Nation, Staat und Wirt­schaft“ im Jahre 1919, kurz nach dem Ende des Ersten Welt­kriegs. Es ist ein Werk, in dem Mises mög­lichst objektiv den Gründen nach­spüren will, welche Fak­toren zum Krieg antrieben und welche Ergeb­nisse mit ihm ver­bunden waren. Es ist stets ein Leichtes, nach­träglich zu zeigen, wie man es hätte anders machen können. Aber der Punkt ist, dass es zum Krieg kam und dass dieser einen bestimmten Verlauf nahm. Dies bedeutet, dass die Kräfte, die den Krieg her­bei­führten, wirk­samer waren als jene, die den Ersten Welt­krieg zu ver­hindern suchten. (von Antony P. Mueller)

Mises macht deutlich, dass die Mili­ta­risten die Lage Deutsch­lands von Anfang an völlig ver­kannten. Sie miss­achtete die Tat­sache, dass der Wohl­stand, den Deutschland in den Jahr­zehnten vor dem Aus­bruch des Krieges 1914 erreicht hatten, auf seine Ein­bindung in die Welt­wirt­schaft beruhte. Ohne intensive inter­na­tionale Wirt­schafts­be­zie­hungen hätte die Indus­tria­li­sierung nicht statt­finden können und damit wäre der Weg aus der Armut nicht gelungen. Die Mili­ta­risten in Deutschland ver­standen Welt­po­litik aber nicht, wie es im Interesse des Volks­wohl­stands richtig gewesen wäre, als Frie­dens­po­litik, sondern betrieben Kriegspolitik.

Hätte man in Deutschland mehr wirt­schaftlich als mili­tä­risch gedacht, wäre man zur Erkenntnis gelangt,

daß ein der­ar­tiger Krieg weder geführt werden könne noch geführt werden dürfe, und daß man, wenn schon eine unsagbar schlechte Politik ihn hat ent­stehen lassen, so schnell als möglich, selbst um den Preis hoher Opfer, trachten müßte, Frieden zu schließen. (S. 113)

In Ver­kennung der wirk­lichen Lage wurde Deutschland von den Mili­ta­risten in den Krieg getrieben und selbst­mör­de­risch wurde an der Fort­führung des Krieges fest­ge­halten. Mili­tä­rische Fehl­kal­ku­lation in Ver­bindung mit „wirt­schafts­po­li­ti­schen Wahn­ideen“ bil­deten die Grundlage für die Nie­derlage und was dann folgen sollte.

Mises erinnert daran, dass gleich zu Beginn des Krieges das Schlagwort von der „Kriegs­wirt­schaft“ auftauchte.

Mit diesem Worte schlug man alle Erwä­gungen nieder, die zu einem Ergeb­nisse führen konnten, das der Fort­setzung des Krieges wider­raten hätte. Mit diesem einen Worte wurden alle natio­nal­öko­no­mi­schen Gedan­ken­gänge abgetan; was von der ‚Frie­dens­wirt­schaft‘ her­geholt sei, stimme nicht für die anderen Gesetzen gehor­chende ‚Kriegs­wirt­schaft‘. (S. 113)

Mit Hilfe dieses ‚Wort­fe­ti­sches‘ von der Kriegs­wirt­schaft rückten Staats­bü­ro­kratie und Militärs zur Lenkung der Wirt­schaft an die höchsten Staats­stellen und ver­drängten, was von einer freien Wirt­schaft noch übrig­ge­blieben war. Mit dem Hinweis auf die Kriegs­wirt­schaft wurde auch auf­kom­mende Unzu­frie­denheit mit der Ver­sorgung der Bevöl­kerung in die Schranken gewiesen. Die Tech­no­kraten aus Staat und Militär über­nahmen die Steuerung und ver­kün­deten hoch­mütig, man müsse die Wirt­schaft „orga­ni­sieren“, um sie kriegs­ef­fi­zient zu machen, und merkten dabei aber nicht, „daß das, was man tat, die Orga­ni­sation der Nie­derlage war.“ (S. 114)

Der Übergang von der Kriegs­wirt­schaft zum Kriegs­so­zia­lismus wurde mit dem durch den Krieg geschaf­fenen Not­stand begründet und gerecht­fertigt. Das Argument lautete:

Im Kriege könne man die unzu­läng­liche freie Wirt­schaft nicht länger fort­be­stehen lassen; da müsse an ihre Stelle etwas Voll­kom­me­neres, die Ver­wal­tungs­wirt­schaft, treten. (S. 115)

Behindert durch die Ein­schränkung der freien Mei­nungs­äu­ßerung kamen die Stimmen nicht zu Gehör, die einen Beweis dafür ein­for­derten, weshalb eine staatlich orga­ni­sierte Wirt­schaft leis­tungs­fä­higer sein solle als die Pri­vat­wirt­schaft. Sozia­listen und Mili­ta­risten waren sich einig, dass die Ver­ge­sell­schaftung der Pro­duk­ti­ons­mittel der bessere Weg sei, Deutsch­lands Kriegs­taug­lichkeit zu erhöhen.

