Die UN ermög­licht die Kriegs­ma­schi­nerie der Hamas

von Bassam Tawil
Die paläs­ti­nen­sische Ter­ror­or­ga­ni­sation Hamas, die den Gaza­streifen kon­trol­liert, hat Berichten zufolge eine Initiative Ägyptens und der Ver­einten Nationen für eine lang­fristige Waf­fenruhe mit Israel grund­sätzlich akzep­tiert. In einigen Berichten heisst es, die Initiative sehe eine Waf­fenruhe von fünf bis zehn Jahren vor. Im Gegenzug sollen wirt­schaft­liche Sank­tionen gelo­ckert werden und die Paläs­ti­nenser im Gaza­streifen huma­nitäre und wirt­schaft­liche Hilfe erhalten.
Dieser Vor­stoss hat jedoch etwas Besorg­nis­er­re­gendes, denn er ver­langt der Hamas keine wesent­lichen Zuge­ständ­nisse ab. So wird bei­spiels­weise weder die extre­mis­tische Ideo­logie der Hamas, welche die Zer­störung Israels fordert, in Frage gestellt, noch muss die Hamas ihre Waffen niederlegen.
Im Wesent­lichen lautet die Bot­schaft der inter­na­tio­nalen Gemein­schaft an die Hamas, dass sie reichlich belohnt wird, wenn sie lediglich die Ter­ror­an­schläge auf Israel vor­über­gehend stoppt.
Die ver­gan­genen Wochen haben gezeigt, dass die Hamas durchaus bereit ist, die “Füße still zu halten”, um die von Ägypten und der UN zuge­sagten Leis­tungen und Pri­vi­legien zu erhalten. Als Folge der Wirt­schafts­sank­tionen gegen den Gaza­streifen befindet sich die Hamas seit einiger Zeit in einer ernst­haften Krise. Ins­be­sondere die Sank­tionen der von Prä­sident Mahmoud Abbas geführten Regierung der Paläs­ti­nen­si­schen Auto­no­mie­be­hörde haben die Orga­ni­sation getroffen. Daher greift die Hamas nach dem Vor­stoss Ägyptens und der UN wie nach einer Art Rettungsweste.
Mit dem Inkraft­treten des Waf­fen­still­stands erhält die Hamas noch mehr Zeit, um ihr Waf­fen­ar­senal weiter aus­zu­bauen und ihre Macht im Gaza­streifen zu festigen.
Unter dem Schutz der Waf­fenruhe wird die Hamas weiter neue Tunnel bauen können, über die sie nach Israel ein­dringen und dort Zivi­listen und Sol­daten töten kann. Sie wird über die Tunnel entlang der Grenze zwi­schen dem Gaza­streifen und Ägypten auch weiter Waffen in den Gaza­streifen schmuggeln können. Dank der von Ägypten und der UN aus­ge­han­delten Waf­fenruhe wird die Hamas all diese Dinge tun können, ohne sich über eine mili­tä­rische Antwort Israels sorgen zu müssen.
Der Vor­schlag für die Waf­fenruhe gibt der Hamas fünf bis zehn Jahre Zeit, um sich auf den nächsten Krieg mit Israel vor­zu­be­reiten. In dieser Zeit wird sie Zehn­tau­sende Paläs­ti­nenser rekru­tiert und sie in Vor­be­reitung für den Dschihad (Hei­liger Krieg) gegen Israel zu Got­tes­kriegern gemacht haben.
Mit anderen Worten ent­bindet das vor­ge­schlagene Abkommen die Hamas, die De-facto-Regierung in der Küs­ten­en­klave, von ihren Pflichten und Ver­ant­wort­lich­keiten gegenüber ihren eigenen Bürgern. Die Hamas wird sich keine Sorgen mehr darüber machen müssen, wie sie die Lebens­be­din­gungen der Paläs­ti­nenser im Gaza­streifen ver­bessern kann, weil die UN und der Rest der inter­na­tio­nalen Gemein­schaft sich darum kümmern werden.
Die inter­na­tionale Gemein­schaft und die UN werden sich laut dem vor­ge­schla­genen Waf­fen­still­stands­ab­kommen um die Bedürf­nisse der paläs­ti­nen­si­schen Bevöl­kerung kümmern und sogar diverse wirt­schaft­liche und huma­nitäre Pro­jekte im Gaza­streifen starten. Die Hamas-Führer werden derweil in ihren luxu­riösen Büros und Häusern sitzen und die düpierten west­lichen Geld­geber aus­lachen, die den Men­schen in dem von der Hamas kon­trol­lierten Gebiet auch noch die Kraft­stoff- und Strom­ver­sorgung finanzieren.
