Die ver­gessene Umwelt­krise – Der Stick­stoff-Not­stand (+Videos)

Die Welt setzt Stick­stoff­dünger immer weniger effi­zient ein. Ein grö­ßerer Anteil als je zuvor wird in Flüsse und Ozeane gespült. Eine Umwelt­ka­ta­strophe droht, sagen Stick­stoff­wis­sen­schaftler, und die Welt muss dringend Stra­tegien ent­wi­ckeln, um sie zu ver­hindern. Die Stick­stoff­ver­schmutzung ist eines der am wenigsten dis­ku­tierten Umwelt­pro­bleme. Es wird vor Kli­ma­wandel und Arten­sterben gewarnt, gefolgt von Luft­ver­schmutzung und Abholzung.  Wenn Stick­stoff erwähnt wird, steht er ganz unten auf der Liste. Obwohl es viele wis­sen­schaft­liche und tech­nische Studien zur Stick­stoff­krise gibt. Einige der Aus­wir­kungen dieser Krise sind schon seit langem bekannt. Wir wissen zum Bei­spiel seit langem, dass die Ver­schmutzung durch stick­stoff­haltige Ver­bin­dungen zu Algen­blüten führt, die die Was­serwege ver­stopfen und Mee­res­be­wohner töten. Die Stick­stoff­ver­schmutzung ver­giftet unser Wasser und ver­giftet unsere Luft – und sie ver­schlimmert andere Umwelt­pro­bleme. Die Schäden werden jedes Jahr schlimmer. Wenn die Dinge unkon­trol­liert bleiben, steuern wir auf eine globale Kata­strophe zu.

Der Stick­stoff-Not­stand

Und hier ist das beun­ru­hi­gendste an diesem Gas: Es ist nicht Koh­len­dioxid. Stick­stoff gilt nor­ma­ler­weise als harm­loses Zeug, schließlich macht der farblose Stoff 78 Prozent der Erd­at­mo­sphäre aus. Wenn Sie eine erfri­schende Brise auf Ihren Wangen spüren, sind es meist Stick­stoff­mo­leküle, die vor­bei­ziehen. In unseren Öko­sys­temen findet ein natür­licher Kreislauf von Stick­stoff aus der Luft in und aus unseren Böden statt, wo er einen wich­tigen Nähr­stoff für Pflanzen bildet. Das Problem ist, dass dieser Kreislauf durch die Akti­vi­täten des Men­schen gefährlich aus dem Gleich­ge­wicht geraten ist. Das Ergebnis ist, dass Stick­stoff in schäd­lichen Formen die weitere Umwelt überschwemmt.

Algen­blüte Florida

Einige der Aus­wir­kungen dieser Krise sind schon seit langem bekannt. Wir wissen zum Bei­spiel seit langem, dass die Ver­schmutzung durch stick­stoff­haltige Ver­bin­dungen zu Algen­blüten führt, die die Was­serwege ver­stopfen. Aber auch andere Aus­wir­kungen rücken jetzt ins Blickfeld, wie zum Bei­spiel die Art und Weise, wie die Stick­stoff­ver­schmutzung Torf­moore abtötet. Stick­stoff­haltige Ver­bin­dungen schä­digen auch das emp­find­liche Gleich­ge­wicht der Atmo­sphäre, so ein Bericht von New Sci­entist

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Ein von den Ver­einten Nationen ein­ge­setztes Gremium, das das Problem bewerten soll, hat auf­ge­deckt, wie schlimm es geworden ist. In der Tat ist die Stick­stoff­ver­schmutzung eine der schlimmsten Krisen, denen wir gegen­über­stehen. Glück­li­cher­weise gibt es Mög­lich­keiten, wie wir uns aus diesem Loch befreien können – aber dazu müssen wir die Art und Weise, wie wir unsere Pflanzen anbauen, grund­legend ändern.

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Alles Leben auf der Erde ist auf Stick­stoff ange­wiesen. Die meisten der ent­schei­denden che­mi­schen Kom­po­nenten unseres Körpers, von den Proteinen …

Stick­stoff-Krise: Eine ver­nach­läs­sigte Bedrohung für die Lebens­er­hal­tungs­systeme der Erde

Teil 1 einer Dis­kussion über die Störung des glo­balen Stick­stoff­kreis­laufs durch ein Wirt­schafts­system, das Profite höher bewertet als das Leben selbst, von Ian Angus

Pla­netary Boun­daries. Nitrogen and bio­di­versity are farther out of safe limits than any others (Rock­strom et. al, Nature, 2009)

Vor fast einem halben Jahr­hundert warnte der Ökologe C.C. Del­wiche im Sci­en­tific Ame­rican: „Von allen jüngsten Ein­griffen des Men­schen in die Kreis­läufe der Natur über­trifft die indus­trielle Fixierung von Stick­stoff alle anderen bei weitem an Ausmaß.“ ( C. C. Del­wiche, “The Nitrogen Cycle,” Sci­en­tific Ame­rican, Sep­tember 1970, 137)

Obwohl das heute viel mehr zutrifft, ist die Stick­stoff­ver­schmutzung eines der am wenigsten dis­ku­tierten Umweltprobleme.

Fragt man grüne Akti­visten nach ihren größten Sorgen, werden Kli­ma­wandel und Arten­sterben wahr­scheinlich als erstes genannt, gefolgt von Luft­ver­schmutzung, Abholzung und viel­leicht Bevöl­ke­rungs­wachstum. Wenn Stick­stoff erwähnt wird, steht er ganz unten auf der Liste. Obwohl es viele wis­sen­schaft­liche und tech­nische Studien zur Stick­stoff­krise gibt, haben nur wenige populäre Bücher zu Umwelt­themen etwas Sub­stan­zi­elles darüber zu sagen. Bio­bauern sind besorgt über den Stick­stoff in syn­the­ti­schen Düngern, aber es gibt keine Anti-Stick­stoff-Demons­tra­tionen, keine inter­na­tio­nalen Abkommen zur Stick­stoff­re­du­zierung, keine Poli­tiker, die die Wis­sen­schaft ver­tei­digen oder leugnen.

Wie der Bericht „Our Nut­rient World“ von 2013 sagt,

„Während sich die jüngste wis­sen­schaft­liche und gesell­schaft­liche Debatte über die Umwelt vor allem auf CO2 im Zusam­menhang mit dem Kli­ma­wandel kon­zen­triert hat, sehen wir, dass dies nur ein Aspekt einer viel brei­teren und noch kom­ple­xeren Reihe von Ver­än­de­rungen ist, die in den bio­geo­che­mi­schen Kreis­läufen der Welt statt­finden. Ins­be­sondere wird immer deut­licher, dass die Ver­än­derung der welt­weiten Stick­stoff- und Phos­phor­kreis­läufe eine große neue Her­aus­for­derung dar­stellt, die bisher zu wenig Beachtung gefunden hat.“ (Mark A. Sutton et al., Our Nut­rient World: The Challenge to Produce More Food and Energy with Less Pol­lution. (Edin­burgh: Centre for Ecology and Hydrology, 2013)

Die wis­sen­schaft­lichen Argu­mente für ein Vor­gehen gegen die Stick­stoff­störung sind über­zeugend. Pla­netary Boun­daries-Studien haben zwei kri­tische Pro­zesse des Erd­systems iden­ti­fi­ziert, die sich weiter außerhalb sicherer Grenzen befinden als alle anderen – der Verlust der bio­lo­gi­schen Vielfalt und der Stickstoffkreislauf.

Die Zeit­schrift Science beschreibt „massive Stö­rungen des glo­balen Stick­stoff­re­gimes“ als eine „Haupt­kom­po­nente“ des Anthro­pozäns. (Elser, J. J. “A World Awash with Nitrogen.” Science, vol. 334, no. 6062, 2011, 1505)

In einem von der European Science Foun­dation geför­derten Bericht heißt es, dass die indus­trielle Pro­duktion von reak­tivem Stick­stoff „viel­leicht das größte Ein­zel­ex­pe­riment im glo­balen Geo-Engi­neering dar­stellt, das der Mensch je gemacht hat.

Der Riss im Stick­stoff­kreislauf ist eine große Gefahr für die Sta­bi­lität des Erdsystems.

In diesem und den fol­genden Artikeln wird erörtert, wie der natür­liche Kreislauf funk­tio­niert und wie er im Anthro­pozän gestört wurde.

