Friedrich Merz – Rache eines Merkel-Opfers und nächster “Kanzler der Alliierten”?

Gehen wir elf Jahre zurück in der Zeit. Februar 2007. Wir sitzen mit hoch­ka­rä­tigen Jour­na­listen, dar­unter Michael Spreng, an einem Tisch und der „plaudert aus dem Näh­kästchen“. Es geht um DAS Thema: Friedrich Merz hat das Handtuch geworfen und zieht sich aus der Par­tei­po­litik zurück. Jeder weiß, Merz ist das jüngste Opfer der Kanzlerin.
Die kann auf eine respek­table Strecke erlegter Männer in der CDU blicken. Ihr erster Sech­zehn­ender: Alt­kanzler Helmut Kohl, dem sie – damals Gene­ral­se­kre­tärin der Partei – in der Spen­den­affäre 1999 in den Rücken fiel und ihn stürzte. Das hätte Helmut Kohl wohl niemals von „seinem Mädchen“ gedacht.
Der nächste, der in ihr Faden­kreuz rückte, war das nächste Großwild: CDU-Par­teichef  Wolfgang Schäuble, sie seine Gene­ral­se­kre­tärin. Auch Herr Schäuble war in die Kohl‘sche Spen­den­affäre ver­wi­ckelt und damit angreifbar, was Frau Dr. Angela Merkel zu nutzen wusste. Mit der Unter­stützung der Par­tei­basis konnte sie – eben­falls im Jahr 2000, sozu­sagen in einem Auf­wasch — den Par­tei­vor­sit­zenden Schäuble ver­drängen und selbst auf diesen Posten vor­rücken. Sie wusste aller­dings, dass jemand wie Wolfgang Schäuble so etwas nicht ver­gisst. Als er auf der Ziel­ge­raden zum Bun­des­prä­si­denten war, fand Frau Merkel, dass ihr ein unfreundlich geson­nener Bun­des­prä­sident die weitere Kar­riere nicht leichter machen würde und wusste es zu ver­hindern – was die Par­tei­freund­schaft der beiden nicht vertiefte.
Den Posten des Gene­ral­se­kretärs der CDU nahm – nach Ruprecht Polenz — später Laurenz Meyer ein. Er bekleidete den Posten von 2000 bis 2004. Bei Frau Dr. Merkel hatte er gleich am ersten Tag bei Amts­an­tritt ver­schissen, heißt es. Er ahnte wohl, dass ein Posten in der Umgebung der Par­tei­vor­sit­zenden Merkel ein Schleu­dersitz ist, und unter Anspielung auf seinen Vor­gänger Ruprecht Polenz, der schon nach sieben Monaten aus der Kurve flog, ver­suchte Laurenz Meyer, der Par­tei­vor­sit­zenden diskret zu drohen: Ich habe eine viel stärkere Position als Polenz. Einen zweiten Miss­griff können Sie sich nicht leisten.“ Sie konnte.
Er galt als Wirt­schafts­experte, bril­lanter Rhe­to­riker und Shooting Star der CDU: Friedrich Merz. Er war Frak­ti­onschef der CDU und wollte eine „Steu­er­reform auf einem Bier­deckel“ ent­werfen und machte sich schon Hoff­nungen, einen Macht­kampf mit Frau Dr. Merkel um den Par­tei­vorsitz zu gewinnen. Das funk­tio­nierte nicht. Angela Merkel hielt dank Edmund Stoibers Unter­stützung die Stellung und Friedrich Merz musste sich in die zweite Reihe zurück­ziehen. 2004 hatte er keine Lust mehr auf Macht­spielchen und trat als Vize­frak­ti­onschef der CDU zurück. Er blieb noch ein paar Jahre Bun­des­tags­mit­glied, ab 2009 saß er auch nicht mehr im Bundestag.
Es dauerte aller­dings nicht lang, da blieb auch Frau Merkels Unter­stützer Edmund Stoiber am Wegesrand liegen. Als Kanz­ler­kan­didat der CDU/CSU trat er gegen Gerhard Schröder an und verlor das Rennen auf den letzten Metern. Angela Merkel wit­terte mit ihrem untrüg­lichen Instinkt die Schwäche des Ver­lierers. Angela Merkel schickte ihn, nachdem er auch als baye­ri­scher Minis­ter­prä­sident zurück­ge­treten war, nach Brüssel, wo er sich dem Abbau der Büro­kratie widmen sollte. Es heißt, er wurde seitdem nicht mehr gesehen.
Es folgten Günther Öttinger, Roland Koch, Christian Wulff. Und irgendwie auch die ganze SPD.
Zurück zum Jour­na­lis­ten­stamm­tisch. Michael Spreng ist nicht irgendwer. Er war unter anderem auch Berater von Edmund Stoiber, Chef­re­dakteur der „Bild am Sonntag“ und schreibt zu dieser Zeit als Kolumnist beim „Ham­burger Abendblatt“.
