Es kommt wie bestellt: Che­mische Industrie warnt – Werke müssen womöglich her­un­ter­ge­fahren werden

Dra­ma­tische Mel­dungen aus dem Ener­gie­sektor kommen nicht mehr nur aus Groß­bri­tannien. Auch in Deutschland werden womöglich Anlagen her­un­ter­ge­fahren, weil die Ener­gie­preise in Rekord­höhen klettern.

(von Holger Douglas)

Jetzt schlägt die che­mische Industrie in Deutschland Alarm. »Die Preis­explosion an den Ener­gie­märkten nimmt dra­ma­tische Ausmaße an«, teilte jetzt Christof Günther mit, ener­gie­po­li­ti­scher Sprecher des Ver­bandes der Che­mi­schen Industrie e.V., Lan­des­verband Nordost. »Ins­be­sondere das mitt­ler­weile erreichte Niveau der Erd­gas­preise droht für unsere Betriebe zur Exis­tenz­frage zu werden.«

In Ost­deutschland drohten Abschal­tungen von Anlagen, so Günther: »In unserem Ver­bands­gebiet stehen Unter­nehmen bereits kurz davor, die Not­bremse zu ziehen und Anlagen her­un­ter­zu­fahren. Diese Ent­wicklung muss ein Weckruf an die Politik sein. Wenn sich die Ener­gie­preise ver­viel­fachen, dann ist das kein Betriebs­risiko, sondern ein gesamt­ge­sell­schaft­liches Problem. Deutschland ist trau­riger Spit­zen­reiter in der EU, was die zusätz­liche Belastung der Ener­gie­kosten durch Steuern und Abgaben angeht. Hier muss poli­tisch ange­setzt und für die dringend nötige Ent­lastung gesorgt werden. Diese Ent­lastung muss mehr sein als ein Tropfen auf dem heißen Stein.«

So überlegt der deutsche Dün­ge­mit­tel­her­steller, SKW Piesteritz, die Not­bremse zu ziehen und Anlagen her­un­ter­zu­fahren, die ein Minus einbringen.

Günther: »Für unsere Industrie und unsere Arbeits­plätze kommt die Ener­gie­preis­ent­wicklung zur abso­luten Unzeit, denn das poli­tische Berlin dreht sich zurzeit haupt­sächlich um Vor­son­die­rungen. Die Euro­päische Union will zwar mit einer „Toolbox“ helfen, ob diese zeitnah und unbü­ro­kra­tisch Wirkung zeigt, bleibt zwei­felhaft. Der Trans­for­ma­ti­ons­prozess hin zu einer kli­ma­neu­tralen Wirt­schaft wird hohe Inves­ti­ti­ons­kosten ver­ur­sachen. Wenn die Strom­preise weiter aus dem Ruder laufen, sind diese Inves­ti­tionen in Gefahr. Gleich­zeitig droht aus den hohen Strom­preisen eine Rück­be­sinnung zur Kohle zu werden. Eine solche Rolle rück­wärts ist für das Klima nicht wün­schenswert. Die Politik ist auf­ge­fordert, sich schnell zu sor­tieren und sich in der Geo­po­litik nicht weiter wegzuducken.«Seine For­derung: »Wir brauchen Sofort­maß­nahmen, damit unsere Unter­nehmen wett­be­werbs­fähig bleiben und gleich­zeitig die Arbeits­plätze in unserer Hoch­lohn­branche erhalten können

Fast 30 Prozent des deut­schen Ener­gie­ver­brauches ent­fallen laut Sta­tis­ti­schem Bun­desamt auf die che­mische Industrie. Wie viele andere Ver­fahren so ist bei­spiels­weise die Dün­ge­mit­tel­her­stellung ein sehr ener­gie­in­ten­sives Ver­fahren. Etwa 80 Prozent der Pro­duk­ti­ons­kosten von Stick­stoff­dünger machen die Ener­gie­kosten aus. Kein Wunder, dass Her­steller ihre Fabriken abschalten müssen, wenn die Energie zu teuer wird.

