Abwürgen der Rede­freiheit in der Schweiz

Die Euro­päische Kom­mission gegen Ras­sismus und Into­leranz (ECRI) hat kürzlich ihren sechsten Moni­toring-Bericht über die Schweiz veröffentlicht.

(von Judith Bergman)

ECRI ist das Men­schen­rechts­über­wa­chungs­organ des Euro­pa­rates – nicht zu ver­wechseln mit der Euro­päi­schen Union. Der euro­päische Rat bezeichnet sich selbst als die “füh­rende Men­schen­rechts­or­ga­ni­sation des Kontinents”.

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ECRI wurde 1994 von den Staats­chefs des Euro­pa­rates gegründet mit dem Mandat, unter anderem “die Gesetz­gebung, Politik und andere Mass­nahmen der Mit­glied­staaten zur Bekämpfung von Ras­sismus, Frem­den­feind­lichkeit, Anti­se­mi­tismus und Into­leranz sowie deren Wirk­samkeit zu überprüfen”.

Die Orga­ni­sation setzt sich zusammen aus “Mit­gliedern, die von ihren Regie­rungen … auf­grund ihrer ver­tieften Kennt­nisse auf dem Gebiet der Bekämpfung von Into­leranz ernannt werden”. Sie sollten … über Fach­kennt­nisse im Umgang mit Ras­sismus … und Into­leranz ver­fügen. Die Mit­glieder von ECRI werden in ihrer per­sön­lichen Eigen­schaft ernannt und handeln als unab­hängige Mitglieder”.

Das Moni­toring der Schweiz durch ECRI seit der Ver­öf­fent­li­chung ihres ersten Berichts über das Land im Jahre 1998 ist ein anschau­liches Bei­spiel für die beharr­lichen Bemü­hungen – und den beacht­lichen Erfolg – der Orga­ni­sation in den letzten zwanzig Jahren bei der Ein­schränkung der Rede­freiheit in Europa.

Bereits in ihrem ersten Bericht von 1998 hatte die ECRI, obwohl sie zugab, dass “in den letzten zwei bis drei Jahren ein Rückgang der Erschei­nungs­formen von Ras­sismus und Into­leranz fest­ge­stellt wurde” und dass “offene Mani­fes­ta­tionen [von Ras­sen­vor­ur­teilen und Frem­den­feind­lichkeit] eher selten sind”, die Schweizer Medien auf­ge­fordert, bestimmte Nar­rative zu fördern:

“Es erscheint not­wendig, die Mas­sen­medien in der Schweiz für ihre Ver­ant­wortung in Bezug auf die Pro­bleme des Ras­sismus und der Into­leranz zu sen­si­bi­li­sieren … Initia­tiven zur Bekämpfung von Ras­sismus und Into­leranz durch die Mas­sen­medien (z.B. durch die Dar­stellung einiger posi­tiver Fälle eines frucht­baren Zusam­men­lebens ver­schie­dener Gruppen) … sind zu fördern … Ver­hal­tens­ko­dizes in den ver­schie­denen Medi­en­be­rufen, wobei die Selbst­re­gu­lierung der Medien am wün­schens­wer­testen erscheint.”

Zwei Jahre später räumte die Orga­ni­sation in ihrem zweiten Bericht über das Land immer noch ein, dass “offene Mani­fes­ta­tionen von Ras­sismus in der Schweiz recht selten [sind]”. Dennoch war ECRI “besorgt, dass ein Klima der Into­leranz oder Frem­den­feind­lichkeit gegenüber Nicht-Staats­bürgern und Per­sonen, die sich von der ein­hei­mi­schen Schweizer Bevöl­kerung unter­scheiden, fort­be­steht”. Es wurde keine sub­stan­tielle Doku­men­tation als Grundlage für die Behauptung ange­boten – ECRI kri­ti­sierte in dem­selben Bericht sogar, dass “in der Schweiz nur wenige Infor­ma­tionen über das Ausmass von Ras­sismus und Dis­kri­mi­nierung sys­te­ma­tisch gesammelt werden” – aber es schien keine not­wendig zu sein, da die Moti­vation von ECRI poli­tisch zu sein schien:

“Es scheint noch immer an einer Akzeptanz der Schweiz als einer wahrhaft mul­ti­kul­tu­rellen Gesell­schaft zu mangeln, deren Mit­glieder neben einem Gefühl der Schweizer Iden­tität eine andere kul­tu­relle oder eth­nische Iden­tität emp­finden könnten.”