Wie bereits in dieser Serie erörtert, hängen Wachstum und Über­leben aller lebenden Orga­nismen vom stän­digen Recy­cling von Materie und Energie auf jeder Ebene ab, von mikro­sko­pisch kleinen Zellen bis hin zum gesamten Pla­neten. Die che­mi­schen Ele­mente, die Leben ermög­lichen, werden auf Zeit­skalen von Mikro­se­kunden bis hin zu Mil­lionen von Jahren ständig ver­wendet und wieder-ver­wendet. Das gilt vor allem für die großen Vier – Sau­er­stoff, Koh­len­stoff, Was­ser­stoff und Stick­stoff -, aus denen 96 % des mensch­lichen Körpers bestehen.

Die großen bio­geo­che­mi­schen Kreis­läufe, die das Erd­system formen und defi­nieren, ent­wi­ckelten sich über Mil­li­arden von Jahren und nahmen ihre heutige Form an, lange bevor unsere frü­hesten Pri­ma­ten­vor­fahren geboren wurden. In den letzten zwei Jahr­hun­derten und besonders seit 1950 haben mensch­liche Akti­vi­täten viele dieser Stoff­wech­sel­zyklen gestört und die Systeme und Bedin­gungen unter­graben, die das Leben, wie wir es kennen, möglich machen.

Der kom­ple­xeste bio­geo­che­mische Kreislauf betrifft den Stick­stoff, den man als den eigent­lichen Stoff des Lebens bezeichnen kann. Stick­stoff umfasst zwi­schen 13 % und 19 % aller Pro­teine, ein­schließlich Rubisco, dem Enzym, das die Pho­to­syn­these ermög­licht. Vaclav Smil fasst seine Bedeutung zusammen:

„Stick­stoff ist in jeder lebenden Zelle vor­handen; im Chlo­ro­phyll, dessen Anregung durch Licht die Pho­to­syn­these antreibt (die wich­tigste Ener­gie­um­wandlung der Bio­sphäre); in den Nukleo­tiden der Nukle­in­säuren (DNA und RNA), die alle gene­ti­schen Infor­ma­tionen spei­chern und ver­ar­beiten; in Ami­no­säuren, aus denen alle Pro­teine bestehen; und in Enzymen, die die Chemie der lebenden Welt steuern….

„Es ist der Nähr­stoff, der für das kräftige vege­tative Wachstum, für das satte Grün der Blätter, für deren Größe und ver­zö­gerte Seneszenz sowie für die Größe und den Pro­te­in­gehalt der Getrei­de­körner, den Grund­nah­rungs­mitteln der Menschheit, ver­ant­wortlich ist. Auch Stick­stoff­mangel ist nicht zu über-sehen: blass­grüne oder ver­gil­bende Blätter, lang­sames und ver­küm­mertes Pflan­zen­wachstum, geringe Erträge und gedrückter Pro­te­in­gehalt der Samen.

„Die Bedeutung von Stick­stoff für den Men­schen ist nicht weniger kri­tisch. Wir müssen zehn voll­ständige, vor­ge­formte essen­tielle Ami­no­säuren zu uns nehmen, um unsere Kör­per­pro­teine zu syn­the­ti­sieren, die für Gewe­be­wachstum und ‑erhalt benötigt werden. Eine verküm-merte geistige und kör­per­liche Ent­wicklung sind die deut­lichsten Folgen von Pro­te­in­man­gel­er­nährung.“ (Vaclav Smil, Enri­ching the Earth: Fritz Haber, Carl Bosch, and the Trans­for­mation of World Food Pro­duction (Cam­bridge, Mass: MIT, 2001), xiii-xiv)

Von den Ele­menten, die für das Leben essen­tiell sind, ist Stick­stoff gleich­zeitig das am häu­figsten vor­kom­mende und das am wenigsten ver­fügbare. In der Bio­sphäre gibt es mehr Stick­stoff als Koh­len­stoff, Phosphor, Sau­er­stoff und Schwefel zusammen. 78 % der Luft, die wir atmen, besteht aus Stick­stoff – aber über 99 % des Stick­stoffs in der Atmo­sphäre liegt in einer Form vor, die nur wenige lebende Orga­nismen nutzen können.

Stick­stoff­atome haben eine unge­wöhnlich starke Fähigkeit, mit ver­schie­denen Ele­menten stabile Ver­bin­dungen zu bilden. Ins­be­sondere ver­binden sie sich leicht mit einer unter­schied­lichen Anzahl von Sau­er­stoff- und Was­ser­stoff­atomen, um Ammoniak, Ammonium, Stick­stoffoxid, Nitrit, Nitrat, Sal­pe­ter­säure, Distick­stoffoxid und eine Vielzahl von orga­ni­schen Mole­külen zu bilden. In diesen Formen wird er als reak­tiver Stick­stoff bezeichnet, weil er an bio­lo­gi­schen und che­mi­schen Pro­zessen teil-nehmen kann und weil die ver­schie­denen Stick­stoff­ver­bin­dungen sich leicht inein­ander umwandeln können und dies auch tun. (Für das Pflan­zen­wachstum sind Ammonium und Nitrat besonders wichtig, und Land­wirte bezeichnen diese spe­zi­ellen Ver­bin­dungen gewöhnlich als ver­füg­baren Stickstoff).

Aber meistens ver­binden sich die Stick­stoff­atome mit­ein­ander. Paare von Stick­stoff­atomen binden sich und bilden Dini­trogen, fast unzer­brech­liche Moleküle, die che­misch und bio­lo­gisch inert sind. Es sind diese Moleküle, die 78 % der Luft aus­machen. Die hohe Energie und Hitze von Blitzen kann Distick­stoff­mo­leküle spalten und sie mit Sau­er­stoff zu Stick­oxiden ver­binden, aber das geschieht nicht oft genug oder in aus­rei­chenden Mengen, um den reak­tiven Stick­stoff zu liefern, den das Leben braucht.  (In wis­sen­schaft­lichen Artikeln wird Distick­stoff oft als N2 und reak­tiver Stick­stoff als Nr abge­kürzt. Der Klarheit halber werde ich die Worte ver­wenden, nicht die Abkürzungen).

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Das Leben, wie wir es kennen, ist nur möglich, weil irgendwann in ferner Ver­gan­genheit einige Bak­terien die Fähigkeit ent­wi­ckelt haben, Stick­stoff zu fixieren – atmo­sphä­rische Distick­stoff­mo­leküle zu spalten und reaktive Stick­stoff­ver­bin­dungen zu erzeugen. Eine frühe Form der Bio­lo­gi­schen Stick­stoff-Fixierung (BNF) ent­wi­ckelte sich wahr­scheinlich vor über 3 Mil­li­arden Jahren, zusammen mit den ersten ein­zelligen Orga­nismen, aber der moderne Stick­stoff­kreislauf erfordert Sau­er­stoff, der damals selten war. Vor etwa 2,5 Mil­li­arden Jahren, etwa zur gleichen Zeit, als die Sau­er­stoff­re­vo­lution begann, die Zusam­men­setzung der Erd­at­mo­sphäre zu ver­ändern, ent­wi­ckelten einige wenige Stämme von Bak­terien und Archaeen, die als Dia­zo­trophe bekannt sind, die moderne Form der BNF. Heute sind die Nach­kommen dieser mikro­sko­pisch kleinen Orga­nismen die ein­zigen Orga­nismen, die Stick­stoff fixieren können. Keine andere Lebensform hat diese Fähigkeit ent­wi­ckelt, aber jede andere Lebensform ist auf sie angewiesen.

Dia­zo­trophe und andere Mikroben sind die Haupt­ak­teure in einem zir­ku­lären Prozess, der Stick­stoff aus der Atmo­sphäre zu lebenden Orga­nismen und wieder zurück trans­por­tiert. In ter­res­tri­schen Öko­sys­temen gibt es drei Haupt­stufen, die jeweils Umwand­lungen beinhalten, die nur von mikro­sko­pisch kleinen Orga­nismen durch­ge­führt werden können.