Aber gegen wen über­haupt soll eine Kriegs­taug­lichkeit gerichtet sein? Kriegs­so­zia­lismus führt weder zum Sieg noch zum Frieden, sondern treibt von sich aus zum per­ma­nenten Krieg. In der arbeits­tei­ligen Welt­wirt­schaft gibt es keine sicheren Kriegs­ge­winne mehr. Die Mili­ta­ri­sierung bringt nicht den Frieden, sondern einen

Zustand ewiger Kämpfe, die den Wohl­stand so sehr zer­rütten, daß schließlich auch der Sieger weniger erhält als er im pazi­fis­ti­schen Zustande zu ernten hätte. (S. 125)

Auch über das Wesen der kon­junk­tu­rellen Effekte der Kriegs­vor­be­rei­tungen und der krie­ge­ri­schen Hand­lungen täuschte man sich grund­legend. Man begrüßte den kurz­fris­tigen Boom, der durch die kre­dit­fi­nan­zierte Staats­nach­frage aus­gelöst wurde. Indem die Auf­rüstung mit einem wirt­schaft­lichen Auf­schwung ein­herging, fand der Krieg auch in Teilen der Geschäftswelt zunehmend Zustimmung.

(D)ie Geschäfts­leute, die vor dem Kriege durchaus friedlich gesinnt waren und wegen der Ängst­lichkeit, die sie bei jedem Auf­fla­ckern von Kriegs­ge­rüchten stets bekundet hatten, von den Kriegs­freunden stets gescholten wurden, fingen an, sich mit dem Krieg aus­zu­söhnen. Die ganze Volks­wirt­schaft bot das Bild eines erfreu­lichen Auf­schwunges. (S. 125)

Die Geschäfts­leute ver­kannten auch den Effekt der Inflation. An Jahr­zehnte der Geld­wert­sta­bi­lität gewohnt, durch­schaute man nicht das Wesen der Kriegs­kon­junktur, die die einen um den Betrag berei­chert, den sie anderen ent­zieht. Kriegs­kon­junktur bedeutet nicht stei­gender Reichtum, „sondern Ver­mögens- und Ein­kom­mens­ver­schiebung.“ (S. 129)

Ebenso ver­kannte man auch das Wesen der Schuldenfinanzierung.

Durch die Papier­geld­ausgabe ist nicht eine Kanone, nicht eine Granate mehr erzeugt worden als man auch ohne Inbe­trieb­setzung der Noten­presse hätte erzeugen können. Der Krieg wird ja nicht mit ‚Geld‘ geführt, sondern mit den Gütern, die man für das Geld erwirbt. Für die Erzeugung der Kriegs­güter war es gleich­gültig, ob die Geld­menge, mit der man sie kaufte, größer oder kleiner war. (S. 127)

Die Schul­den­po­litik der Regierung hat die Pri­vat­un­ter­nehmer ebenso geblendet wie die hohen Militärs und lei­tenden Poli­tiker. Die wahren Folgen des Kriegs­fi­nan­zierung waren ihren Blicken ent­zogen. Die Wirt­schaft boomte, durch die Inflation ent­standen Schein­ge­winne, während tat­sächlich Kapital ver­zehrt wurde.

Man kann ohne Über­treibung sagen, daß die Inflation ein unent­behr­liches geis­tiges Mittel des Mili­ta­rismus ist. Ohne sie würde die Rück­wirkung des Krieges auf den Wohl­stand viel schneller und ein­dring­licher offenbar werden, würde die Kriegs­mü­digkeit viel früher ein­treten. (S. 133)

Durch die Staats­ver­schuldung werden die Lasten nicht einfach auf die Zukunft ver­lagert. Schon in der Gegenwart fallen die Kosten an. Der aktuelle Ver­brauch muss stets aus der gegen­wär­tigen Pro­duktion kommen. Die staat­liche Kre­dit­auf­nahme kann den Abtausch zwi­schen pri­vaten Kon­sum­gütern und Mili­tär­gütern nicht außer Kraft setzen.

