Das Thema der Anhörung vor dem Justizkomitee des US-Senats war „Google und die Zensur durch Suchmaschinen“. Das Problem ist durchaus bekannt. Ich habe Ende Juni dazu einen Beitrag geschrieben und aufgezeigt, wie Google und Facebook die Politik und die öffentliche Meinung massiv manipulieren können, ohne dass es die Menschen bemerken.
In den Medien ist immer die Rede von der russischen Beeinflussung von Wahlen, vor allem die Präsidentschaftswahl der USA 2016 soll Russland angeblich beeinflusst haben. Diese Behauptung bringen die Medien immer noch, obwohl sie längst widerlegt ist.
Aber selbst wenn die Vorwürfe gegen Russland wahr wären, ist die Beeinflussung der US-Wahlen durch die Internetkonzerne weit größer, als alles, was selbst die größten Gegner Russland vorwerfen. Und die gleichen Methoden, die in den USA funktionieren auch in anderen Ländern, inklusive Deutschland.
Aber die deutschen Medien berichten über diese Anhörung – im Gegensatz zu Anhörungen über längst widerlegte Vorwürfe gegen Russland – mit keinem Wort.
Das Problem der Macht der Internetkonzerne war Thema in der Anhörung vor dem US-Senat und die Fakten, die ein sehr reputabler Professor für Verhaltensforschung dort vorgetragen hat, sind noch schockierender, als man es sich hätte ausdenken können. Der Professor ist übrigens, wie wir gleich sehen werden, keinesfalls ein Trump-Unterstützer, vielmehr hat er im Wahlkampf 2016 öffentlich Hillary Clinton unterstützt.
Ich habe den entscheidenden Teil der Anhörung übersetzt und das Video verlinkt, damit jeder es sich anschauen kann, Englischkenntnisse vorausgesetzt. Das Video finden Sie unter der Übersetzung und dort verlinke ich zusätzlich noch die Originalquellen vom US-Senat. Zunächst aber die Befragung von Professor Robert Epstein durch Senator Cruz.
Beginn der Übersetzung:
Cruz: Wie ich Ihren Hintergrund verstehe, sind Sie kein Republikaner und kein Konservativer. Ist das zutreffend?
Epstein: Das ist noch vorsichtig ausgedrückt.
Cruz: Und Sie sind der ehemalige Chefredakteur von „Psychology Today“.
Epstein: Das stimmt.
Cruz: Also sind Sie ein respektierter Akademiker. Sie haben vor diesem Kommitee ausgesagt, dass Googles Beeinflussung 2016 mindestens 2,6 Mio. zusätzliche Stimmen für Hillary Clinton gebracht haben. Ist das korrekt?
Epstein: Das ist korrekt.
Cruz: Und ich möchte sicher gehen, dass ich es richtig verstehe. Sie selbst haben Hillary Clinton unterstützt und sie gewählt?
Epstein: Ich war ein sehr aktiver öffentlicher Unterstützer von Hillary Clinton, ja.
Cruz: Also stört es Sie nicht, dass die Leute für Hillary Clinton gestimmt haben. Sie sagten aus, dass Google durch Manipulationen bei Suchanfragen die Wähler manipuliert hat, ohne dass es denen bewusst war.
Epstein: In massiver Weise. Ich möchte klar sagen, dass mir freie und faire Wahlen wichtiger sind, als die Sympathie für einen Kandidaten oder eine Partei.
Cruz: Wenn ich Ihre Aussage richtig verstanden habe, dann sagen Sie, dass Google, Facebook, Twitter und andere durch ihre Manipulationen bei Wahlen 15 Millionen Stimmen manipulieren können.
Epstein: In 2020 können diese Firmen, wenn sie den gleichen Kandidaten unterstützen, 15 Millionen Stimmen von einem Kandidaten zu anderen Kandidaten umleiten, ohne eine Spur zu hinterlassen, die die Behörden aufspüren können.
Cruz: Sie haben die „Geh-Wählen-Erinnerung“ beschrieben, die keine offizielle Mitteilung war, sondern eine private Manipulation. Können Sie erklären, wie das funktioniert, ich bin nicht sicher, dass alle hier den Details folgen konnten.