  • Fixierung. Stick­stoff dif­fun­diert aus der Luft in den Boden und in Ober­flä­chen­ge­wässer, wo Dia­zo­trophe ihn in Ammoniak umwandeln (fixieren), ein reak­tives Stick­stoffgas, das sich in Wasser zu Ammonium auflöst. Im Meer erfolgt die Fixierung haupt­sächlich durch einige Arten von Cya­no­bak­terien, die oft fälsch­li­cher­weise als Blau­algen bezeichnet werden. Im Boden wird ein Teil des Ammo­niums von frei­le­benden Mikroben gebildet, aber der weitaus größte Teil der Fixierung wird von einigen wenigen Arten durch­ge­führt, die sym­bio­tisch in den Wurzeln von Legu­mi­nosen wie Luzerne, Klee und Bohnen leben. Bauern ent­deckten schon vor Tau­senden von Jahren, dass der Anbau von Hül­sen­früchten zusammen mit anderen Feld­früchten oder in jähr­lichen Frucht­folgen hilft, die Boden­frucht­barkeit zu erhalten.
  • Nitri­fi­kation. Einige Pflanzen, wie z. B. Reis, können Ammonium direkt nutzen, die meisten jedoch nicht. Spe­zia­li­sierte Mikroben wandeln es schnell zuerst in Nitrit und dann in Nitrat um, das die Pflanzen über ihre Wurzeln auf­nehmen und zur Her­stellung von Ami­no­säuren und Pro­teinen ver­wenden. Wenn Pflanzen absterben und sich zer­setzen, kehrt der von ihnen ver­brauchte Stick­stoff schließlich als orga­nische Ver­bin­dungen in den Boden zurück, die zu Ammonium zer­fallen, das dann in Nitrit und Nitrat umge­wandelt und von anderen Pflanzen wie­der­ver­wendet werden kann. Natürlich werden einige Pflanzen von Vögeln oder Tieren gefressen, die einen Teil des Stick­stoffs zum Aufbau ihres Körpers ver­wenden und den Rest aus­scheiden – letzt­endlich kehrt er irgendwo in den Boden zurück. In natür­lichen Öko­sys­temen ist orga­ni­sches Material, das sich im Boden zer­setzt hat, eine Haupt­quelle für den reak­tiven Stick­stoff, der für neues Pflan­zen­wachstum benötigt wird.
  • Deni­tri­fi­kation. Ein Teil des reak­tiven Stick­stoffs wird in Meer­esse­di­menten oder tiefen Böden ver­graben, aber der größte Teil wird von anderen Mikroben ver­braucht, die ihn in Gase umwandeln, die wieder in die Atmo­sphäre gelangen. Im Durch­schnitt dauert der Zyklus von der anfäng­lichen Fixierung zurück in die Atmo­sphäre als Distick­stoff etwa 500 Jahre für den Stick­stoff in Böden und 10-mal länger in den Ozeanen.

Nitrogen cycle

Dies ist eine ver­ein­fachte Dar­stellung eines sehr kom­plexen Pro­zesses. Ganze Bücher sind geschrieben worden, um den Stick­stoff­kreislauf zu beschreiben, und die meisten geben zu, dass er immer noch nicht voll­ständig ver­standen ist. ( For a summary of the current state of know­ledge (and igno­rance) about the roles played by “an asto­nishing diversity of micro­or­ga­nisms” in the nitrogen cycle, see: Marcel M. M. Kuypers, Hannah K. Mar­chant, and Boran Kartal, “The Microbial Nitrogen-cycling Network,” Nature Reviews Micro­biology 16, no. 5 (2018): , doi:10.1038/nrmicro.2018.9.)

Ein bestimmtes Stick­stoffatom kann Teile des Kreis­laufs viele Male durch­laufen, auf unter­schied­liche Weise und in ver­schie­denen Zeit­räumen, wobei es sich auf viel­fältige Weise mit anderen Ele­menten ver­bindet und auf dem Weg von der Atmo­sphäre und zurück durch die Luft, das Wasser, die Böden, die Pflanzen, die Tiere und den Men­schen geht.

Hinzu kommt, dass die ver­schie­denen bio­geo­che­mi­schen Kreis­läufe nicht völlig iso­liert von­ein­ander ver­standen werden können – jeder ein­zelne beein­flusst die anderen stark und wird von ihnen stark beein­flusst, wie der Syn­the­se­be­richt des Inter­na­tio­nalen Geo­sphären-Bio­sphären-Pro­gramms hervorhebt:

„Die atmo­sphä­rische CO2-Kon­zen­tration kann die Menge an Stick­stoff beein­flussen, die von Pflanzen auf­ge­nommen wird, die stick­stoff­fi­xie­rende Sym­bi­onten in ihrer Wur­zel­struktur haben, indem sie die bio­lo­gische Stick­stoff-fixie­rungsrate ver­ändert. Diese spe­zi­ellen Pflan­zen­typen können eine erhöhte Ver­füg­barkeit von Stick­stoff nutzen, um den Blatt­stick­stoff zu erhöhen, was wie­derum zu einer erhöhten pho­to­syn­the­ti­schen Kapa­zität führt. Die bio­lo­gische Stick­stoff-Fixie­rungsrate wird jedoch auch durch ein anderes Element, Phosphor, begrenzt. Der CO2-Gehalt kann auch die Menge des für Pflanzen ver­füg­baren Phos­phors ver­ändern.“ ( Will Steffen et al., Global Change and the Earth System: A Planet under Pressure (Berlin: Springer, 2005), 29)

Viele weitere Bei­spiele könnten ange­führt werden. Wenn der Boden zu wenig Wasser enthält, können Pflanzen nicht wachsen und Stick­stoff auf­nehmen. Wenn die Tem­pe­ra­turen zu warm sind, können Dia­zo­trophe nicht so gut Stick­stoff fixieren. Die pla­ne­ta­ri­schen Kreis­läufe sind eng mit­ein­ander ver­knüpft, und das Leben ist ein aktiver Teilnehmer.

Wenn auf die Stick­stoff­fi­xierung keine Deni­tri­fi­kation folgen würde – wenn es sich um einen ein­sei­tigen Prozess und nicht um einen Teil eines Kreis­laufs handeln würde – wäre der gesamte Stick­stoff in der Atmo­sphäre schon längst ent­fernt worden. Aber wie so oft in der Evo­lution der lebenden Materie hat die natür­liche Auslese Orga­nismen her­vor­ge­bracht, die den Prozess umkehrten. Über Hun­derte von Mil­lionen Jahren erzeugte die natür­liche Selektion ein Gleich­ge­wicht zwi­schen der Umwandlung von Distick­stoff in reak­tiven Stick­stoff durch einige Bak­terien und der Umwandlung von reak­tivem Stick­stoff in Distick­stoff durch andere. Infol­ge­dessen blieb die Menge an reak­tivem Stick­stoff in der Bio­sphäre im Laufe der Zeit ungefähr kon­stant – bis vor kurzem, wie wir sehen werden.

In den frühen 1800er Jahren for­mu­lierten Agrar­che­miker das Gesetz des Minimums, das besagt, dass das Pflan­zen­wachstum nicht durch die Gesamt­menge der ver­füg­baren Nähr­stoffe, sondern durch die Menge des knappsten Nähr­stoffs begrenzt wird. In den meisten Fällen war der begren­zende Faktor Stick­stoff in Formen, die Pflanzen leicht ver­werten können. In den meisten Öko­sys­temen gibt es davon ver­hältnis-mäßig weniger als von anderen essen­ti­ellen Nähr­stoffen, und die Gesamt­menge in der Bio­sphäre nimmt mit der Zeit nicht zu. In den Ozeanen und an Land ist Stick­stoff, wie der aus­tra­lische Ökologe Thomas White schrieb, „die am meisten begren­zende Chemikalie.“

„Als Nähr­stoff wird Stick­stoff in Mengen benötigt, die nur von Koh­len­stoff über­troffen werden. Er ist ein Haupt­be­standteil aller lebenden Zellen. Ohne Stick­stoff können Pro­teine nicht auf­gebaut werden. Pro­teine sind die phy­si­ka­lisch-che­mi­schen Grund­struk­turen aller Lebe­wesen und werden aus Ami­no­säuren her­ge­stellt. Stick­stoff ist der Schlüs­sel­be­standteil dieser Ami­no­säuren, den alle Orga­nismen haben müssen. Kein Orga­nismus – ob Pflanze, Tier oder Protist – kann über­leben, geschweige denn wachsen, ohne eine aus­rei­chende Ver­sorgung mit Stick­stoff für die Syn­these von Pro­teinen. Die Pro­duk­ti­vität allen Lebens auf der Erde, sowohl in ter­res­tri­schen als auch in aqua­ti­schen Umge­bungen, ist durch den bio­lo­gisch ver­füg­baren Stick­stoff begrenzt.“ (T. C. R. White, The Ina­de­quate Envi­ronment: Nitrogen and the abun­dance of animals (Berlin: Springer-Verlag, 2012), 12.)

