Wie die Herr­schaft über den öffent­lichen Raum suk­zessive ver­loren geht

Das wirk­liche Schlimme bei all diesen Vor­fällen mit Schwer­ver­letzten oder gar Toten auf offener Straße, bei all diesen Gewalt­ver­brechen, wenn Men­schen einfach mal so zusam­men­ge­schlagen, zusam­men­ge­treten oder abge­stochen werden, ist, dass dadurch die fried­lichen, zivi­li­sierten Bürger immer mehr ein­ge­schüchtert werden und letztlich die Kon­trolle des öffent­lichen Raumes suk­zessive ver­loren geht an die­je­nigen, die ihn sich mit nackter Gewalt erobern. Dadurch aber werden die fried­lichen Bürger zweiter Klasse im eigenen Land.
Was auf indi­vi­du­eller Ebene völlig rational ist, hat auf gesell­schaft­licher Ebene ver­hee­rende Auswirkungen

Hier bestellen!

Im Selbst­ver­tei­di­gungs­training lernt man im ersten Jahr meist gleich: die beste Selbst­ver­tei­digung ist dem kör­per­lichen Kon­flikt aus dem Weg zu gehen, wenn es irgendwie geht, es nie selbst darauf anzu­legen, sondern wenn möglich, den Rückzug anzu­treten, zumal wenn der andere bewaffnet ist oder wenn es gar mehrere sind und man selbst alleine ist.
Poli­zisten können natürlich nicht immer weg­rennen. Ihre Aufgabe ist es ja gerade da hin­zu­gehen, wo es gefährlich ist, wo Recht und Gesetz gebrochen werden, wo Per­sonen anderen gegenüber rohe Gewalt ausüben. Wobei sogar viele Poli­zisten inzwi­schen wohl oft einfach Angst haben, wenn sie nicht gleich mit sechs, acht oder zehn Mann anrücken, da auch sie längst wissen, dass ihr neues Gegenüber eine völlig andere Gewalt­be­reit­schaft und Rück­sichts­lo­sigkeit, ja Bru­ta­lität und völlige Ent­grenzung an den Tag legen, sobald sie sich auch nur ein wenig gereizt fühlen.
Alle anderen aber, die nicht im Poli­zei­dienst, die nicht dafür aus­ge­bildet, ent­spre­chend bewaffnet sind und mehrere Kol­legen an ihrer Seite haben, ziehen sich im Grunde immer besser zurück und gehen jeder Aus­ein­an­der­setzung mit bestimmten Typen wenn irgend möglich aus dem Weg – rein aus Selbst­schutz, weil man ja tat­sächlich Angst haben muss, selbst ein­fachste Kon­flikte nicht zu über­leben oder zumindest nicht mehr gesund raus­zu­kommen. Auf indi­vi­du­eller Ebene ist dies völlig rational, auf gesell­schaft­licher Ebene aber hat dies ver­hee­rende Auswirkungen.
Wie die Herr­schaft über den öffent­lichen Raum suk­zessive ver­loren geht und die Men­schen im eigenen Land Bürger zweiter Klasse werden
Denn das bedeutet, dass just diese Typen den öffent­lichen Raum kon­trol­lieren und dort zunehmend die Herr­schaft über­nehmen, weil sich keiner mehr traut, sie auch nur zurecht­zu­weisen. Selbst das kann ja schon gefährlich werden für einen selbst, wenn dies Per­sonen von Grund auf andere Kon­flikt­muster inter­na­li­siert haben – den anderen ein­schüchtern und sofort zu Gewalt greifen, wenn das nicht reicht, und dabei Exempel sta­tu­ieren, ins­be­sondere andere, die bereits am Boden liegen, zusam­men­treten, damit zukünftig jeder weiß, was ihm blüht, wenn er sich mit diesen Leuten anlegt.
Hinzu kommt, dass der Anteil dieser hoch­gradig Gewalt­a­ffinen in der Bevöl­kerung auch noch immer größer wird. Damit geht der öffent­liche Raum für die fried­lichen Men­schen, die gelernt haben, Kon­flikte zumindest halbwegs zivi­li­siert aus­zu­tragen, zunehmend ver­loren. Sie werden im eigenen Land zu Bürgern zweiter Klasse, die sich nicht mehr überall angstfrei bewegen können.
Auch wenn der ein­zelne Gewalt­täter meist kaum so weit denken wird, er sieht in der Regel nur sich selbst, so hat das Ganze doch System, welches sich ganz von selbst rein funk­tional ergibt: Die Gewalt­tä­tigen drängen die Fried­lichen, die völlig ver­lernt haben, sich in solchen Kon­flikten mit roher Gewalt durch­zu­setzen, immer mehr zurück. Das aber heißt, unser Land, ja die gesamte west­liche Welt, unsere Kultur wird sich zunehmend verändern.
P.S.

„Zivi­li­sation, von jedem mög­lichen Gesichts­punkt aus betrachtet, ist die Bekämpfung der ani­ma­li­schen Triebe.“ 

„Die Men­schen handeln nicht schlecht, weil ihre Lei­den­schaften stark sind, sondern weil ihr Gewissen schwach ist.“

„Gutes und Böses hat die natür­liche Tendenz, ein jedes sich in seiner Weise fruchtbar zu erweisen, indem Gutes Gutes und Böses Böses hervorbringt.“

John Stuart Mill (1806 – 1873)


Jürgen Fritz — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog des Autors www.juergenfritz.com