Eugen Drewermann, Theologe, Psychoanalytiker und Autor, gilt als einer der provokantesten Denker unserer Zeit. Im Interview spricht er mit Flavio von Witzleben über den Wert von Frieden & Menschlichkeit in Zeiten globaler Umbrüche. (von David Berger)
Drewermann warnt ausdrücklich, dass die Gefahr eines dritten Weltkriegs nie so real gewesen sei wie heute. Er betont, dass man leichtfertig über Krieg spreche, als wäre er etwas Alltägliches oder eine Option unter vielen. Ein zentraler Punkt ist, dass Angst – auf individueller wie nationaler Ebene – als Motor der Eskalation wirkt.

Doppelmoral, Schuld und Verantwortung
Drewermann kritisiert, dass in politischen Diskursen häufig die eigene Seite idealisiert und die Gegenseite dämonisiert werde — damit werde der moralische Gegensatz zugespitzt, was Gewalt erleichtert. Er schaut auch darauf, wie Öffentlichkeiten und Medien Ängste schüren und wie „die große Erzählung von Schuld und Opfer“ benutzt wird, um Zustimmung für militärische Maßnahmen zu gewinnen.
Daraus ergibt sich laut Drewermann eine geteilte Verantwortung: nicht allein Regierungen sind schuld, sondern auch wir Bürgerinnen und Bürger, wenn wir Angst zulassen und nicht kritisch nachfragen.
Drewermann äußert Skepsis gegenüber der Idee, militärische Stärke oder Abschreckung könnten Frieden sichern. Er hält das für eine Illusion, die oft in eine Opfer-und-Gegner-Logik führt. Stattdessen plädiert er für:
- eine tiefere innere Umkehr, bei der Menschen Angst reflektieren lernen,
- einen Dialog, der nicht in Schwarz-Weiß-Denkweisen gefangen ist,
- und eine Friedensethik, die nicht nur auf politischen Instrumenten beruht.
Persönliche Erfahrungen und Humanisierung
Im Gespräch bringt er persönliche Reflexionen mit ein: wie Menschen durch Kriegserfahrungen traumatisiert werden, und wie schwer es ist, die Verantwortungen einzelner Akteure und Institutionen auseinanderzuhalten.
Er fordert, dass wir Menschen wieder in den Blick nehmen — nicht als Feinde oder Statistiken, sondern als mit Ängsten, Wunden und Verantwortung.
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Der Artikel erschien zuerst hier: philosophia-perennis.com

























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