Global und in den meisten Öko­sys­temen hat die Ver­füg­barkeit von reak­tivem Stick­stoff die Menge der Bio­masse auf der Erde begrenzt, und die natür­liche Selektion hat Orga­nismen begünstigt, die ihn effi­zient nutzen. Doch im letzten Jahr­hundert haben drei wichtige Pro­zesse das Gleich­ge­wicht zwi­schen Fixierung und Deni­tri­fi­kation gestört, indem sie der Bio­sphäre noch nie dage­wesene Mengen an reak­tivem Stick­stoff zuge­führt haben:

  • Indus­trielle Pro­duktion von Ammoniak für Dün­ge­mittel und Spreng­stoffe nach dem Haber-Bosch-Verfahren;
  • Groß­flä­chiger Anbau von Reis, Soja­bohnen und anderen Pflanzen, die die Pro­duktion von reak­tivem Stick­stoff fördern;
  •  Die Ver­brennung fos­siler Brenn­stoffe, bei der neben CO2 auch die Gase Stick­stoff­dioxid und Stick­stoffoxid (NO2 und NO) entstehen.
  • Diese Pro­zesse pro­du­zieren jetzt mehr reak­tiven Stick­stoff als alle natür­lichen ter­res­tri­schen Systeme zusammen – und es gab keine ent­spre­chende Zunahme der Denitrifikation.
  • Als Ergebnis schreibt der Bio­geo­che­miker James Gal­loway: „Wir akku­mu­lieren reak­tiven Stick­stoff in der Umwelt mit alar­mie­renden Raten, und das könnte sich als genauso gra­vierend erweisen wie das Ein­bringen von Koh­len­dioxid in die Atmosphäre.“
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Im zweiten Teil werden die Umwelt­aus­wir­kungen von über­schüs­sigem reak­tivem Stick­stoff untersucht.

Teil zwei von Ian Angus‘ Unter­su­chung der Störung des glo­balen Stick­stoff­kreis­laufs durch ein Wirt­schafts­system, das Profite höher bewertet als das Leben selbst.

Im ersten Teil dieses Artikels wurde beschrieben, wie die Stoff­wech­sel­ak­ti­vität spe­zia­li­sierter Bak­terien im Boden und in den Ozeanen den Stick­stoff­kreislauf antreibt, indem sie trägen Stick­stoff aus der Luft in reak­tiven Stick­stoff „fixieren“, ihn in Formen umwandeln, die Pflanzen nutzen können, und ihn schließlich in die Atmo­sphäre zurückgeben.

Wie Wis­sen­schaftler des deut­schen Max-Planck-Instituts erklären, hat das „mikro­bielle Stick­stoff­kreislauf-Netzwerk“ über Mil­li­arden von Jahren ein kon­stantes Niveau an reak­tivem Stick­stoff in der glo­balen Bio­sphäre aufrechterhalten.

„Es gibt eine erstaun­liche Vielfalt von Mikro­or­ga­nismen, die Stick­stoff umwandeln, und jeder dieser Mikro­or­ga­nismen hat dis­krete phy­sio­lo­gische Anfor­de­rungen für ein opti­males Wachstum. Da die Wachs­tums­be­din­gungen in der Natur sehr variabel und selten optimal sind, ist der Stick­stoff­umsatz durch ein­zelne Mikro­or­ga­nismen zwangs­läufig inef­fi­zient. Stick­stoff­trans­for­ma­tionen in der Umwelt werden jedoch von mikro­biellen Gemein­schaften durch­ge­führt, die Stick­stoff effi­zi­enter recyceln als ein­zelne Mikro­or­ga­nismen. Folglich ent­weicht sehr wenig bio­ver­füg­barer Stick­stoff in die Atmo­sphäre, und die geringe Menge, die als Distick­stoffgas ver­loren geht, wird durch Stick­stoff­fi­xierung aus­ge­glichen.“ (Marcel M. M. Kuypers, Hannah K. Mar­chant, and Boran Kartal, “The Microbial Nitrogen-cycling Network,” Nature Reviews: Micro­biology 16, no. 5 (2018): 271.)

Dieser lebens­wichtige Kreislauf wurde im Europa des 19. Jahr­hun­derts gestört,

als die Städte so groß wurden, dass der Stick­stoff und andere Nähr­stoffe, die von der Stadt­be­völ­kerung in Form von Nah­rungs­mitteln ver­braucht wurden, nicht mehr in den Boden zurück­kehren konnten, was zu einer Ver­schmutzung der Städte und einer Ver­rin­gerung der Boden­frucht­barkeit auf dem Land führte.(Ian Angus, “Cess­pools, Sewage, and Social Murder: Envi­ron­mental Crisis and Meta­bolic Rift in Nine­teenth Century London,” Monthly Review, July-August 2018: 32–68)

Was Marx als „einen irrepa­rabler Riss im inter­de­pen­denten Prozess des sozialen Stoff­wechsels“ wurde durch den Import von stick­stoff­reichem Guano und mine­ra­li­schen Nitraten aus Süd­amerika zur Düngung von Feldern und durch den Bau von Abwas­ser­ka­nälen zur Ableitung von Sied­lungs­ab­fällen in Flüsse und Meere gemildert – über­spielt, nicht geheilt -.

Im 20. Jahr­hundert öff­neten jedoch fossile Brenn­stoffe und die indus­trielle Land­wirt­schaft einen noch grö­ßeren Graben,

indem sie Pro­zesse ein­setzten, die jährlich mehr als doppelt so viel reak­tiven Stick­stoff in die Umwelt frei­setzen, wie die Natur allein je pro­du­ziert hat. Ins­be­sondere werden jedes Jahr fast 200 Mil­lionen Tonnen syn­the­tische Dün­ge­mittel ein­ge­setzt – und der größte Teil des darin ent­hal­tenen reak­tiven Stick­stoffs ent­weicht in die weitere Umgebung, ver­schmutzt Luft und Wasser und stört die Ökosysteme.

Das ein­fache Dia­gramm in Teil 1 ver­an­schau­lichte, wie die bak­te­rielle Akti­vität den Stick­stoff im Boden in natür­lichen Öko­sys­temen kon­trol­liert. Die Ein­führung von syn­the­ti­schen Dün­ge­mitteln, indus­tri­eller Land­wirt­schaft und fos­silen Brenn­stoffen bedeutet, dass nur noch wenige solcher Öko­systeme exis­tieren. Die natür­liche bak­te­rielle Fixierung ist nicht mehr die größte Quelle von reak­tivem Stick­stoff, und die kleinen Mengen, die den lokalen Öko­sys­temen immer ent­gangen sind, sind zu einer Flut geworden, die die gesamte Bio­sphäre betrifft. Dieses Dia­gramm, obwohl immer noch stark ver­ein­facht, ver­mittelt ein genaueres Bild des glo­balen Stick­stoff­kreis­laufs im 21. Jahrhundert.

Kli­ma­wan­del­leugner behaupten oft, dass Koh­len­dioxid nicht schädlich sein kann, weil Pflanzen es zum Wachsen brauchen. Das gleiche falsche Argument kann über Stick­stoff vor­ge­bracht werden, und unsere Antwort ist die gleiche: Zu viel von einer guten Sache kann tödlich sein. Orga­nismen und Öko­systeme, die sich in einer Welt ent­wi­ckelt haben, in der das Angebot an reak­tivem Stick­stoff streng begrenzt war, werden nun durch eine bei­spiellose Stick­stoff­schwemme gestört und in vielen Fällen zerstört.

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Stick­stoff-Kas­kaden

Die wach­sende Anrei­cherung von Koh­len­dioxid in der Atmo­sphäre kann direkt gemessen werden – sie hat kürzlich 413 Teile pro Million über­schritten, eine deutlich höhere Kon­zen­tration als zu jedem anderen Zeit­punkt in den letzten 800.000 Jahren. Die genaue Beziehung zwi­schen dem CO2-Gehalt und den glo­balen Tem­pe­ra­turen zu bestimmen, ist ein kom­plexer Prozess, aber es besteht kein Zweifel, dass mehr CO2 mit höheren Tem­pe­ra­turen gleich­zu­setzen ist.

