Die Welt der Zombie-Unternehmen

Eine der bedeu­tendsten wirt­schaft­lichen Ent­wick­lungen seit der Großen Rezession ist die Zom­bi­fi­zierung der Wirtschaft
Der Begriff des  Zombie-Unter­nehmens wurde geprägt durch ein ein­fluss­reiches Papier mit dem Titel Zombie Lending and Depressed Res­truc­turing in Japan – es stammt von den Öko­nomen Ricardo J. Caballero, Takeo Hoshi und Anil K. Kashyap. Die offi­zielle Defi­nition eines Zombie-Unter­nehmens gemäß der Bank für Inter­na­tio­nalen Zah­lungs­aus­gleich (BIZ) „ist ein bör­sen­no­tiertes Unter­nehmen, das 10 Jahre oder älter ist und ein Ver­hältnis von Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) zu Zins­auf­wen­dungen von unter eins auf­weist“.
Ver­ein­facht aus­ge­drückt sind Zombie-Unter­nehmen demnach Unter­nehmen, die unren­tabel sind – so unren­tabel, dass sie aus ihren Gewinnen nicht einmal die Zinsen auf ihre Schulden zahlen können. Prak­tisch sind sie bankrott, werden aber von Banken am Leben erhalten, die ihnen wei­terhin Geld leihen, um ihre bestehenden Kredite zu bezahlen.
Dieses Phä­nomen war erstmals in Japan zu beob­achten, nachdem die Immo­bilien- und Akti­en­markt­blase Anfang der 1990er Jahre geplatzt war. Cabellero und seine Kol­legen iden­ti­fi­zieren Zombie-Unter­nehmen als Schuldige für Japans Ver­lorene Dekade(n), sie schreiben:
Wir sehen die Erklärung für die jahr­zehn­te­lange Wachs­tums­ver­lang­samung in Japan nach dem Zusam­men­bruch der Ver­mö­gens­preise Anfang der 90er Jahre bei den Banken. …. Große japa­nische Banken beschäf­tigten sich oft mit Umstruk­tu­rie­rungen von Schein­kre­diten, die den Kre­dit­fluss zu ansonsten zah­lungs­un­fä­higen Kre­dit­nehmern (die wir Zombies nennen) auf­recht erhielten. Wir unter­suchen die Aus­wir­kungen der Unter­drü­ckung des nor­malen Wett­be­werbs­pro­zesses, bei dem die Zombies Arbeit­nehmer ent­lassen und Markt­an­teile ver­lieren würden. Die durch die Zombies ver­ur­sachte Über­lastung redu­ziert die Gewinne gesunder Unter­nehmen, was ihnen Markt­zugang und Inves­ti­tionen erschwert. Wir bestä­tigen, dass sich Zombies in den von ihnen domi­nierten Branchen negativ auf die Schaffung von Arbeits­plätzen und die Pro­duk­ti­vität auswirken.
Ausmaß des Zombiebefalls
Nach der Großen Rezession wurden Zombie-Unter­nehmen zu einem welt­weiten Phä­nomen. Selbst bei den heute sehr nied­rigen Zinsen sind immer mehr Unter­nehmen nicht in der Lage, die Zinsen auf ihre Schulden aus dem Gewinn zu zahlen. Nach Angaben der BIZ hat sich der Anteil der Zom­bie­un­ter­nehmen in den USA zwi­schen 2007 und 2015 ver­doppelt und ist auf rund 10 Prozent aller bör­sen­no­tierten Unter­nehmen ange­stiegen. Und was im Grunde unver­ständlich ist: obwohl die Zinsen immer weiter und weiter gesunken sind, hat sich die Zahl der Zombie-Unter­nehmen erhöht. Die Öko­nomen Ryan Niladr Banerjee und Boris Hofmann beschreiben dieses scheinbar paradoxe Ergebnis im Quar­tals­be­richt der BIS:
Anhand von Daten bör­sen­no­tierter Unter­nehmen in 14 Indus­trie­ländern stellen wir eine stei­gende Prä­valenz von Zombies seit Ende der 80er Jahre fest. Unsere Analyse deutet darauf hin, dass dieser Anstieg mit einem gerin­geren finan­zi­ellen Druck ver­bunden ist, der wie­derum zum Teil die Aus­wir­kungen der nied­ri­geren Zinsen wider­zu­spiegeln scheint. Wir stellen ferner fest, dass Zombies die Wirt­schafts­leistung belasten, weil sie weniger pro­duktiv sind und weil ihre Existenz die Inves­ti­tionen und Beschäf­tigung in pro­duk­ti­veren Unter­nehmen verringert.