Im Laufe der Jahre hat ECRI die zen­trale Rolle der Medien bei der För­derung spe­zi­fi­scher, poli­ti­sierter Agenden betont. Im Jahr 2009 for­derte die Orga­ni­sation in ihrem vierten Bericht die Ein­führung einer inzwi­schen in Europa, ins­be­sondere in Schweden, weit ver­brei­teten Praxis, die eth­nische Her­kunft von Kri­mi­nellen nicht zu erwähnen:

“Ein weit ver­brei­tetes und immer wie­der­keh­rendes Problem in den Schweizer Medien ist die Praxis, die Her­kunft einer Person, die einer Straftat ver­dächtigt oder ver­ur­teilt wird, zu erwähnen, selbst wenn diese Infor­mation irrelevant ist. In ihrem Bemühen um Trans­parenz gibt die Polizei den Medien zuge­ge­be­ner­massen ‘objektive’ Infor­ma­tionen über Ver­dächtige, ein­schliesslich ihres Alters und ihrer Staats­an­ge­hö­rigkeit, die die Medien wei­ter­geben, ohne ihre Relevanz immer in Frage zu stellen. In einigen Fällen scheint dieser Ansatz jedoch viel schwie­riger zu recht­fer­tigen zu sein…”

Bis 2014 hatte das Konzept der “Hassrede” Eingang in den fünften Län­der­be­richt der ECRI über die Schweiz gefunden:

“Muslime, Schwarze, Jenische und Roma nehmen eine erheb­liche Ver­schlech­terung ihrer Situation und des poli­ti­schen Klimas wahr. Flücht­linge, Grenz­gänger und les­bische, schwule, bise­xuelle und trans­gender (LGBT) Per­sonen sind eben­falls Ziel­scheibe von Hassrede. Ins­be­sondere die Schwei­ze­rische Volks­partei (SVP), die auf Bun­des­ebene nach wie vor die größte ist (26,6% der Stimmen im Jahr 2011), hat wei­terhin extrem into­le­rante Bilder und Sprache verwendet…”

Im selben Bericht ging die Orga­ni­sation auch auf den ihrer Ansicht nach unzu­rei­chenden gericht­lichen Durch­griff gegen Hassrede ein:

“ECRI ist der Ansicht, dass die Behörden, ins­be­sondere die Staats­an­walt­schaften, eine Null-Toleranz-Haltung gegenüber allen ras­sis­ti­schen Äuße­rungen von Poli­tikern ein­nehmen sollten… Je mehr Freiheit den Poli­tikern ein­ge­räumt wird, unge­straft ras­sis­tische Äuße­rungen zu machen, desto weniger Skrupel werden die Mit­glieder der Öffent­lichkeit haben, ras­sis­tische Äuße­rungen zu machen…”

Erneut fokus­sierte ECRI auf die Medien:

“ECRI emp­fiehlt den Schweizer Behörden, in enger Zusam­men­arbeit mit den Medi­en­ver­tretern einen Akti­onsplan zu ent­wi­ckeln… um die eta­blierten Rou­tinen … anzu­gehen, die dazu führen können, dass die Medi­en­be­richt­erstattung… eine stig­ma­ti­sie­rende Wirkung auf gefährdete Gruppen, ins­be­sondere Roma und Farbige, hat…”

Die Orga­ni­sation stellte jedoch mit Befrie­digung fest, dass ihre frü­heren Emp­feh­lungen befolgt wurden:

“ECRI stellt mit Genug­tuung fest, dass eine Reihe von Online-Zei­tungen Selbst­re­gu­lie­rungs­maß­nahmen ergriffen haben, wie z.B. eine sys­te­ma­ti­schere Mode­ration von Kom­men­taren, die Abschaffung der Anony­mität für Plakate und die auto­ma­tische Schließung der Konten von Per­sonen, die auf ras­sis­ti­schen Diskurs zurückgreifen.”

Auf der anderen Seite war ECRI unglücklich, dass “die Wei­ter­ver­folgung von Beschwerden über ras­sis­tische Kom­mentare im Internet durch die Behörden immer noch unzu­rei­chend war”. Sie empfahl, dass “die Schweizer Behörden einer oder meh­reren Poli­zei­ein­heiten… die Ver­ant­wortung für die aktive Bekämpfung von Hassrede im Internet übertragen…”.