Es gibt keine gleich­wertige Mög­lichkeit, die Anhäufung von reak­tivem Stick­stoff zu ver­folgen oder seine Umwelt­aus­wir­kungen in ein­fachen Worten zusam­men­zu­fassen. Im Gegensatz zu Koh­len­dioxid können sich die meisten der von reak­tivem Stick­stoff gebil­deten Che­mi­kalien leicht inein­ander umwandeln, und sie haben je nach den ört­lichen Bedin­gungen unter­schied­liche Auswirkungen.

Viele Schwel­len­werte für die Gesundheit von Mensch und Öko­system wurden auf­grund der Nr-Ver­schmutzung über­schritten, ein­schließlich derer für Trink­wasser (Nitrate), Luft­qua­lität (Smog, Fein­staub, boden­nahes Ozon), Süß­wasser-Eutro­phierung, Verlust der bio­lo­gi­schen Vielfalt, stra­to­sphä­ri­scher Ozon­abbau, Kli­ma­wandel und Küs­ten­öko­systeme (tote Zonen). Jeder dieser Umwelt­ef­fekte kann durch die ‚Stick­stoff­kaskade‘ ver­größert werden: ein ein­ziges Atom Nr kann nach­ein­ander eine Kaskade nega­tiver Umwelt­ein­flüsse aus­lösen.“ (J. W. Erisman et al., “Con­se­quences of Human Modi­fi­cation of the Global Nitrogen Cycle,” Phi­lo­so­phical Tran­sac­tions of the Royal Society B: Bio­lo­gical Sci­ences 368, no. 1621 (July 2013))

Jede gegebene Stick­stoff­kaskade kann eine andere Abfolge von che­mi­schen Umwand­lungen und Aus­wir­kungen beinhalten.

Ein Stick­stoffatom, das aus land­wirt­schaftlich genutzten Böden in das Grund­wasser sickert, wird bei­spiels­weise einen anderen Weg nehmen als ein Atom, das durch die Ver­brennung von Benzin in einem Auto ent­steht, und beide können mehrere bio­geo­che­mische Pro­zesse stören. Eine Grafik im Sci­en­tific Ame­rican beschreibt eine mög­liche Kaskade:

„1. der Stick­stoff, der bei der Ver­brennung fos­siler Brenn­stoffe ent­steht, kann schwere Luft­ver­schmutzung verursachen …

„2. bevor er sich dann mit Wasser ver­bindet, um im Regen Sal­pe­ter­säure zu erzeugen …

„3. und sich mit Stick­stoff ver­bindet, der aus gedüngten Feldern, Exkre­menten von Nutz­tieren, mensch­lichen Abwässern und Hül­sen­früchten austritt.

“ 4. wenn zu viel Stick­stoff in ter­res­trische Öko­systeme gelangt, kann er zum Rückgang der Arten­vielfalt und mög­li­cher­weise zu einem erhöhten Risiko für ver­schiedene mensch­liche Krank­heiten beitragen.

“ 5. ein ein­ziges Stick­stoffatom aus einer Fabrik, einem Fahrzeug oder einem Bau­ernhof kann den Boden ver­sauern und das Trink­wasser ver­un­rei­nigen, bevor es in Flüsse gelangt …

“ 6. wo es in die Ozeane gelangen kann und dazu bei­trägt, giftige Algen­blüten und tote Zonen an den Küsten zu verursachen.

„7. An jedem Punkt dieser Kette können Bak­terien das schäd­liche Atom in Distick­stoffoxid umwandeln, ein starkes Treib­hausgas, das auch den Verlust des schüt­zenden strato-sphä­ri­schen Ozons beschleunigt. Nur Bak­terien, die das Atom wieder in unschäd­liches N2-Gas umwandeln, können seine schäd­lichen Aus­wir­kungen auf­halten.“ (Alan R. Townsend and Robert W. Howarth, “Fixing the Global Nitrogen Problem,” Sci­en­tific Ame­rican 302, no. 2 (February 2010); 65–6.)

Stick­stoff­kas­kaden ver­laufen nicht linear

Atome können die gesamte Sequenz oder einen Teil davon wie­derholt durch­laufen, eine Stufe wie­der­holen oder zu einer anderen Sequenz über­gehen, und das über Zeit­räume von Sekunden bis Jahr­zehnten. Aber der Gesamt­effekt lässt sich so zusam­men­fassen, dass mehr reak­tiver Stick­stoff in der Umwelt zu mehr Stick­stoff-kas­kaden und mehr Stö­rungen in der Bio­sphäre führt.

Die WAGES* des Stickstoffs

Wie die Autoren des euro­päi­schen Berichts zur Bewertung von Stick­stoff aus dem Jahr 2011 betonten, „gibt es eine enorme Vielfalt von Nr-Schad­stoff­formen … die zu vielen sekun­dären Schad­stoffen (ein­schließlich vieler orga­ni­scher Stick­stoff­formen im Wasser und in der Luft) und einer noch län­geren Liste von Umwelt­aus­wir­kungen führen. Das Problem von Nr in der Umwelt bietet einen Grad an Kom­ple­xität, den nur wenige Wis­sen­schaftler voll­ständig abdecken können.“ ( Mark A. Sutton et al., “The Challenge to Inte­grate Nitrogen Science and Policies,” The European Nitrogen Assessment: 84.)

Sie fassten die Umwelt­be­dro­hungen durch über­mä­ßigen reak­tiven Stick­stoff unter dem Akronym *WAGES – Water, Air, Green­house balance, Ecosystems, Soil – zusammen und wid­meten jedem ein Kapitel.

Der Bericht „Our Nut­rient World“ aus dem Jahr 2013 gab diesen Über­blick über die WAGES-Bedro­hungen, ein­schließlich der Aus­wir­kungen von Stick­stoff (N) und Phosphor ℗.

Was­ser­qua­lität: Die Frei­setzung von zu viel N und P in die Umwelt beein­trächtigt Meeres- und Süß­wasser-Öko­systeme durch Eutro­phierung, was zu Algen­blüten mit toten Zonen und Fisch­sterben führt, während es auch Grund­was­ser­leiter ver­schmutzt und ver­un­rei­nigtes Trink­wasser ver­ur­sacht. Weite Regionen der meisten Kon­ti­nente sind davon betroffen, und man schätzt, dass etwa 80 % der großen Mee­res­öko­systeme in den Küs­ten­ge­wässern einer signi­fi­kanten Eutro­phierung unter­liegen. In Süß­wasser-Öko­sys­temen werden im All­ge­meinen Kon­zen­tra­tionen von 1–2 mg Nr pro Liter und 0,1 mg P pro Liter oder weniger als Ursache für Eutro­phierung ange­sehen, aber die spe­zi­fi­schen Kon­zen­tra­tionen hängen von den lokalen hydro­lo­gi­schen und kli­ma­ti­schen Bedin­gungen ab.

Luft­qua­lität: Reak­tiver Stick­stoff trägt durch Emis­sionen von Stick­oxiden (NOx) und Ammoniak (NH3), die zu hohen Kon­zen­tra­tionen von Stick­stoff­dioxid (NO2), Fein­staub (PM) und boden­nahem (tro­po­sphä­ri­schem) Ozon (O3) führen, zu meh­reren Luft­ver­schmut­zungs­ge­fahren für die mensch­liche Gesundheit bei. Es wird geschätzt, dass 60 % der Welt­be­völ­kerung in städ­ti­schen Gebieten PM, NO2 und anderen toxi­schen N‑Stoffen in Kon­zen­tra­tionen aus­ge­setzt sind, die über den Schwel­len­werten für schäd­liche Wir­kungen liegen, während 60 % des Anstiegs von tro­po­sphä­ri­schem O3 seit 1900 auf NOx-Emis­sionen zurück­zu­führen sind, wobei tro­po­sphä­ri­sches O3 auch einen Pro­duk­ti­vi­täts­verlust von etwa 5 % bei land­wirt­schaft­lichen Kul­turen verursacht.

