Vor­schläge für das “Unwort des Jahres”: “Popu­lis­tisch”, “rechts” und “rechts­po­pu­lis­tisch”

Als Unwort des Jahres möchte ich Ihnen “popu­lis­tisch” vor­schlagen. Diesen Vor­schlag reichte ich der Jury als Unwort des Jahres ein.

(Von Hans-Martin Esser)
Sehr geehrte Damen und Herren,
als Unwort des Jahres möchte ich Ihnen “popu­lis­tisch” vor­schlagen. In den Debatten der ver­gan­genen Jahre ist es zur Mode geworden, den poli­ti­schen Gegner besonders dann, wenn er denn erfolg­reich ist, so zu eti­ket­tieren und zu dif­fa­mieren. Als alter­native Vor­schläge reiche ich “rechts” und “rechts­po­pu­lis­tisch” ein.
Bei all diesen Begriffen wird durch Aus­grenzung per Ver­däch­tigung ver­sucht, den poli­ti­schen Gegner her­ab­zu­setzen, indem man ihn einer – häufig unbe­rech­tigten – Faschismus-Sym­pathie bezichtigt und somit wirk­lichen Faschismus durch infla­tio­nären Gebrauch ver­harmlost und verniedlicht.
Es ist dies das Stil­mittel eines poli­ti­schen Prangers wie zur Zeit der McCarthy-Ära, nämlich das der Dif­fa­mierung Anders­den­kender durch Aus­weitung von Dunst­kreisen, um einen unbe­quemen Geist ohne Argu­mente mundtot zu machen.
Nicht Argu­men­tation, sondern Schweigen aus Angst vor Bezich­tigung wird somit zum Maßstab poli­ti­scher Debatten. Der Ängst­liche wird belohnt, der im demo­kra­ti­schen Sinne Streitbare dif­fa­miert. Dies setzt bewusst auf einen Mecha­nismus, der dem Unter­ta­nen­denken durch pri­mi­tivste Stimuli Vor­schub leistet und insofern selbst im Kern faschis­tisch ist, ohne es zu bemerken.
Kon­for­mi­täts­be­lohnung und Bestrafung von Abweichlern sind Merkmale von “gelenkten” Demo­kratien und mögen in der Erziehung von deut­schen Schä­fer­hunden Berech­tigung haben, aber nicht in west­lichen Debatten des Jahres 2017.
Zu beob­achten ist, dass die Begriffe “popu­lis­tisch”, “rechts­po­pu­lis­tisch” und “rechts” auch auf Mehr­heits­ent­scheide ganzer Länder wie die Wahl des öster­rei­chi­schen Bun­des­kanzlers und die Ent­scheidung Groß­bri­tan­niens zum Aus­tritt aus der EU Anwendung finden und mithin demo­kra­tische Mehr­heiten dis­kre­di­tieren oder gar ihre Zure­chen­barkeit in Zweifel ziehen sollen. Kommt es zu solchen Ent­wick­lungen, dass die anders­den­kende Mehrheit als patho­lo­gisch ein­ge­stuft wird, sollte man sich Gedanken über die eigene Demo­kra­tie­fä­higkeit machen.
Ich hoffe, dass mein Einwurf dis­ku­tiert wird und verbleibe
Mit freund­lichen Grüßen
Hans Martin Esser
 
Hans-Martin Essen / TheEuropean.de