Der merk­würdige Kampf von ECRI zur Ein­schränkung der Rede­freiheit, ins­be­sondere der Medien, geht weiter. In ihrem sechsten und jüngsten Län­der­be­richt über die Schweiz beschul­digte ECRI die Medien, sich zu sehr auf Nach­richten wie den Bau von Mina­retten oder die Radi­ka­li­sierung zu kon­zen­trieren, und bezeichnete dies als “into­le­ranten Diskurs gegen Muslime”:

“ECRI… stellt eine starke Zunahme des into­le­ranten Dis­kurses gegen Muslime fest, ins­be­sondere in den Medien. Man geht davon aus, dass dies mit Gesetzen oder Geset­zes­vor­schlägen zusam­men­hängt, die ins­be­sondere Muslime betreffen… eine Studie, die von der Uni­ver­sität Zürich von 2014–2017 über die Qua­lität der Medi­en­be­richt­erstattung über Schweizer Muslime in 18 Print­medien durch­ge­führt wurde… stellt fest, dass 25 % der Artikel reli­giöse Symbole im öffent­lichen Raum betrafen (wie den Bau von Mina­retten oder das Tragen des Kopf­tuchs oder der Burka) und 21 % die Radi­ka­li­sierung, während nur 2 % über das täg­liche Leben der Muslime berich­teten und 2 % über erfolg­reiche Inte­gration… In der Bericht­erstattung wurden vor allem ein man­gelnder Inte­gra­ti­ons­wille und eine Tendenz zur Radi­ka­li­sierung unter den Mus­limen ver­ur­teilt und mehr Kon­trollen und Sank­tionen gefordert. Eine andere Studie …zeigte, dass 85% der befragten Muslime die Dar­stellung des Islam in den Medien als eher oder sehr negativ emp­fanden. Darüber hinaus äußerten sich 88% besonders deutlich zur Ver­ant­wortung der Medien für die ver­schlech­terte Haltung von Nicht-Mus­limen gegenüber Muslimen”.

Die Orga­ni­sation sagte:

“…Staaten sollten das Bewusstsein für die Gefahren von Hassrede schärfen … durch Bekämpfung von Fehl­in­for­ma­tionen, nega­tiven Ste­reo­typen und Stig­ma­ti­sierung, durch die Ent­wicklung von Bil­dungs­pro­grammen für Kinder und Jugend­liche, Funk­tionäre und die breite Öffent­lichkeit, durch die Unter­stützung von NGOs und Gleich­be­hand­lungs­stellen, die sich für die Bekämpfung von Hassrede ein­setzen, und durch die För­derung rascher Reak­tionen von Per­sön­lich­keiten des öffent­lichen Lebens auf Hassrede”.

Die Orga­ni­sation betonte die Selbst­re­gu­lierung als den “ange­mes­senen” Ansatz zur “Bekämpfung von Hassrede”, ins­be­sondere durch die Anwendung von “Ver­hal­tens­ko­dizes” und in einigen Fällen sogar durch Regu­lierung, die ihrer Meinung nach sowohl für Poli­tiker als auch für die Medien gelten sollte:

“ECRI ist der Ansicht, dass der Einsatz von Selbst­re­gu­lierung ein ange­mes­sener und effek­tiver Ansatz zur Bekämpfung von Hassrede sein kann… Par­la­mente, poli­tische Par­teien, Wirt­schafts­or­ga­ni­sa­tionen, Kultur- und Sport­ver­bände… sollten deutlich machen, dass der Einsatz von Hassrede… inak­zep­tabel ist und Maß­nahmen ergreifen, um einen solchen Einsatz zu ver­hindern und zu sank­tio­nieren. ECRI betont aus­drücklich die Bedeutung von Ver­hal­tens­ko­dizes in Selbst­re­gu­lie­rungs­sys­temen… poli­tische Führer und Abge­ordnete sollten… rele­vante Ver­hal­tens­ko­dizes annehmen. In Bezug auf die Medien und das Internet, wo die über­wie­gende Mehrheit der Hassrede erzeugt wird… ECRI emp­fiehlt sowohl Regu­lierung als auch Selbstregulierung…”

ECRI merkte an, dass Schweizer Jour­na­listen bereits über einen Kodex ver­fügen, der besagt, dass sie “jede Anspielung in Text, Bild oder Ton auf die eth­nische oder nationale Her­kunft, die Religion, das Geschlecht, die sexuelle Ori­en­tierung einer Person sowie auf Krank­heiten oder kör­per­liche oder geistige Behin­de­rungen, die dis­kri­mi­nie­renden Cha­rakter haben könnten, ver­meiden müssen”.

Was das Internet anbe­langt, so stellte ECRI fest, dass die Schweizer Behörden die Orga­ni­sation darüber infor­miert hätten, dass sie “die Zusam­men­arbeit mit den ein­schlä­gigen Internet-Dienst­leistern suchen, um die Iden­ti­fi­zierung von Autoren von Hassrede zu ver­bessern und solche Inhalte so schnell wie möglich ent­fernen zu lassen…”.

ECRI hat gute Arbeit geleistet und den Euro­päern geholfen, die Rede­freiheit abzuwürgen.

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Judith Bergman, Kolum­nistin, Anwältin und Poli­to­login, ist Distin­gu­ished Senior Fellow am Gatestone Institute.


Quelle: gatestoneinstitute.org