Treib­haus­bilanz„: Die Störung von Nähr­stoff­kreis­läufen hat sowohl kli­ma­er­wär­mende als auch küh­lende Effekte. Das Treib­hausgas Lachgas (N2O) ist die am längsten anhal­tende Erwär­mungs­kom­po­nente, während NOx zum tro­po­sphä­ri­schen O3 bei­trägt, das durch die Ver­rin­gerung der CO2-Auf­nahme der Pflanzen zu einer wei­teren Erwärmung führt. Im Gegensatz dazu fördert die atmo­sphä­rische Nr-Depo­sition das Pflan­zen­wachstum und die CO2-Auf­nahme, während Nr zu was­ser­lös­lichem Fein­staub (PM) bei­trägt, die beide küh­lende Effekte haben. Als Ergebnis erfolg­reicher Maß­nahmen zur Redu­zierung von Flu­or­chlor­koh­len­was­ser­stoffen und anderen ozon­ab­bau­enden Sub­stanzen ist Nr2O nun die Haupt­ur­sache für den Abbau von O3 in der Stra­to­sphäre, was das Risiko von Haut­krebs erhöht.

Öko­systeme und Arten­vielfalt„: Die Bedrohung durch zu viele Nähr­stoffe beinhaltet den Verlust von Arten mit hohem Schutz- und Nah­rungswert, die von Natur aus an wenige Nähr­stoffe ange­passt sind und durch Eutro­phierung bedroht sind. Die atmo­sphä­rische N‑Deposition über-steigt 5 kg pro ha jährlich in der Hälfte der CBD-Schutz­ge­biete in „glo­balen Bio­di­ver­sitäts-Hot­spots“ und G200-Ökore-gionen und ist schät­zungs­weise für 5–15% des der­zei­tigen glo­balen Bio­di­ver­si­täts­ver­lustes ver­ant­wortlich. Im Gegensatz dazu schränkt ein Mangel an N und P in Agrar­öko­sys­temen die Pro­duk­ti­vität ein und kann Land­wirte dazu zwingen, zusätz­liche land­wirt­schaft­liche Flächen zu suchen, was zu einer land­wirt­schaft­lichen Aus­breitung führt, die unbe­rührte Öko­systeme bedroht.

Boden­qua­lität„: Ein zu hoher N‑Eintrag kann zu einer Ver­sauerung des Bodens führen, sowohl in natur­nahen und Wald­öko­sys­temen, die hohen atmo­sphä­ri­schen N‑Depositionen aus­ge­setzt sind, als auch in land­wirt­schaft­lichen Öko­sys­temen mit inten­siver Düngung. Während dies durch Kalk­zugabe in Agrar­öko­sys­temen gemildert werden kann, führt der Effekt in natür­lichen Böden ten­den­ziell zu einer Ver­armung an essen­ti­ellen Boden­basen, während gleich-zeitig toxische Metalle mobi­li­siert werden, was zu wei­teren Risiken für die Gesundheit von Wäldern und Süß­was­ser­fisch-popu­la­tionen führt. Eine unzu­rei­chende Nähr­stoff­ver­füg­barkeit in der Land­wirt­schaft führt zu einem Verlust der Boden­frucht­barkeit und kann die Erosion ver­schärfen, während ein Mangel an Mikro­nähr­stoffen auch die effi­ziente Nutzung der ver­füg­baren N- und P‑Ressourcen ein­schränken kann.“(Mark A. Sutton et al., Our Nut­rient World: The Challenge to Produce More Food and Energy with Less Pol­lution. (Edin­burgh: Centre for Ecology and Hydrology, 2013), 32–3. “G200 eco­re­gions” are loca­tions iden­tified by the con­ser­vation group WWF as priorities.)

Wie dieser Abriss zeigt, gibt es nur wenige (wenn über­haupt) öko­lo­gische Pro­bleme, die keine Stick­stoff­kom­po­nente haben, die nicht durch die massive Aus­breitung von reak­tivem Stick­stoff in Boden, Luft und Wasser ent­weder aus­gelöst oder ver­schlimmert wurden. Neuere Studien zeigen, dass seine schäd­lichen Aus­wir­kungen durch den Kli­ma­wandel noch ver­stärkt werden.(Richard Conniff, “The Nitrogen Problem: Why Global Warming Is Making It Worse,” Yale Envi­ronment 360, August 7, 2017.)

„Ich habe vor, gesondert über tote Zonen in den Ozeanen und toxische Algen­blüten zu schreiben, aber eine voll­ständige Dar­stellung der reak­tiven Stick­stoff­be­dro­hungen für die globale Umwelt würde den Rahmen dieser Serie sprengen. Leser, die mehr Details suchen, ein­schließlich umfas­sender Ver­weise auf die rele­vante wis­sen­schaft­liche und tech­nische Lite­ratur, sollten Kapitel 4 von Our Nut­rient World und die Kapitel 5 bis 9 des European Nitrogen Assessment lesen, “ so Ian Angus

Der wich­tigste Punkt ist, dass die Stick­stoff­schwemme (und die ungleiche Ver­teilung, die man­cherorts, ins­be­sondere in Afrika südlich der Sahara, zu Eng­pässen führt) die Bio­sphäre in vie­lerlei Hin­sicht schädigt. Es ist schmerzlich klar, dass jede ernst­hafte Bemühung, öko­lo­gische Kata­strophen in diesem Jahr­hundert zu ver­hindern, die Zügelung der Über­pro­duktion von reak­tivem Stick­stoff beinhalten muss.

Um fest­zu­stellen, wie das geschehen kann, müssen wir ver­stehen, wie und warum die Schwemme ent­standen ist. Wie hat der meta­bo­lische Riss in der Land­wirt­schaft des 19. Jahr­hun­derts, der durch die Ver­armung und Ver­schwendung essen­zi­eller Nähr­stoffe gekenn­zeichnet war, im 20. Jahr­hundert zu pla­ne­ta­ri­schen Rissen geführt, die durch ein mas­sives Über­an­gebot und eine Über­be­an­spru­chung der gleichen Ele­mente ver­ur­sacht wurden? Ein zukünf­tiger Artikel in dieser Serie wird sich mit dieser Frage befassen.

Teil 3- Eine kurze Geschichte

Seit Tau­senden von Jahren ernähren sich bäu­er­liche Gemein­schaften auf der ganzen Welt, indem sie mit den Nähr­stoff­kreis­läufen der Natur arbeiten. Durch Versuch und Irrtum und sorg­fältige Beob­achtung lernten sie Wege, die Boden­frucht­barkeit zu erhalten.

Tech­niken wie das Aus­bringen von Tier­dünger und das Ver­brennen von Ern­te­rück­ständen auf den Feldern waren weit ver­breitet, aber sie konnten die Stick­stoff­ver­armung nur ver­lang­samen, nicht umkehren. Die einzige Mög­lichkeit, dies zu erreichen, war der Anbau von natür­lichen Stick­stoff­fi­xierern wie Bohnen und Erbsen, ent­weder in der Frucht­folge mit Getreide oder durch Zwi­schen­frucht­anbau – und tat­sächlich zeigen archäo­lo­gische Beweise, dass Erbsen und Linsen im Nahen Osten bereits vor 8.000 Jahren zusammen mit Weizen und Gerste angebaut wurden. Die gleiche Methode mit anderen Hül­sen­früchten wurde unab­hängig von­ein­ander auf vier Kon­ti­nenten ent­deckt und umge­setzt. (Vaclav Smil, Anrei­cherung der Erde (MIT Press, 2001), 29.)

Im heu­tigen Mexiko und Gua­temala waren die von den Maya-Bauern gepflegten Mehr­kul­tu­renfelder über Jahr­tau­sende hinweg kon­ti­nu­ierlich pro­duktiv. (Charles C. Mann, 1491: Neue Offen­ba­rungen Ame­rikas vor Kolumbus (Alfred A. Knopf, 2005); 199.)

Natürlich vari­ierte das tra­di­tio­nelle land­wirt­schaft­liche Wissen stark, und es kam zu unge­wollten Boden­zer­stö­rungen, manchmal in großem Umfang. Dennoch sind effektive Methoden zur Erhaltung der Boden­frucht­barkeit seit Jahr­tau­senden bekannt und werden praktiziert.