So berichten Land­wirte, dass derzeit fast kein Dünger mehr geliefert werden kann. Einer der wich­tigsten Her­steller, der nor­we­gische Dün­ge­mittel- und Indus­trie­che­mi­ka­li­en­konzern Yara redu­ziert eben­falls auf­grund der hohen Erd­gas­preise seine Pro­duktion von Dün­ge­mitteln. Die Preise für Stick­stoff­dünger sind bereits seit Mitte Mai um rund 20 Prozent ange­stiegen. Ein Grund: In Indien, dem weltweit wich­tigsten Importeur von Stick­stoff­dünger, besteht eine starke Nach­frage. Wei­terhin hat China wesentlich weniger Dünger expor­tiert, um die wach­sende Nach­frage im eigenen Land zu bedienen. Ansonsten zählt das Land zu den größten Exporteuren.

Land­wirte in Deutschland berichten gegenüber TE, dass sie keinen Dünger mehr bekommen. Sie erwarten zudem Preis­stei­ge­rungen bis zu 40 Euro für einen Dop­pel­zentner, das ist fast doppelt so viel wie bisher. Für einen mitt­leren Landwirt mit einer Fläche von 400 Hektar bedeuten das 24.000 Euro Mehr­kosten im Jahr allein für den Dünger. Die Getrei­de­preise werden dann ent­spre­chend weiter steigen.

Eine weitere Folge wird sein, dass Stick­stoff­dünger künftig aus Fernost kommt. Dort sind die Ener­gie­kosten günstig, die Her­steller müssen keine irr­sin­nigen CO2-Steuern bezahlen. Das bedeutet für euro­päische Her­steller, dass sie weg vom Fenster sind.

Energie ist eine der ent­schei­denden Größen eines Landes. Sie muss preis­günstig und ver­fügbar sein. Wer sie künstlich ver­knappt und teuer macht, kann zusehen, wie Unter­nehmen dicht machen müssen und ein Indus­trieland zer­stört wird. Ein Expe­riment, das es in dieser Form selten gegeben hat.

Doch erstaun­li­cher­weise trägt sogar die che­mische Industrie dazu bei, indem sie auf solche Wahn­sinns­pro­jekte wie eine »Ener­gie­wende« setzt und fordert, sie dürfe nicht scheitern. Unsinns­be­griffe wie »Decar­bo­ni­sierung« und »Kli­ma­neu­tra­lität« gehen ihr mitt­ler­weile genauso flüssig über die Lippen wie der ver­flos­senen Umwelt­mi­nis­terin Schulze und ihren Gefolgsleuten.»Wir brauchen brutal güns­tigen Strom und das in unvor­stell­baren Mengen«, betonte noch im Frühjahr der Geschäfts­führer des Ver­bands der Che­mi­schen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, bei der Vorlage der Jah­res­bilanz. Wenn die Industrie keine wett­be­werbs­fä­higen Preise für Strom aus erneu­er­baren Energien bekomme »und die auch noch vier­und­zwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche«, werde sie den Umbruch nicht schaffen.

Der Beitrag erschien zuerst bei TE hier

Nachtrag:

Obwohl diese Ent­wicklung seit über einem Jahr­zehnt vor­ge­zeichnet und damit deutlich erkennbar war, hat die che­mische Industrie lieber oppor­tu­nis­tisch mit den Wölfen geheult. So schon im Oktober 2010 anlässlich der Vor­stellung des „Ener­gie­kon­zeptes“  durch den dama­ligen Umwelt­mi­nister Röttgen, zusammen mit seiner Kol­legin von den Grünen Bärbel Höhn. „Zwi­schen uns beide passt in diesen Fragen kein Blatt Papier“ sagte Röttgen damals sinn­gemäß. Unser VP Michael Limburg machte in einem per­sön­lichen Gespräch anschließend den Abtei­lungs­leiter Energie beim VCI Jörg Rothermel auf die ver­hee­renden Folgen dieser Politik auch für seine Industrie auf­merksam. „Gibt es keine Chemie-Industrie mehr in diesem Land, dann gibt es auch keinen VCI mehr“. Die Antwort darauf: Schweigen. Mehr dazu hier.

Und ein paar Monate später, als BASF Chef Ham­brecht als Mit­glied der „Ethik-Kom­mission“ dem Atom­aus­stieg, wenn auch „kon­di­tio­niert“ zustimmte.


Quelle: eike-klima-energie.eu