Vom volks­wirt­schaft­lichen Stand­punkte betrachtet, führt die gegen­wärtige Gene­ration den Krieg, und sie muß auch alle sach­lichen Kriegs­kosten tragen. Die künf­tigen Geschlechter sind nur insofern mit­be­troffen, als sie unsere Erben sind und wir ihnen weniger hin­ter­lassen werden, als wir ihnen ohne Dazu­treten des Krieges hätten hin­ter­lassen können. Ob der Staat nun den Krieg durch Schulden oder anders finan­ziert, kann an dieser Tat­sache nichts ändern. Daß der größte Teil der Kriegs­kosten durch Staats­an­leihen finan­ziert wurde, bedeutet kei­neswegs eine Über­wälzung der Kriegs­lasten auf die Zukunft, sondern nur ein bestimmtes Ver­tei­lungs­prinzip der Kriegs­kosten. (S. 137)

Je mehr die Men­schen kriegs­un­willig sind, desto weniger ist es möglich, die Mili­tär­aus­gaben durch Steuern zu finan­zieren und um so mehr wird die Regierung zur staat­lichen Kre­dit­auf­nahme greifen. Hätte man ent­spre­chend der Staats­aus­gaben die Steuern erhöht, wäre dem Volk auf­ge­gangen, wie teuer Kriegs­führung ist. Wenn im Volk eine sozia­lis­tische Gesinnung herrscht, wird die Regierung aller­dings auch erwägen, einen Teil der Kriegs­kosten durch Son­der­steuern auf das Pri­vat­ei­gentum des wohl­ha­ben­deren Teils der Bevöl­kerung zu decken. So kam es, dass im Verlauf des Krieges der Ruf nach einer Ver­mö­gens­abgabe in Deutschland so laut wurde, dass kein Ein­spruch dagegen mehr hörbar war.

Die Popu­la­rität, die das Schlagwort von der ein­ma­ligen Ver­mö­gens­abgabe genießt, eine Popu­la­rität, die so groß ist, daß sie über­haupt jede ernst­liche Dis­kussion über ihre Zweck­mä­ßigkeit unmöglich macht, ist nur durch die dem Son­der­ei­gentum abge­neigte Stimmung der gesamten Bevöl­kerung zu erklären. (S. 139)

Kriegs­wirt­schaft führt zum Kriegs­so­zia­lismus. Die Pro­duk­ti­ons­mittel werden in die Hände des Staates über­führt. Im Sozia­lismus wird die Ver­füg­barkeit über das Sach­ka­pital den Pri­vat­per­sonen ent­zogen und Staats­be­amten über­geben. Für die Sozia­listen aller Prä­gungen ist so die Kriegs­wirt­schaft ein will­kom­menes Etap­penziel zum vollen Sozia­lismus. Die Trans­for­mation, das Son­der­ei­gentum in gemein­wirt­schaft­liches Eigentum zu über­führen, geht mit der Ver­la­gerung der Allo­ka­ti­ons­ent­scheidung vom unter­neh­me­ri­schen Handeln auf das büro­kra­tische einher. So fanden denn auch die Sozia­listen mit dem Begriff „Über­gangs­wirt­schaft“ ein Synonym für Kriegs­wirt­schaft und Kriegs­so­zia­lismus. Krieg war dann nicht nur mili­ta­ris­tisch gerecht­fertigt, sondern auch aus sozia­lis­ti­scher Sicht, denn er würde den Marsch in den vollen Sozia­lismus beschleunigen.

Fazit

Lässt man die Aus­füh­rungen von Ludwig von Mises aus heu­tiger Sicht Revue pas­sieren, kommt man nicht umhin, von den Par­al­lelen ver­blüfft zu sein. Obwohl mehr als hundert Jahre ver­gangen sind und die gegen­wärtige poli­tische Kon­stel­lation ganz anders gelagert ist, über­rascht die Ähn­lichkeit der Geis­tes­haltung der dama­ligen Zeit mit der­je­nigen von heute. So wie damals spricht man auch heute leicht­fertig von Kriegs­wirt­schaft. So wie damals tut man es leicht­fertig ab, wovon der Wohl­stand abhängt, und setzt die inter­na­tionale Arbeits­teilung leicht­fertig durch Sank­tionen und Aut­ar­kie­be­stre­bungen aufs Spiel. Durch die Lektüre von Mises wird auch deutlich, weshalb die Sozia­listen, ebenso wie die zeit­ge­nös­sische ‚öko-sozia­lis­tische‘ Variante, sich eher für Krieg als für den Frieden ein­setzen. Sie erkennen, dass die Kriegs­wirt­schaft und der Kriegs­so­zia­lismus den Übergang zum umfas­senden Sozia­lismus vor­be­reiten. Zu welchen Kon­se­quenzen es aber führt, wenn die Kriegs­be­reit­schaft über den Frie­dens­willen siegt, hat die Geschichte deutlich genug gezeigt.

Hinweis: Die Inhalte der Bei­träge geben nicht not­wen­di­ger­weise die Meinung des Ludwig von Mises Instituts Deutschland wieder.

Eben­falls zum Theme Kriegs­wirt­schaft kürzlich erschienen: „Ludwig von Mises über Kriegs­wirt­schaft“, von Antony P. Mueller

Der Artikel erschien zuerst bei misesde.org.