Dies kann zum Teil daran liegen, dass niedrige Zinsen mit einem schwachen Ban­ken­system ein­her­gehen. Mög­li­cher­weise zögern die Banken, ein Unter­nehmen scheitern zu lassen – auch wenn die Hoffnung auf eine even­tuelle Rück­zahlung gering ist -, weil es zu schmerzhaft wäre, die Ver­luste aus den bereits an diese Unter­nehmen ver­ge­benen Dar­lehen zu akzep­tieren. Und natürlich halten die extrem nied­rigen Zinsen, die die unkon­ven­tio­nelle Geld­po­litik der Zen­tral­banken seit 2008 schafft, die Kosten für die Bedienung der Schulden niedrig.
Diese Studien dürften das Problem der Zombie-Unter­nehmen für die Wirt­schaft unter­be­werten. Ein Unter­nehmen muss nicht zwingend ein Zombie sein, um bei einem Anstieg der Zinsen aus­fall­ge­fährdet zu sein. Der Ökonom Daniel Lacalle schreibt hierzu:
Am Ende des Tages bedeutet 10,5%, dass 89,5% keine Zombies sind. Aber diese Analyse wäre zu selbst­ge­fällig. Laut Moody’s und Standard and Poor’s hat sich die Rück­zah­lungs­ka­pa­zität der Schulden trotz extrem nied­riger Zinsen und aus­rei­chender Liqui­dität weltweit weit­gehend abge­schwächt. Darüber hinaus ana­ly­siert die BIZ nur bör­sen­no­tierte Zom­bie­un­ter­nehmen, aber in der OECD sind 90% der Unter­nehmen kleine und mittlere Unter­nehmen (KMU), und ein großer Teil dieser klei­neren nicht bör­sen­no­tierten Unter­nehmen ist immer noch defi­zitär. In der Eurozone schätzt die EZB, dass rund 30 % der KMU immer noch im roten Bereich liegen und die Zahlen in den USA mit geschätzten 20 % und im Ver­ei­nigten König­reich mit knapp 25 % sind nur wenig niedriger.
Darüber hinaus hat sich der Ver­schul­dungsgrad der Unter­nehmen in den letzten drei Jahren seit der BIS-Analyse erhöht. Heute liegt die Ver­schuldung der Unter­nehmen über dem Niveau vor der Krise 2008 in den USA.
Wie kann man Zombies töten?
In einer Markt­wirt­schaft werden die Res­sourcen nach dem Prinzip der Ren­ta­bi­lität ver­teilt – so können die Res­sourcen dorthin fließen, wo sie am besten genutzt werden. Unter­nehmen, die unren­tabel sind, um sie am Leben zu erhalten, inves­tieren Res­sourcen falsch und ver­lang­samen – wie zahl­reiche Studien gezeigt haben – das Wachstum der gesamten Wirt­schaft – mög­li­cher­weise hin zu einer Sta­gnation, wie sie in Japan seit den 1990er Jahren zu beob­achten ist.
Zombie-Unter­nehmen werden nur mittels nied­rigen Zinsen und/oder einer laxen Ban­ken­re­gu­lierung am Leben erhalten. Aber wie die Ban­kiers letzten Monat in Stockholm zum jähr­lichen Treffen der Inter­na­tional Capital Markets Asso­ciation fest­stellten: „Die Frage, die sich beim aktu­ellen Schul­den­stand stellt, lautet: Können es sich die Zen­tral­banken jemals leisten, die Zinsen wieder steigen zu lassen, weil dies zu einer großen Kon­kurs­welle führen wird.“ Zombie-Unter­nehmen stellen eine große Her­aus­for­derung für die Zen­tral­banken dar, denn im wahrsten Sinne des Wortes sind ihnen die Hände gebunden – sie können die Zinsen nicht signi­fikant anheben, ohne eine große Zahl von Unter­nehmen in den Konkurs zu treiben.
Die Welt steht nun vor der unmög­lichen Ent­scheidung zwi­schen dau­erhaft redu­zierter Pro­duk­ti­vität und ver­lang­samtem Wirt­schafts­wachstum – oder dem Mas­sen­konkurs eines bedeu­tenden Teils der Wirtschaft.


Quelle: www.misesde.org