Seit einigen Jahr­hun­derten werden die tra­di­tio­nellen Anbau­me­thoden jedoch von der kapi­ta­lis­ti­schen Land­wirt­schaft unter­graben, deren Hauptan-liegen die Kapi­tal­ak­ku­mu­lation ist. Die Not­wen­digkeit, jedes Jahr einen Gewinn zu erzielen, stand der Inves­tition von Zeit und Geld in die lang­fristige Frucht­barkeit ent­gegen. Wie die „Dust Bowl“-Historikerin Hannah Hol­leman erklärt, hat die Pro­duktion für weit ent­fernte Märkte die Dynamik der Land­wirt­schaft radikal verändert.

„Die Cash-Crop-Land­wirt­schaft unter­scheidet sich in ihren sozialen und öko­lo­gi­schen Folgen stark von der Sub­sis­tenz­land­wirt­schaft oder auch von der Land­wirt­schaft der Ein­hei­mi­schen zur Ver­sorgung der lokalen Märkte. Sie ist volatil und unter­liegt den Schwan­kungen des Welt­marktes. Und sie hat eine uner­sätt­liche Qua­lität, solange es Geld zu ver­dienen gibt oder, wegen der Rolle des Finanz­wesens in der Land­wirt­schaft und der Steuern, Schulden zu bezahlen sind. Infol­ge­dessen werden Felder bepflanzt, wenn sie ruhen sollten, Herden werden ver­größert, wenn sie redu­ziert werden sollten, und so weiter, was zu einer raschen Degra­dierung des Landes führt. (Hannah Hol­leman, Dust Bowls of Empire (Yale Uni­versity Press, 2018), 71.)

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Die 1800er Jahre waren eine Zeit großer wis­sen­schaft­licher Fort­schritte, ein­schließlich des Wissens über die Bedin­gungen, die die Boden­frucht­barkeit erzeugen und zer­stören, aber das Wirt­schafts­system ent­mu­tigte die effektive Anwendung dieses Wissens. Wie Hol­leman sagt, „hat ein grö­ßeres wis­sen­schaft­liches Ver­ständnis die zuneh­mende Boden­de­gra­dation ebenso wenig ver­hindert wie ein grö­ßeres Wissen über die Kli­ma­wis­sen­schaft in den letzten Jahr­zehnten die Beschleu­nigung des Kli­ma­wandels ver­hindert hat.“ (Hol­leman, Dust Bowls, 78.)

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Was ein zir­ku­lärer Prozess gewesen war – Bau­ernhöfe ernährten die Men­schen und mensch­liche Abfälle düngten den Boden – wurde zu einem linearen Prozess, bei dem Lebens­mittel von den Bau­ern­höfen in die Städte trans­por­tiert und die Abfälle der Men­schen in die Flüsse gekippt wurden.( Ian Angus, “Cess­pools, Sewage, and Social Murder: Envi­ron­mental Crisis and Meta­bolic Rift in Nine­teenth-Century London,” Monthly Review, July 2018, 32–68.)

Hugh Gorman rechnet vor, dass „ganz grob gesagt der Stick­stoff­fluss in die eng­li­schen Städte über die Lebens­mit­tel­ver­sorgung von etwa 800 Tonnen im Jahr 1500 auf etwa 9.000 Tonnen im Jahr 1800 anstieg“ (Hugh S. Gorman, The Story of N, (Rutgers Uni­versity Press, 2013) 49.)

Der Stick­stoff­fluss von den Bau­ern­höfen in die städ­ti­schen Abwas­ser­kanäle nahm in den fol­genden Jahr­zehnten rapide zu.

Uralte Nähr­stoff­kreis­läufe wurden unter­brochen, die Frucht­barkeit des Bodens nahm ab. Karl Marx nannte dies „einen irrepa­rablen Riss im zusam­men­hän­genden Prozess des gesell­schaft­lichen Stoff­wechsels, eines Stoff­wechsels, der durch die Natur­ge­setze des Lebens selbst vor­ge­schrieben ist.“(Karl Marx, Capital, vol. 3 (Penguin, 1981): 949–50.)

Diese Kluft wurde in erster Linie durch die Ver­la­gerung der Nah­rungs­mit­tel­pro­duktion in andere Länder behoben. Marx schrieb, dass Groß­bri­tannien durch den Import von Getreide aus Irland „indirekt den Boden Irlands expor­tierte, ohne seinen Kul­ti­va­toren auch nur die Mittel zu geben, die Bestand­teile des erschöpften Bodens zu ersetzen.“(Karl Marx, Capital, vol. 1 (Penguin, 1976), 860n.)

Hätte er länger gelebt, hätte er auch die West­ver­schiebung der Cash-Crop-Land­wirt­schaft in den Ver­ei­nigten Staaten gesehen, die durch völ­ker­mör­de­rische Kriege gegen indigene Völker ermög­licht wurde, und den par­al­lelen Prozess in England, wo die mit Weizen bebaute Fläche zwi­schen 1870 und 1900 um 50 % zurückging, während die Weizen- und Mehl­im­porte, haupt­sächlich aus Kanada und Indien, um 90 % stiegen.

Wie Brett Clark und John Bellamy Foster schreiben, „ver­suchten die euro­päi­schen Nationen und die Ver­ei­nigten Staaten, um die Aus­wir­kungen ihres Raubbaus an ihrem eigenen Boden zu kom­pen­sieren, andere Länder ihrer Boden­nähr­stoffe zu berauben, wodurch ein glo­baler meta­bo­li­scher Riss entstand.“(Brett Clark and John Bellamy Foster, “Guano: The Meta­bolic Rift and the Fer­ti­lizer Trade,” in Ecology and Power, ed. Alf Hornborg and Brett Clark (New York: Rout­ledge, 2012),  72.)

Die Ära des fos­silen Stickstoffs

Während viele Land­wirte in England und Deutschland den Versuch auf­gaben, mit aus­ge­laugten Böden Geld zu ver­dienen, wandten sich die­je­nigen, die es sich leisten konnten, her­ge­stellten Dün­ge­mitteln zu, ins­be­sondere stick­stoff­reichen Mischungen auf der Basis von See­vogel-Exkre­menten, die aus einem ein­zig­ar­tigen Öko­system vor der Küste Perus impor­tiert wurden.

Der Hum­boldt­strom, der entlang der West­küste Süd­ame­rikas nach Norden fließt, bringt riesige Mengen an kleinen Fischen aus tiefen, kalten Gewässern nach oben. Seit Jahr­tau­senden haben diese Fische Mil­lionen von See­vögeln ange­lockt, die auf den fel­sigen Chincha-Inseln vor Perus Küste nisten. Ihr Guano – das Quechua-Wort für See­vogel-Exkre­mente – ist reich an den wich­tigsten Ele­menten für das Pflan­zen­wachstum: Stick­stoff, Phosphor und Kalium. Da es in dieser Gegend fast nie regnet, sam­melte sich der Guano über Jahr­tau­sende hinweg an, anstatt weg­ge­spült zu werden: An manchen Stellen waren die Abla­ge­rungen 20 Meter dick.

Die Bauern in der Gegend nutzten den Guano schon lange, um sandige Böden in Küs­tennähe und felsige Böden hoch in den Anden anzu­rei­chern. Lokale Gesetze und Bräuche begrenzten die jährlich ent­nom­menen Mengen und schützten die See­vögel, die dafür sorgten, dass die Res­source reichlich vor­handen blieb.

In den 1840er Jahren „ent­deckten“ eng­lische Land­be­sitzer diesen mäch­tigen Dünger und nutzten ihn als Lösung für ihre Boden­frucht­bar­keits­krise. Vaclav Smil beschreibt das, was folgte, als „Guano-Manie“, einen ver­rückten Rausch, jedes Stückchen Guano, das gefunden werden konnte, so schnell wie möglich abzu­bauen (Smil, Enri­ching, 42.)

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Der Schaden für die Umwelt und die Lebens­grundlage der perua­ni­schen Bauern spielte keine Rolle im Kalkül der Kauf­leute, die die Inseln aus­plün­derten. Sie küm­merten sich auch nicht um das Leben der Arbeiter, meist Zwangs­ar­beiter aus China, die den Guano unter bru­talen Bedin­gungen abbauten, die Marx als „schlimmer als Sklaverei“bezeichnete. (Karl Marx, “English Atro­cities in China,” in Karl Marx and Fre­derick Engels, Coll­ected Works (MECW) (Inter­na­tional Publishers, 1975). 235.)