Dass Friedrich Merz und Angela Merkel keine Freunde sind, ist ein offenes Geheimnis. Aber der ehe­malige Stoiber-Wahl­kampf­be­rater war zu dem Zeit­punkt Insider und weiß ein bisschen mehr.
Als Frak­ti­onschef Friedrich Merz nach der durch­ge­stan­denen Spen­den­affäre bei dem CSU-Par­tei­vor­sit­zenden Stoiber in München auf­tauchte, erfuhr er von diesem, er wolle nicht Kanz­ler­kan­didat werden. Friedrich Merz in Hoch­stimmung beschloss, kraft eigener Selbst­herr­lichkeit, sich zum Kanz­ler­kan­di­daten der CDU/CSU-Fraktion zu küren, eilte ste­henden Fußes zurück, teilte dies Frau Merkel mit und fragte sie dann:
„Aber Angela – was machst DU denn dann?“
„Mach Dir mal keine Sorgen“, ent­gegnete „Angela”.
Weiter schreibt Michael Spreng im Abendblatt:
“Ab diesem Zeit­punkt waren die beiden Rivalen, denn sie hatten das­selbe Ziel: Erst Kanz­ler­kan­didat, dann Bun­des­kanzler. Während Merz sich schon halb im Kanz­leramt sah und die Par­tei­vor­sit­zende als Rivalin nicht ernst nahm, war Angela Merkel gewarnt. Sie wusste seitdem, dass sie nur gegen­ein­ander und nicht mit­ein­ander Kar­riere machen können. Als Angela Merkel Anfang 2002 beim berühmten Früh­stück in Wolfrats­hausen Edmund Stoiber bei der Kanz­ler­kan­di­datur den Vor­tritt ließ, war allen in der CDU-Führung — bis auf Friedrich Merz — klar, dass sie dafür nach der Wahl ihren Preis ein­fordern würde: Den Fraktionsvorsitz.
Nur Friedrich Merz glaubte bis zum Wahl­abend 2002 gemeinsam mit Stoiber, Merkels Kar­riere noch stoppen zu können — eine gewaltige Fehl­ein­schätzung, geboren aus Über­heb­lichkeit. Als ihm Stoiber, der von Merkel im Wahl­kampf bis zur Selbst­ver­leugnung unter­stützt wurde, am Wahl­abend 2002 sagte, dass er Merkels Griff nach dem Frak­ti­ons­vorsitz unter­stützen werde, fiel Merz aus allen Wolken. So verlor Merz Amt und Ein­fluss. Und so wurden die beiden Rivalen zu Feinden.” 
Der Ver­lierer der Fehde war also Friedrich Merz. Und so endet Michael Spreng seine Näh­kästchen-Geschichte mit der Bemerkung: „Es ist die exem­pla­rische Geschichte eines talen­tierten, aber über­heb­lichen und eitlen Mannes, der eine listige, ziel­strebige und uneitle Frau dra­ma­tisch unterschätzte.“ 
Friedrich Merz machte nach seiner Zeit als Mit­glied des Bun­des­tages in der freien Wirt­schaft Kar­riere. Bereits 2016 wurde er Lob­byist von Blackrock, der welt­größten Invest­ment­firma. Nicht, dass es ihm bis dahin lang­weilig gewesen wäre. Er hatte Posten genug: Auf­sichtsrat der Deut­schen Börse, Auf­sichtsrat bei IVG Immo­bilien, dazu Beirat der Com­merzbank sowie von Borussia Dortmund und Vor­sit­zender der Atlantik-Brücke. Die Atlantik-Brücke heißt nicht nur so, sie ist auch eine, denn wer darüber nach USA-Land gut ver­netzt ist, der wird mit lukra­tiven Posten beworfen.
Man darf ver­muten, dass er auf diesem Wege an die neu hin­zu­ge­kommene Betä­tigung geriet. Er wurde Chef­kon­trolleur des Blackrock Asset Management Deutschland AG. Außerdem werde er noch eine „weiter gefasste Bera­ter­rolle“ ein­nehmen, in der er die Bezie­hungen mit wesent­lichen Kunden, Regu­lierern und Regie­rungs­be­hörden in Deutschland für Blackrock fördern wird“. Sprich: Merz wird offenbar wich­tiger Lob­byist des Invest­ment­riesen in Deutschland. Mit starkem Rückenwind aus den USA von Atlan­tik­brücke und Co..