Schlimmer noch, das von der Hamas-Führung mit ägyp­ti­schen und UN-Ver­tretern dis­ku­tierte Abkommen sieht vor, der Hamas einen Hafen und einen Flug­hafen auf der nahe­ge­le­genen ägyp­ti­schen Sinai-Halb­insel anzu­bieten. Selbst­ver­ständlich gibt es keine Garantie dafür, dass die Hamas diese Infra­struktur nicht zum Schmuggeln von Waffen in den Gaza­streifen nutzen wird. Die­je­nigen, die glauben, dass Ägypten den Waf­fen­schmuggel in den Gaza­streifen ver­hindern kann, geben sich der gefähr­lichen Illusion hin, im Nahen Osten gebe es keine Bestechung.
Die ägyp­ti­schen Behörden haben mit den ver­schie­denen isla­mis­ti­schen Ter­ror­gruppen, die in den ver­gan­genen Jahren auf der Sinai-Halb­insel aktiv waren, ohnehin bereits alle Hände voll zu tun. Wenn das ägyp­tische Militär und sonstige Sicher­heits­be­hörden bislang nicht in der Lage waren, das Problem der Ter­ror­gruppen in den Griff zu bekommen, wie sollen sie dann die Waf­fen­schmuggler der Hamas aufhalten?
Und wie sieht es mit den Ver­bin­dungen der Hamas zu einigen dschi­ha­dis­ti­schen Grup­pie­rungen auf der Sinai-Halb­insel aus? In den ver­gan­genen Jahren wurde in ara­bi­schen Medien immer wieder berichtet, die Hamas würde gemeinsam mit einigen dieser Grup­pie­rungen Anschläge auf das ägyp­tische Militär und Zivi­listen auf der Sinai-Halb­insel verüben.
Sehr viel besorg­nis­er­re­gender ist jedoch, dass jedes Waf­fen­still­stands­ab­kommen als Belohnung für den von der Hamas befeu­erten Terror und die Gewalt gegen Israel wahr­ge­nommen wird. Seit ver­gan­genem März hat die Hamas Tau­sende Paläs­ti­nenser, dar­unter Frauen und Kinder, im Rahmen des soge­nannten Marschs der Rückkehr an die israe­lische Grenze geschickt. Während dieser Pro­teste kam es auch zu gewalt­samen Aus­schrei­tungen: Paläs­ti­nenser warfen Spreng­sätze, Ben­zin­bomben und Steine auf israe­lische Sol­daten. Sie schickten aus­serdem Hun­derte bren­nender Ballons und Drachen über die israe­lische Grenze in den Gaza­streifen. Die dadurch aus­ge­lösten Brände zer­störten Zehn­tau­sende Hektar land­wirt­schaft­licher Nutz­flächen und Wäldern.
Damit nicht genug: Die Hamas und weitere paläs­ti­nen­sische Ter­ror­gruppen im Gaza­streifen feu­erten ver­gangene Woche erneut mehr als 180 Raketen und Geschosse auf israe­lische Gemeinden ab.
Solche Rake­ten­an­griffe sind bei weitem keine Sel­tenheit. Seit Israels Rückzug aus dem Gaza­streifen im Jahr 2005 kommt es immer wieder zu der­ar­tigen Attacken. Damals übergab Israel den gesamten Gaza­streifen an die von Mahmoud Abbas geführte Paläs­ti­nen­sische Auto­no­mie­be­hörde (PA). Im Jahr 2007 ver­trieb die Hamas die PA durch einer gewalt­samen Macht­über­nahme aus dem Gaza­streifen. Seitdem kon­trol­liert sie das Gebiet.
Eine Waf­fenruhe mag zwar eine gute Nach­richt sein, wird in der aktu­ellen Situation jedoch eine ver­hee­rende Bot­schaft an die Hamas und andere Ter­ror­gruppen im Gaza­streifen senden: Wer lange genug Israel bom­bar­diert, erhält wirt­schaft­liche und huma­nitäre Unter­stützung von der UN und von west­lichen Geld­gebern, und – wenn alles gut geht – auch noch einen Hafen und einen Flughafen.
