Secretary of Defense Jim Mattis attends the Munich Security Conference in Munich, Germany, Feb. 17, 2017. (DOD photo by U.S. Air Force Tech. Sgt. Brigitte N. Brantley)

Ganz anders, als in Deutschland: Wie in Russland über die Münchner Sicher­heits­kon­ferenz berichtet wird

In diesen Tagen fand die Münchner Sicher­heits­kon­ferenz statt und es ist fas­zi­nierend, was alles nicht in deut­schen Medien berichtet wurde.

Ich habe schon darüber geschrieben, dass die Äuße­rungen Macrons, der eine Zusam­men­arbeit mit Russland anmahnte, im Spiegel zum Bei­spiel voll­kommen ver­schwiegen worden sind. Selbst in einem Artikel des Spiegel, der sich unmit­telbar mit Macrons Auf­tritt beschäftigt hat, fand sich darüber kein Wort.

Ganz anders im rus­si­schen Fern­sehen. Dort wurde nicht nur das berichtet, was wir auch in Deutschland über die Kon­ferenz lesen konnten, sondern auch das, was es nicht in die deutsche „Bericht­erstattung“ geschafft hat. Daher habe ich den Bericht des rus­si­schen Fern­sehens übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

In München fand die dies­jährige Sicher­heits­kon­ferenz statt. Was dort geschieht, spiegelt die Rea­li­täten in der heu­tigen Welt sehr gut wider.

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Jedes Jahr sucht der Prä­sident der Münchner Kon­ferenz, Ischinger, nach einer Mög­lichkeit, eine Dis­kussion zu pro­vo­zieren. Das ist sein Job. In diesem Jahr hat er sich ein neues Wort ein­fallen lassen: „West­lessness“ – „West­lo­sigkeit“. Irgendwie so. Es bedeutet, dass der Westen als kol­lektive Einheit die Welt­bühne ver­lässt. Der erste, der diese These unter­stützte, war Bun­des­prä­sident Frank-Walter Stein­meier: „Unser engster Ver­bün­deter, die Ver­ei­nigten Staaten, ist nicht mit der Ideen einer Welt­ge­mein­schaft ein­ver­standen. Ganz so, als ob die Position „jeder für sich selbst“ die Grundlage der inter­na­tio­nalen Politik sein könnte“, sagte der Politiker.

Die Dele­gation aus Washington war wie immer die größte, aber intern gespalten in die, die „für“ und die, die „nicht völlig gegen“ Trump sind. Die erste, die in einem großen schwarzen Auto aus ame­ri­ka­ni­scher Pro­duktion vor­ge­fahren kam, war die Füh­rerin der demo­kra­ti­schen Mehrheit im Kon­gress, Nancy Pelosi. Sie schimpfte auf China.

„China ver­sucht, seine digitale Auto­kratie mit Hilfe des Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­riesen Huawei zu expor­tieren“, sagte sie.

Die USA mögen das chi­ne­sische 5G, chi­ne­sische Waren, Geld, Spione und Schiffe im Süd­chi­ne­si­schen Meer nicht. Es stellte sich heraus, dass all dies trotz interner Strei­te­reien zwi­schen Demo­kraten und Repu­bli­kanern glei­cher­maßen miss­billigt wird, wie später ein Mann aus dem Trump-Team, Außen­mi­nister Michael Pompeo, bestä­tigte. Die Haupt­be­dro­hungen sind für Washington: China an erster Stelle, Iran und Süd­korea an zweiter und der IS an dritter Stelle. Und Stein­meier liegt voll­kommen falsch.

„Ich habe gute Nach­richten. Und es gibt viele davon. Die USA stehen mutig vor glo­balen Her­aus­for­de­rungen und werden nicht zurück­schrecken. Der Westen setzt sich durch. Wir gewinnen gemeinsam. Wir machen es gemeinsam“, sagte Pompeo.

Pompeo hat wie­derholt erklärt, dass der Westen gewinnt. Aber Sergej Lawrow hat andere Infor­ma­tionen dazu.

„Nach den Sta­tis­tiken des Inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­fonds übertraf das BIP der BRICS-Staaten das der G7-Länder. Dieser Trend wird sich fort­setzen“, sagte der rus­sische Außenminister.

Diese Bemerkung wurde von Lawrow bei der Sitzung des poli­ti­schen Clubs „Pri­makows Lesungen“ gemacht. Sergej Lawrow blieb, wie immer in München, außerhalb des Kon­fe­renz­raums, nachdem er mehr als ein Dutzend bila­terale Treffen hinter ver­schlos­senen Türen abge­halten hatte. Mit seinem chi­ne­si­schen Amts­kol­legen Wang Yi, der auf der Kon­ferenz sagte, dass die stra­te­gische Zusam­men­arbeit mit Russland fort­ge­setzt wird, dass das Coro­na­virus unter Kon­trolle ist und dass die Pro­bleme mit den USA damit zusammen hängen, dass sie den Erfolg des sozia­lis­ti­schen Systems nicht aner­kennen wollen. Lawrow traf mit Außen­mi­nister Pompeo zusammen – über das Gespräch ist nur bekannt, dass Pompeo Außen­mi­nister Lawrow beim Ver­lassen des Raums viel Glück wünschte -, mit seinem deut­schen Amts­kol­legen Maas, dem ira­ni­schen Außen­mi­nister Javad-Zarif und mit dem Minis­ter­prä­si­denten des ira­ki­schen Kur­distan, Barzani. Die viel­leicht wich­tigste war das Treffen mit dem tür­ki­schen Außen­mi­nister. Wie sich die Ver­schärfung der Lage im syri­schen Idlib auf die Bezie­hungen zwi­schen Russland und der Türkei aus­ge­wirkt habe, wurde Lawrow auf der Kon­ferenz gefragt.

