Neue Flücht­lings­welle? Kroatien holt 1.800 Poli­zisten zur Grenz­si­cherung aus dem Ruhestand

Die Mel­dungen, dass eine neue Flücht­lings­krise bevor­steht, häufen sich. Am Freitag kamen gleich mehrere Hinweis hinzu und auch in Deutschland beginnt die Bericht­erstattung zaghaft.
Ich habe schon im Juli berichtet, dass tür­kische Minister mit­ge­teilt haben, der Flücht­lingsdeal mit der EU wäre im Grunde hin­fällig. Die Gründe sind schnell erklärt:
2016 haben Brüssel und Ankara den Flücht­lingsdeal geschlossen. Darin hat sich die Türkei ver­pflichtet, ihre Grenzen zur EU für Flücht­linge zu schließen und die­je­nigen, die es trotzdem bis nach Grie­chenland schaffen, aber nicht asyl­be­rechtigt sind, wieder zurück­zu­nehmen. Die Türkei hat ihren Teil erfüllt, der Flücht­lings­strom ist weit­gehend versiegt.
Im Gegenzug hat die EU der Türkei Mil­li­arden ver­sprochen, um die Kosten für die Unter­bringung der Flücht­linge zu decken und sie hat der Türkei Rei­se­er­leich­te­rungen, also die Abschaffung der Visa­pflicht für Türken, versprochen.
Die EU hat aber der Visa­pflicht nie auf­ge­hoben und noch nicht einmal die volle, ver­spro­chene Summe bezahlt. Die EU ist auf ganzer Linie ver­trags­brüchig. Hinzu kommt noch, dass die EU der Türkei Sank­tionen wegen eines Streits um Gas­för­de­rungen in der Nähe von Zypern androht, ein denkbar schlechter Zeit­punkt, für einen neuen Streit mit der Türkei.
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Aber obwohl man das in aus­län­di­schen Medien alles schon lange erfahren konnte, haben die deut­schen Medien es ver­schwiegen. Der Grund dürfte in den Wahlen in Sachsen und Bran­denburg gelegen haben. Und am liebsten würden die Medien es wohl auch noch min­destens bis zur Wahl in Thü­ringen ver­schweigen, denn welche Partei von Mel­dungen über eine neue Flücht­lings­welle pro­fi­tieren wird, dürfte jedem klar sein.
Am Freitag kam die Meldung aus Kroatien, dass das Land „wegen der Migra­ti­ons­krise“ 1.800 Poli­zisten aus der Rente in den aktiven Dienst zurück­holen will. Das wären zehn Prozent mehr Poli­zisten für Kroatien, das derzeit über ca. 18.000 Poli­zisten verfügt. Vor allem die Grenzen nach Bosnien sollen mit den zusätz­lichen Poli­zisten strenger bewacht werden. Das wäre wieder die gleiche Bal­kan­route, wie schon 2015. Ob es dort schon eine erhöhte Zahl von Flücht­lingen gibt, ist nicht ersichtlich, kroa­tische Medien berichten lediglich von einem gene­rellen Anstieg seit Ende 2018.
Aber anscheinend nehmen die Mel­dungen der­artig zu, dass am Freitag auch die „Welt“ über die „Dro­hungen“ Erdogans berichtet hat, „Migranten nach Europa zu lassen“. Aber wie nicht anders zu erwarten, hat auch die „Welt“ die wahren Hin­ter­gründe ver­schwiegen. Dort kann man nur lesen, dass Erdogan zwar „androht, Migranten nach Europa zu lassen“, weil er mehr Geld von der EU haben möchte. Kein Wort hin­gegen in der „Welt“ über die Nicht­er­füllung ihrer ver­trag­lichen Ver­pflich­tungen durch die EU und auch kein Wort über mög­liche EU-Sank­tionen gegen die Türkei.
Der deutsche Leser soll von diesen Dingen nichts wissen. Das habe ich gerade erst vor zwei Tagen an einem Artikel im Spiegel auf­ge­zeigt, der ein so geschicktes Stück Pro­pa­ganda und Des­in­for­mation war, dass er in ein Lehrbuch gehört. Dort wurden alle psy­cho­lo­gi­schen Tricks zur Beein­flussung der Leser genutzt, die man sich nur vor­stellen kann und die ich in einer Analyse Schritt für Schritt auf­ge­zeigt habe.
Die Medien ver­suchen ver­zweifelt, das Thema vor der deut­schen Öffent­lichkeit zu ver­bergen, bereiten sie aber gleich­zeitig schon mit gezielten Artikeln über die „Unver­schämt­heiten“ der Türkei darauf vor, während sie die Ver­ant­wortung der EU sys­te­ma­tisch ver­heim­lichen. Sollte es wieder zu einem Flücht­lings­strom kommen, werden sie sicherlich aus allen Rohren auf die Türkei und Erdogan schießen.
Ich bin sicher kein Freund von Erdogan, aber dass er, der sich drei Jahre an den Vertrag mit der EU gehalten hat, während die EU ihn nie erfüllt hat, irgendwann die Nase voll hat, kann ich verstehen.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“