Das vor­ge­schlagene Waf­fen­still­stands­ab­kommen lässt sich daher nur als Schmiergeld bezeichnen, das Ägypten und die UN im Gegenzug für einen vor­über­ge­henden Stopp der Ter­ror­an­schläge gegen Israel an die Hamas zahlen. Zuge­ständ­nisse an Ter­ro­risten befeuern jedoch unwei­gerlich die weitere Eska­lation des Kon­flikts und treiben Ter­ro­risten nur weiter an. Zudem dürfte sich die Hamas dazu ver­leitet fühlen, immer mehr Zuge­ständ­nisse von Israel und vom Rest der Welt zu erpressen.
Durch die Ver­hand­lungen mit der Hamas werden Ter­ror­gruppen legi­ti­miert und als akzep­table Gegen­par­teien dar­ge­stellt. In diesem Kontext könnte man auch anmerken, dass die UN niemals in Betracht gezogen hatte, einen Waf­fen­still­stand zwi­schen den USA und der von Osama bin Laden ange­führten Al-Qaeda oder dem IS aus­zu­handeln. Die derzeit lau­fenden Gespräche zwi­schen Ägypten, der UN und der Hamas senden kei­nes­falls das richtige Signal an die dschi­ha­dis­ti­schen Gruppen der Welt. Sie werden diese Gruppen vielmehr dazu anspornen, ihre Ter­ror­an­schläge fort­zu­setzen – in der Hoffnung, dadurch Legi­ti­mität zu gewinnen und die inter­na­tionale Gemein­schaft zwingen zu können, mit ihnen ebenso zu ver­handeln, wie mit der Hamas. Inwiefern unter­scheiden sich die Hamas und Al-Qaeda, der IS und Boko Haram, der soge­nannte Isla­mische Staat in West­afrika? Kaum.
Die Hamas hat, wie bereits aus­ge­führt, Gefallen daran gefunden, von Ägypten, der UN und anderen inter­na­tio­nalen Par­teien hofiert zu werden, die sie buch­stäblich anflehen, einen vor­über­ge­henden Waf­fen­still­stand mit Israel zu akzep­tieren, und das auch noch zu solch güns­tigen Kon­di­tionen. Die Hamas hat durch ihre Zustimmung nichts zu ver­lieren. Die Waf­fenruhe wird es ihr ermög­lichen, ihre mili­tä­rische Macht im Gaza­streifen weiter zu stärken, ohne dafür ihre gewalt­be­reite Haltung auf­geben oder ihrem eigenen Volk helfen zu müssen.
Von der Hoch­stimmung innerhalb der Hamas zeugt eine am 8. August 2018 von der Hamas-Führung im Gaza­streifen abge­gebene Erklärung, welcher eine Reihe von Treffen zwi­schen der Hamas und anderen paläs­ti­nen­si­schen Ter­ror­or­ga­ni­sa­tionen vor­ausging. Darin heisst es, die Hamas werde keinen “poli­ti­schen Preis” für die Auf­hebung der Sank­tionen gegen den Gaza­streifen zahlen.
Die Hamas selbst macht damit ganz deutlich, dass sie selbst im Falle eines Waf­fen­still­stands mit Israel den Kampf nicht eher auf­geben wird, bis anstellte Israels ein isla­mi­scher Staat errichtet wurde.
Nun drängen sich fol­gende Fragen auf: Wieso ver­handelt die UN mit einer Ter­ror­gruppe, die sich der Zer­störung Israels ver­schrieben hat? Wieso fordern die UN, Ägypten und andere Staaten die Hamas nicht vielmehr dazu auf, die Waffen nie­der­zu­legen und die Kon­trolle über das paläs­ti­nen­sische Gebiet im Gaza­streifen, deren Bewohner sie seit elf Jahren als Geiseln hält, abzu­geben? Wieso ist die UN bereit, Hun­derte Mil­lionen US-Dollar in den Gaza­streifen zu inves­tieren und gleich­zeitig die Hamas an der Macht zu halten und sie sogar stärker werden zu lassen? Wieso darf die UN den Retter der Hamas spielen? Viel­leicht werden die UN und all jene, die derzeit ver­suchen, die Hamas zu besänf­tigen, beim nächsten Angriff der Hamas auf Zivi­listen in Israel einige Ant­worten haben.


Quelle: Gatestone Institute — Bassam Tawil ist Muslim und lebt als Wis­sen­schaftler und Jour­nalist im Nahen Osten.