„Wir haben ein sehr gutes Ver­hältnis zur Türkei. Das heißt nicht, dass wir in allem einer Meinung sind. Generell glaube ich, dass es in keiner Frage zwi­schen zwei Ländern eine voll­ständige Einigkeit geben kann. Idlib ist eine der letzten Brut­stellen des Ter­ro­rismus. Die Ver­ein­ba­rungen – Waf­fen­still­stand, ent­mi­li­ta­ri­sierte Zone, Rückzug der Ter­ro­risten – bedeutet nicht, den kom­pro­miss­losen Kampf gegen den Ter­ro­rismus auf­zu­geben. Die Aufgabe ist schwierig. Die Kon­takte zwi­schen Russland und der Türkei finden wei­terhin Wege zur Umsetzung des Idlib-Abkommens. Die nächsten Gespräche werden nächste Woche statt­finden“, sagte Lawrow.

Die Lösung regio­naler Kon­flikte, geschweige denn glo­baler Kon­flikte, hängt von den stän­digen Mit­gliedern des UN-Sicher­heits­rates ab. Lawrow erin­nerte an die rus­sische Initiative, die von Frank­reich und China begrüßt, aber in Washington und London nicht kom­men­tiert wurde.

„Wir brauchen einen direkten und ehr­lichen Mei­nungs­aus­tausch darüber, wie wir die Welt für künftige Gene­ra­tionen bewahren können“, ist sich der rus­sische Außen­mi­nister sicher.

Auch der fran­zö­sische Prä­sident Macron äußerte sich zu den inter­es­santen Gedanken über das Ver­trauen: „Es ist eine Sache, dass die USA Russland nicht ver­trauen, aber wir sind Nachbarn! Wenn wir wei­terhin so reden, wie wir es bisher getan haben, dann ist das keine Politik, sondern ein inef­fek­tiver Ansatz. Wir werden mehr ein­ge­frorene Kon­flikte, mehr Miss­trauen, mehr Zusam­men­stöße im Cyber­space und Sank­tionen, die über­haupt nichts geändert, haben. Ich sage nicht, dass sie abge­schafft werden müssen. Ich sage, sie haben nichts gebracht.“

Als Macaron seine Rede beendete, stand jemand neben ihm, dem früher in München niemand zugehört hatte und dem jetzt nicht mal das Wort erteilt wurde. Poro­schenko lächelte und wartete darauf, dass ihm Auf­merk­samkeit geschenkt wird. Er ging sehr zufrieden, weil Macron ihn bemerkt hatte. Die Orga­ni­sa­toren der Kon­ferenz haben die Kon­se­quenzen aus der trau­rigen Erfahrung mit Poro­schenkos Münchner Mono­logen gezogen und gaben dem der­zei­tigen Prä­si­denten der Ukraine nur einen kleinen Saal. Er wurde mit ukrai­ni­scher Presse und Mit­gliedern der ukrai­ni­schen Dele­gation gefüllt. Eine CNN-Mode­ra­torin führte das Gespräch auf Englisch.

„Wir haben eine groß­artige Beziehung zu den Ver­ei­nigten Staaten. Danke an alle und an Prä­sident Trump“, sagte Selensky.

Aber er wird ihm nicht nur danken, sondern noch viel mehr tun müssen, um Mr. Trump für sich zu gewinnen. Ande­rer­seits war er der Einzige – außer den Ame­ri­kanern selbst -, der warme Worte für die USA fand. Zum Bei­spiel drückte die deutsche Seite gegenüber der ame­ri­ka­ni­schen Führung Angst und Frus­tration aus.

„Die Ära der Ver­ei­nigten Staaten als all­ge­gen­wär­tiger, glo­baler Sheriff, neigt sich dem Ende zu. Es genügt, an Syrien, Afgha­nistan oder Afrika zu denken. Heute wird die Zukunft des Nahen Ostens in Astana oder Sotschi ent­schieden, nicht in Genf oder New York“, sagte der deutsche Außen­mi­nister Heiko Maas.

Genau das ist die „Wes­ten­lessness“, die Ischinger, der Prä­sident der Münchner Kon­ferenz, gemeint hat. Der Westen hat auf­gehört, eine seiner Haupt­auf­gaben wahr­zu­nehmen, nämlich eine beru­hi­gende und schmerz­stil­lende Pille für die trans­at­lan­tische Gemein­schaft zu sein. Und das liegt daran, dass zumindest ein Teil des Westens, das alte Europa, erkannt hat, dass die Welt nicht mehr uni­polar ist. Der andere Teil Europas weigert sich, das zuzu­geben. Das nennt man eine bipolare Störung.

Ende der Übersetzung


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“