Bei dem Fall Epstein geht es kurz gesagt um folgendes: Epstein war ein angeblicher Wallstreet-Millionär oder sogar Milliardär. Niemand wusste so genau, wie er sein Vermögen gemacht hat. Aber er war bestens in der High-Society vernetzt und das Who-Is-Who ging bei ihm ein und aus. Er flog Prominente mit seinem Privatflugzeug auf seine Karibikinsel, wo dann „nette Partys“ gefeiert wurden. Da schon im Flugzeug junge, oft minderjährige Mädchen dabei waren, mit denen sich die Prominenten vergnügt haben, nannte man das Flugzeug auch „Lolita-Express“.
Epstein hat also seinen Freunden minderjährige Prostituierte zugeführt, wobei die Opfer später ausgesagt haben, sie seien auch zum Sex gezwungen worden. Epstein wurde 2007 deswegen angeklagt, kam aber wundersamer weise trotz Schuldspruch mit nur 13 Monaten Gefängnis davon, wobei er dabei sogar Freigänger war und im Gefängnis nur übernachten musste.
Zu seinen „Freunden“, die mit ihm im Lolita-Express unterwegs waren gehörte auch Prinz Andrew, der nun deswegen in den Schlagzeilen ist. Wer hingegen derzeit nicht erwähnt wird, ist Bill Clinton, der nach Zeugenaussagen mehr als 20 Mal mit dem Lolita-Express unterwegs war, oft ohne seine Leibwächter, dafür aber in Begleitung junger Mädchen. Das soll nur eine kurze Zusammenfassung sein, die Details zu dem Fall-Epstein finden Sie hier.
Epsteins Gästeliste liest sich wie ein Who-Is-Who der US-Elite, aber auch der internationalen Eliten. Politiker, Wirtschaftslenker, Hollywood-Schauspieler, alle waren mit Epstein befreundet. Nachdem er 2007 angeklagt und dann verurteilt worden ist, hat aber kein Staatsanwalt Nachforschungen angestellt, wer denn seine Kunden waren. Niemand außer Epstein wurde wegen Prostitution mit Minderjährigen angeklagt oder verurteilt und der Zuhälter Epstein kam mit einer lächerlichen Strafe davon. Aber er soll seine Geschäfte auch nach der Verurteilung weiter geführt haben und manch Prominenter hat auch weiterhin den Kontakt gehalten.
Bei der Hochzeit von Chelsea Clinton im Jahr 2010 war Epstein zwar nicht dabei, die Clintons wollten offenbar keine Fotos zusammen mit Epstein haben, aber seine engste Vertraute, Ghislaine Maxwell, die ihm die Mädchen zugeführt haben soll, war eingeladen. Und auch Prinz Andrew hat nach der Verurteilung Epsteins noch Kontakt zu ihm gehabt, was nun Grund für die Berichterstattung über den Prinzen ist.
Interessant bei der aktuellen Berichterstattung der „Qualitätsmedien“ ist aber nicht, was berichtet wird, sondern was weggelassen wird.
Die Medien berichten ausführlich über Prinz Andrew, der so dumm war, der BBC über seine Verbindungen zu Epstein ein Interview zu geben. Das Interview war eine PR-Katastrophe, Prinz Andrew hat quasi medialen Selbstmord begangen. Er konnte seine Kontakte zu Epstein nicht wirklich begründen, war sehr unglaubwürdig und die ganze Zeit damit beschäftigt, sich selbst „als zu ehrenhaft“ zu beschreiben. Andrew, das Opfer der eigenen „Ehrenhaftigkeit“.
Das kam nicht gut an und beherrscht nun die Schlagzeilen. Nach dem Interview haben sich Sponsoren von Projekten abgewandt, deren Schirmherr Prinz Andrew ist. Vier Tage nach der Ausstrahlung des Interviews hat er unter dem Druck dann alle öffentlichen Ämter niedergelegt.
Darüber wird in den Medien ausführlich berichtet. Und damit wird von den offenen und wirklich interessanten Fragen abgelenkt.
Die erste und wichtigste Frage ist, wer waren Epsteins Kunden. Diese müssten wegen Sex mit Minderjährigen, Pädophilie und ähnlichem angeklagt werden. Epstein war aber so freundlich, sich im Gefängnis das Leben zu nehmen. Das zumindest ist die offizielle Version. Und sie hat einen Riesenvorteil für seine Kunden: Gegen einen Toten kann der Staatsanwalt kein Verfahren mehr führen, es wird also keine Prozess geben, bei dem Epstein unerwünschte Details und Namen preisgeben könnte.
Dabei gibt es an der Selbstmordthese einige Zweifel. Epstein hat angeblich schon vorher einen Selbstmordversuch um Gefängnis gemacht. Nach den gültigen Regeln hätte er als selbstmordgefährdeter Gefangener besonders bewacht werden müssen und in seiner Zelle durfte nichts sein, womit er sich gefährden könnte. Er saß in einem Hochsicherheitsgefängnis und sogar seine Bettwäsche war aus einer Art Papier. Das müsste reißen, wenn man damit versucht, sich aufzuhängen.