Spulen wir die Zeit nach vorn. Es ist Ende Oktober 2018. Die Bun­de­kanz­lerin, Frau Dr. Angela Merkel, legt nach der kra­chenden Abfuhr bei der Hes­senwahl für die CDU nolens volens den Par­tei­vorsitz nieder. Bekann­ter­maßen hat Frau Merkel viele Jahre lang innerhalb ihrer Partei „Management by Cham­pignon“ betrieben (alle im Dunkeln lassen, nur mit Sch*** füttern und wenn sich ein heller Kopf zeigt, gleich abschneiden), sodass niemand wirklich Prä­sen­tables überlebt hat. Nun muss man dazu sagen, dass der Par­teichef tra­di­tio­nel­ler­weise auch meist der nächste Kanz­ler­kan­didat einer Partei ist. Der Par­teichef muss also auch ein wähl­barer Typ sein. Und da wird es eng.
Frau Kramp-Kar­ren­bauer hat in etwa das Format einer par­tei­po­li­ti­schen Abriss­birne á la Andrea Nahles und würde die CDU mög­li­cher­weise noch schneller abwracken als Frau Merkel. Herr Laschet genießt das Image einer blut­leeren Merkel-Mario­nette ohne eigene Per­sön­lichkeit und Herr Spahn hat seine Zeit als Minister eifrig genutzt, um sein Image nach Kräften zu demolieren.
Aber das Leben ist voller Überraschungen.
Montag, der 29. Oktober 2018. Friedrich Merz leitet mitt­ler­weile den Auf­sichtsrat der deut­schen Blackrock-Tochter und ent­faltet dabei hohe Akti­vität. Blackrock ver­waltet weltweit mehr als sechs Bil­lionen Dollar Anla­ge­ver­mögen und sitzt bei allen großen Kon­zernen in Deutschland als Aktionär, oft als größter Aktionär mit drin. Friedrich Merz ist bestens ver­drahtet hüben und drüben des Atlantiks. Er ist der Frontmann von Blackrock Deutschland. Er hat‘s geschafft.
Da erfährt er an diesem besagten Montag, dass Bun­des­kanz­lerin Frau Dr. Angela Merkel den Par­tei­vorsitz nie­derlegt. Fiel ihm vor Über­ra­schung der Unter­kiefer her­unter oder war schon ein Vögelein über die Atlan­tik­brücke geflogen gekommen und hatte es ihm get­wittert? Jeden­falls schreibt der Spiegel:
“Merz hatte am Montag — nur wenige Minuten, nachdem Kanz­lerin Merkel ihren Rückzug als Par­tei­chefin ange­kündigt hatte — durch­blicken lassen, dass er selbst kan­di­dieren will. Am Dienstag dann machte er seine Kan­di­datur offi­ziell.”
Nun, da ist er ja, der unbe­lastete, nicht ver­brauchte, erfolg­reiche Kan­didat, der im Kar­riere-Exil, weit weg von Frau Merkel, unbe­helligt seine Netz­werke aus­bauen konnte und an den sie nicht mehr heran kann. Der sich nicht dadurch des­avouiert hat, dass er durch ihr Bootcamp der Unter­werfung musste. Und dessen besten Bezie­hungen in die USA allemal ver­läss­li­chere Alli­ierte sind, als die unsi­cheren Kan­to­nisten in der Partei. Die Abwahl des Merkel-Mannes Volker Kauder zugunsten Ralf Brinkhaus‘ war nur möglich, weil es aus­nahms­weise eine geheime Wahl war. Da trauten sich sogar die buckelnden Kar­rie­risten, der unge­liebten Kanz­lerin aus dem Dunkel der Anony­mität heraus von hinten in die Knie­kehlen zu treten.
Bei Blackrock deutsch zeigt man sich kon­ster­niert, wahrt aber die Façon.
“Man habe quasi erst in aller­letzter Minute davon erfahren, dass sich ihr Frontmann auf einen Wechsel zurück in die Politik vor­be­reitet, heißt es nach SPIEGEL-Infor­ma­tionen in Blackrock-Kreisen. Dass Merz in den ver­gan­genen Wochen immer wieder bei Par­tei­freunden die Erfolgs­chancen für eine Kan­di­datur abge­klopft hatte, hat beim Unter­nehmen offenbar niemand mit­be­kommen.” (Wochen vorher? Er scheint also doch schon was gewusst zu haben!)

“Jetzt geht es darum, ohne Gesichts­verlust aus­ein­an­der­zu­gehen”, sagt ein Insider. Derzeit werde fie­berhaft an einer Lösung gear­beitet. “Klar ist aber auch: Einen Weg zurück zu Blackrock gibt es nicht, wenn seine Kan­di­datur scheitert.”
Die Chancen für Friedrich Merz dürften nicht schlecht stehen, erst den Par­tei­vorsitz zu über­nehmen und von da aus den Sprung ins Kanz­leramt zu wagen. Sollte ihm das gelingen, dürfte das der Triumph seines Lebens sein. Für Deutschland würde es eine noch engere Anbindung an die USA und die Kreise bedeuten, die uns als Atlan­tik­brücke, Council on Foreign Rela­tions, Tri­la­terale Kom­mission usw. bestens bekannt sind: Wieder ein Kanzler der Aliierten.