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Absur­distan in Berlin: UNO beschuldigt Saudi-Arabien des Mordes an Khashoggi, Berlin liefert weiter Waffen

Im Fall des ermor­deten Jour­na­listen Khashoggi gibt es neue Erkennt­nisse von der UNO, die für die Bun­des­re­gierung peinlich sein dürften.
Khashoggi, ein sau­di­scher Jour­nalist, wurde im Oktober im sau­di­schen Kon­sulat in der Türkei bes­tia­lisch ermordet, das bestreitet niemand. Zumindest heute, denn während diese Tat­sache längst bekannt war, hat Saudi-Arabien sie 17 Tage lang geleugnet, bevor es kleinlaut zuge­geben werden musste. Der Spiegel hat dazu heute eine Chro­no­logie ver­öf­fent­licht, die ich – selten genug – emp­fehlen kann.
In einem anderen Spiegel-Artikel heute zu dem Thema wird auch zitiert, dass die UNO-Ver­tre­terin den sau­di­schen Kron­prinzen für den Draht­zieher hält. Besonders inter­essant ist ein Absatz in dem Artikel, den ich im Spiegel so noch nie gelesen habe:
„Call­amard, Uno-Son­der­be­richt­erstat­terin für außer­ge­richt­liche, stand­recht­liche oder will­kür­liche Hin­rich­tungen, fordert inter­na­tionale Sank­tionen gegen den Kron­prinzen. Zwar gelte für jeden immer die Unschulds­ver­mutung. Aber bei anderen Sank­tionen werde darauf auch keine Rück­sicht genommen.“
Im Klartext: Der Westen ver­hängt ständig gegen alles und jeden Sank­tionen, egal ob etwas bewiesen ist oder nicht, siehe zum Bei­spiel den Fall Skripal. Nur bei Saudi-Arabien, wo es kei­nerlei Fra­ge­zeichen gibt, dass der Mord an einem Jour­na­listen von staat­lichen Stellen durch­ge­führt wurde, da gibt es keine Sanktionen.
Aller­dings war das schon wieder alles, was ich posi­tives über den Spiegel schreiben kann. In den Artikeln fehlt jeder Hinweis auf die Waf­fen­ex­porte der Bun­des­re­gierung an Saudi-Arabien. Das wäre die ideale Gele­genheit für eine kri­tische Presse, das Thema wieder in die Schlag­zeilen zu holen. Immerhin hat die Koalition sich in den Koali­ti­ons­vertrag geschrieben, keine Waffen an Länder zu expor­tieren, die am Jemen-Krieg beteiligt sind. Gegen diese eigenen Auf­lagen ver­stößt die Regierung jedoch ständig, sowohl vor dem Mord an Khashoggi, als auch danach. Gerade erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Berlin Waf­fen­ex­porte an diese Länder im Wert von einer Mil­liarde genehmigt hat, dar­unter auch an Saudi-Arabien, obwohl die Bun­des­re­gierung zusätzlich zu dem Export­stopp an die Länder des Jemen-Krieges nach dem Mord an Khashoggi auch noch einen Extra-Export­stopp an Saudi-Arabien ver­hängt hat.
Aber auch ein dop­pelter Export­stopp ver­hindert nicht, dass Berlin Waffen an Saudi-Arabien liefert. Das war auf der Bun­des­pres­se­kon­ferenz sogar den Main­stream-Jour­na­listen zu dreist. Am Montag haben sie geschlagene 18 Minuten lang ver­sucht, dazu irgend­etwas sub­stan­zi­elles aus den Regie­rungs­spre­chern her­aus­zu­kitzeln, aber Fehl­an­zeige: Außer Phrasen gab es nur „ist geheim“ oder „es ist alles gesagt“. Leider führte diese objektive Frechheit der Regie­rungs­sprecher nicht dazu, dass die Main­stream-Presse das Thema am Dienstag in die Schlag­zeilen gebracht hätte.

Dabei hat die UNO heute sogar bestätigt, was bisher nur ein Gerücht war: Die Türkei hat das sau­dische Kon­sulat abgehört und eine Ton­band­auf­nahme von dem Mord, die die Türkei angeblich schon Anfang November unter anderem auch der deut­schen Regierung über­geben hat. Aber seit wann inter­es­siert sich die Bun­des­re­gierung für Fragen der Moral? Wenn die Geschäfte laufen, gibt es keine Sank­tionen und wenn ein sogar dop­pelter Export­stopp gegenüber Saudi-Arabien beschlossen wird, dann hindert das die Bun­des­re­gierung noch lange nicht daran, trotzdem Waffen zu liefern.
Der Spiegel schreibt zu den Ton­bändern in seiner Chro­no­logie der Ereignisse:
„Um 13.15 Uhr betritt Khashoggi die diplo­ma­tische Ver­tretung seines Landes. Etwa 20 Minuten später ist er tot. Diese Dar­stellung ist dem aus­führ­lichen Bericht von Agnès Call­amard zu ent­nehmen, Uno-Son­der­be­richt­erstat­terin für außer­ge­richt­liche, stand­recht­liche oder will­kür­liche Hin­rich­tungen. Sie hat auf rund hundert Seiten detail­liert ana­ly­siert und dar­gelegt, wie der saudi-ara­bische Jour­nalist zu Tode kam. Sie stützt sich vor allem auf die Ton­bänder, die der tür­kische Geheim­dienst in dem Kon­sulat mit­schnitt, der die Ver­tretung offenbar ver­wanzt hatte.“
Alles ist kris­tallklar, aber die (Waffen-) Geschäfte müssen wei­ter­gehen – west­liche Werte eben…


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“