Aber er hat sich gemäß offizieller Version aufgehängt. Wie es der Zufall will, haben sämtliche Überwachungskameras bei Epsteins Zelle in der Nacht seines Selbstmordes nicht funktioniert. Und die Wachen, die ihn regelmäßig kontrollieren sollten, haben das in der Nacht nicht getan und ihre Protokolle gefälscht. Gegen diese Wachleute wurde nun Anklagen erhoben. Die Anwälte von Epstein zweifeln die Selbstmordthese an und sogar ein in den USA berühmter Pathologe, der bei der Obduktion von Epstein dabei war, zweifelt die offizielle Version an und spricht von „Beweisen für Mord“.
Über all das wird in der deutschen Presse nicht berichtet, es wird so gut wie möglich verschwiegen. Und wenn doch einmal über die offenen Fragen berichtet wird, dann spricht die deutschen Presse von „Verschwörungstheorien“. In den USA ist all das aber durchaus ein Thema. Die Worte „Epstein didn’t kill himself“ („Epstein hat sich nicht umgebracht“) sind zu einem Mem geworden und finden sich als Hashtag in allen sozialen Medien.
Außerdem gibt es einen Skandal bei dem US-Sender ABC-News. Eine Moderatorin dort hat sich kürzlich beschwert und mitgeteilt, sie habe schon 2016 Material gegen Epstein gehabt, der Sender habe sich aber geweigert hat, es zu bringen. Die Mauer des Schweigens bei diesem Pädophilie-Skandal der internationalen Eliten ist bemerkenswert: ABC lehnte es 2016 ab, darüber zu berichten. Und heute verschweigen die deutschen Medien alles, was die Eliten belasten könnte. In der Berichterstattung dieser Tage über Prinz Andrew findet sich nicht ein einziges Mal der Name Bill Clinton.
Die Zweifel an der Selbstmord-These sind kein Thema in den deutschen Medien, sogar die Hintergründe seines Falles werden möglichst nicht erwähnt. Im Spiegel kann man zum Beispiel lesen:
„Epstein hatte sich am 10. August umgebracht. Ihm war von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, Dutzende minderjährige Mädchen missbraucht zu haben. Der 66-Jährige habe zwischen 2002 und 2005 in New York und Florida einen illegalen Sexhandelsring aufgebaut, hieß es in der Anklageschrift.“
Ob sich Epstein umgebracht hat, ist keineswegs sicher. Und der Spiegel-Leser erfährt über die durchaus berechtigten Zweifel und offenen Fragen im Zusammenhang mit Epsteins Tod nichts. Und über seine Zuhälter-Dienste für die internationale Elite erfährt der Spiegel-Leser auch nichts, dort wird so vage wie möglich von einem „Sexhandelsring“ gesprochen.
Warum verschweigt der Spiegel hier die Details? Warum verschweigt er die Namen, die im Gespräch sind? Warum stellt der Spiegel keine kritischen Fragen über professionell aufgezogene Prostitution von Minderjährigen mit Prominenten, wie Bill Clinton? Man kann ja darauf hinweisen, dass es Zeugen gibt, die Clinton beschuldigen und dass er alles abstreitet. Aber all diese Dinge komplett zu verschweigen und nur über Prinz Andrew zu berichten, ist mindestens „unvollständige“ Berichterstattung, man könnte auch „Lückenpresse“ dazu sagen.
Nun müsste man meinen, es könnten noch Informationen ans Licht kommen, denn die Opfer wollen ja auf Entschädigung klagen. Da könnten zumindest in Zivilprozessen doch noch berühmte Namen fallen. Aber in den USA wird daran gearbeitet, dass dies nicht passiert.
Epstein hat praktischer weise keine, hinterlässt aber hunderte Millionen Vermögen. Der Nachlassverwalter will nun einen Fond zur Entschädigung der Opfer einrichten. Noch wurde nicht deutlich gesagt, dass die Opfer nach Erhalt einer Entschädigung den Mund über die Vorgänge halten sollen, aber es ist zu erwarten, dass es so kommt. Die ersten Äußerungen kann man unterschiedlich interpretieren. Der Nachlassverwalter sagte wörtlich, der Fond solle als „voluntary, confidential, non-adversarial alternative to litigation“ entschädigen, also als „freiwillige, vertrauliche, nicht kontradiktorische Alternative zu Rechtsstreitigkeiten“.
Das kann man interpretieren, wie man möchte, aber für mich klingt das so, als wenn die Opfer sich entscheiden müssen: Entweder eine Millionen-Entschädigung mit Schweigeklausel oder ein Rechtsstreit mit offenem Ergebnis.
Da die meisten Opfer aus einfachsten Verhältnissen kommen, werden sie wohl das Geld nehmen und wir werden nie erfahren, was wirklich passiert ist.
Unsere einzige Hoffnung sind Ermittlungen in Frankreich, denn einige der Opfer sollen Frauen aus Frankreich sein. Aber ob die etwas aussagen werden, wenn man ihnen genug Schweigegeld anbietet, ist auch offen. Und so ist es möglich, dass der französische Staatsanwalt auf eine Mauer des Schweigens stößt.
Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben, vielleicht sind ja ein paar Frauen mutig genug, auszusagen und Namen und Details zu nennen.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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