Epstein: Wenn zum Beispiel Marc Zuckerberg am Wahltag 2016 eine „Geh-Wählen-Erinnerung“, sagen wir, nur an die Anhänger der Demokraten geschickt hätte, ohne dass wir davon wissen, dann hätte das mindestens 450.000 zusätzliche Stimmen für die Demokraten gebracht. Wir wissen das sicher und zwar aus Facebooks eigenen Daten. Sie haben so ein Experiment 2010 gemacht und niemandem davon erzählt, es wurde erst 2012 veröffentlicht. Es waren 16 Millionen Facebook-User beteiligt, die eine „Geh-Wählen-Erinnerung“ bekommen haben und 360.000 davon, die sonst zu Hause geblieben wären, sind von ihrem Sofa aufgestanden und wählen gegangen. Ich sage nicht, dass Facebook 2016 eine solche Erinnerung geschickt hat. Sie waren sich der Sache sicher, Google war sich der Sache sicher, sie alle waren sich sicher, dass Clinton gewinnt. Aber wir werden nie erfahren, ob sie eine solche Erinnerung verschickt haben, wenn wir keine Möglichkeiten haben, das zu überwachen. Aber ich bin sicher, dass sie 2018 wesentlich aggressiver waren, wir haben viele Daten, die das bestätigen. Und in 2020 können wir darauf wetten, dass alle diese Firmen aktiv werden. Und die Methoden, die sie benutzen sind unsichtbar, aber dafür viel wirkungsvoller als alles, was ich je in der Verhaltensforschung gesehen habe. Und ich betreibe seit 40 Jahren Verhaltensforschung.
Cruz: Wissen Sie, die Kollegen der Demokraten hier in dem Komitee sprechen oft von dem Effekt von großem Geld von Konzernen, von „Cooperate Dollars“, und ihrem großen Effekt. Was Sie hier aussagen ist, dass einige Silicon Valley Milliardäre zusammen Millionen, wenn nicht Milliarden, ausgeben und damit die Wahlen massiv beeinflussen. Und wir wissen davon nichts, denn es ist nicht nachvollziehbar, es ist eine Blackbox, und wir haben keine Ahnung, ob sie Demokraten oder Republikaner unterstützen und zum Wahlsieg verhelfen. Verstehe ich Sie richtig?
Epstein: Senator, bei allem Respekt, ich muss Sie korrigieren.
Cruz: Bitte.
Epstein: Wenn Marc Zuckerberg entscheidet, dass er am Wahltag eine „Geh-Wählen-Erinnerung“ nur an Demokraten verschickt, dann kostet ihn das keinen Cent.
Cruz: Na gut. Wissen Sie, wer Clintons finanzieller Unterstützer Nummer eins in 2016 war?
Epstein: Bitte helfen Sie mir auf die Sprünge.
Cruz: Der finanzielle Unterstützer Nummer eins von Hillary Clinton im Wahlkampf 2016 war der Mutterkonzern von Google, Alphabet, die heute hier als erste ausgesagt haben. Sie waren der größte Spender von Clinton und Sie sagen als Ergebnis Ihrer Forschung, dass diese Firma durch die Beeinflussung ihrer Suchalgorithmen 2,6 Millionen Stimmen zu Hillary Clinton verschoben hat. Ich denke jeder, egal welchen Kandidaten er unterstützt, sollte tief besorgt sein, wenn eine handvoll Milliardäre so viel Macht haben, dass sie heimlich, still und leise so viele Stimmen bewegen können.
Epstein: Wieder bei allem Respekt. Ich muss Sie korrigieren. Die 2,6 Millionen sind das absolute Minimum. Die Bandbreite reicht von 2,6 bis zu 10,4 Millionen Stimmen, je nachdem, wie aggressiv sie die Methoden einsetzen, die ich nun seit 6,5 Jahren erforsche.
Cruz: Wow, könnten Sie das bitte wiederholen?
Epstein: Die 2,6 Millionen sind das absolute Minimum. Die Bandbreite reicht von 2,6 bis zu 10,4 Millionen Stimmen, je nachdem, wie aggressiv sie die Methoden einsetzen, also der Effekt durch Beeinflussung der Suchmaschinenergebnisse, der Effekt der Beeinflussung der Suchvorschläge und andere. Sie kontrollieren das und niemand kann etwas dagegen tun. Sie sind konkurrenzlos. Das sind Möglichkeiten, die ihnen alleine exklusiv zur Verfügen stehen.
Ende der Übersetzung
Diese Befragung schloss sich an den Vortrag von Professor Epstein vor dem Ausschuss an. Den Vortrag können Sie hier in schriftlicher Form lesen.
Die gesamte Anhörung können Sie hier auf der Seite des US-Senats finden, das Video dauert knapp drei Stunden.
Auf der offiziellen Seite von Senator Cruz ist noch ein weiteres kurzes Video von der Anhörung zu sehen.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“