Im Jahr 1856 ver­ab­schiedete der US-Kon­gress aus Sorge darüber, dass bri­tische Kauf­leute ein effek­tives Monopol auf perua­ni­schen Guano hatten, den Guano Islands Act, der US-Bürger ermäch­tigte, jede unbe­wohnte Insel mit Guano-Vor­kommen „friedlich in Besitz zu nehmen“. Fast 100 kleine Inseln wurden schließlich von US-Gesell­schaften unter diesem Gesetz beschlag­nahmt, aber keine von ihnen hatte die Quan­tität und Qua­lität des Guano, der vor Peru gefunden wurde. (His­to­rians often describe this as the beginning of US impe­rialism: that of course ignores the massive sei­zures of land from indi­genous people in North America.)

Über drei Jahr­zehnte wurden etwa 12 Mil­lionen Tonnen Guano nach Norden ver­schifft, haupt­sächlich nach England und Deutschland. Der Guano in Dün­ge­mit­tel­qua­lität wurde viel schneller abgebaut, als die See­vögel ihn ersetzen konnten, so dass die Vor­kommen bald erschöpft waren. In den 1880er Jahren war der Gua­no­handel fast zusam­men­ge­brochen. (Guano is still har­vested in the Chincha Islands today, but the quan­tities are small and the nut­rient content low.)

Zu diesem Zeit­punkt hatten die Inves­toren aus dem Norden ihren Blick bereits ins Lan­des­innere gerichtet, wo das extrem tro­ckene Klima eine andere Stick­stoff­quelle erhalten hatte. Vor Mil­lionen von Jahren hatten sich in der Atacama-Wüste im heu­tigen Nord­chile von der Gischt des Ozeans mit­ge­führte Salze getrocknet und zu Caliche ange­rei­chert, einem Erz, das reich an Natri­um­nitrat ist. Caliche war schwie­riger zu gewinnen und zu ver­edeln als Guano, aber es gab viel mehr davon. Die Exporte erreichten 1,3 Mil­lionen Tonnen im Jahr 1900 und 2,5 Mil­lionen Tonnen im Jahr 1913.(Smil, Enri­ching, 46. The exported ore was about 15% nitrogen.)

Natri­um­nitrat aus Chile, das im Miozän abge­lagert wurde, war zu einer wich­tigen Quelle für reak­tiven Stick­stoff geworden.

Kohle war eine noch ältere Quelle für fos­silen Stick­stoff. Zur Her­stellung von Koks für die Stahl­pro­duktion und von Gas für die städ­tische Beleuchtung wurde Kohle unter Aus­schluss von Sau­er­stoff erhitzt, um Ver­un­rei­ni­gungen aus­zu­treiben, zu denen auch kleine Mengen von Stick­stoff gehörten, die von alten Pflanzen übrig geblieben waren, die nicht voll­ständig zu Koh­len­stoff redu­ziert worden waren. Der Her­stel­lungs­prozess wan­delte den Stick­stoff in Ammoniak um, das bis in die 1880er Jahre einfach in die Luft ent­lassen wurde. Als jedoch eine Tech­no­logie zur Abscheidung des Ammo­niaks ent­wi­ckelt wurde, fand sie in Groß­bri­tannien und West­europa weite Verbreitung.

Um 1900 pro­du­zierten Bergbau- und Fer­ti­gungs­pro­zesse mehr als genug Phosphor und Kalium, um die Mengen zu ersetzen, die dem Boden durch die Land­wirt­schaft ent­zogen wurden, aber fos­siler Stick­stoff kam nicht einmal in die Nähe. Smil berechnet, dass die Gesamt­pro­duktion von chi­le­ni­schen Nitraten und Ammoniak aus Koksöfen in jenem Jahr etwa 340.000 Tonnen reak­tiven Stick­stoffs betrug – „in der Grö­ßen­ordnung von 2 % des gesamten Stick­stoffs, der durch die Ernten jenes Jahres und deren Rück­stände ent­fernt wurde.“(Smil, Enri­ching, 57.)

Die Wie­der­her­stellung der Böden der Welt mit Dünger würde einen qua­li­ta­tiven Sprung in der Stick­stoff­pro­duktion erfordern. Das könnte nur geschehen, indem man ihn aus der Luft gewinnt – und das würde die Unter­stützung der mäch­tigen Kräfte erfordern, die Stick­stoff benutzen, um Men­schen zu töten, statt sie zu ernähren.

Mili­tä­ri­scher Stickstoff

Gegen Ende des 19. Jahr­hun­derts wussten sach­kundige Beob­achter, dass ein Krieg bevor­stand. Groß­bri­tannien, einst die mäch­tigste Indus­trie­macht der Welt, war von Deutschland und den Ver­ei­nigten Staaten ein­geholt oder überholt worden. Schon im Dezember 1887 sagte Friedrich Engels treffend voraus, dass die Riva­lität zwi­schen den großen kapi­ta­lis­ti­schen Mächten zu „einem Welt­krieg … von bisher unge­ahntem Ausmaß und Gewalt“ führen würde.

„Acht bis zehn Mil­lionen Sol­daten werden sich gegen­seitig an die Gurgel gehen und dabei Europa kahler aus­nehmen als ein Heu­schre­cken­schwarm. Die Ver­wüs­tungen des Dreißig-jäh­rigen Krieges in drei bis vier Jahren kom­pri­miert und über den ganzen Kon­tinent aus­ge­dehnt …. Das ist die Aus­sicht auf den Augen­blick, wo die sys­te­ma­tische Ent­wicklung der gegen­sei­tigen Über­bietung in der Rüstung ihren Höhe­punkt erreicht und ihre unver­meid­lichen Früchte trägt.“ (Marx Engels Coll­ected Works, Vol. 26, 451.)

Die „gegen­seitige Über­bietung in der Rüstung“ war ein Wett­rüsten, das schwere Inves­ti­tionen in leis­tungs­starke Geschütze, Kriegs­schiffe und U‑Boote sowie die Anhäufung der wich­tigsten Che­mi­kalie der modernen Kriegs­führung – Stick­stoff – beinhaltete.

Obwohl die meisten Berichte über die Nähr­stoff­spaltung im 19. Jahr­hundert die Bedeutung des Stick­stoffs für die Landwirt-schaft betonen, wurde ein Großteil des fos­silen Stick­stoffs tat­sächlich zur Her­stellung von Schieß­pulver und Spreng­stoffen ver­wendet. Ein Artikel des bekannten Indus­trie­che­mikers Charles E. Munroe, der 1909 vom U.S. Naval Institute ver­öf­fent­licht wurde, gab die fol­genden Zahlen für die Ver­wendung von Natri­um­nitrat in den Ver­ei­nigten Staaten im Jahr 1905 an.

Industrie Tonnen

Dün­ge­mittel………….  42,213

Farb­stoff………………..     261

Che­mi­kalien…………..  38,048

Glas………………  11,915

Spreng­stoffe…………. 133,034

Säuren………………  29,301

Gesamt……………… 254,772

Dün­ge­mittel ver­brauchten weniger als 17 % des impor­tierten Nitrats, während Spreng­stoffe mehr als die Hälfte ver­brauchten. Munroe hatte keine Zahlen für andere Länder, glaubte aber, dass „ein viel grö­ßerer Pro­zentsatz des chi­le­ni­schen Nitrats in der Land­wirt­schaft in Europa ver­wendet wird.“ Doch auch dort war die schnell wach­sende Rüs­tungs- und Spreng­stoff­in­dustrie auf fos­silen Stick­stoff angewiesen.

„Es kann daher mit Sicherheit behauptet werden, dass ohne die Ent­de­ckung und Aus­beutung der Nitrat­felder in Chile die Spreng-stoff­in­dustrie, wie sie heute bekannt ist, unmöglich gewesen wäre und die Ent­wick­lungen im Bergbau und Trans­port­wesen, die das letzte halbe Jahr­hundert cha­rak­te­ri­siert haben, nicht hätten gemacht werden können.“ (Charles E. Munroe, “The Nitrogen Question from the Military Stand­point,” Naval Institute Pro­cee­dings, vol. 35 Part 2 (1909), 722–23.)

Zehn Jahre zuvor hatte Sir William Crookes, Prä­sident der British Asso­ciation for the Advancement of Science, in einer weithin ver­öf­fent­lichten Ansprache davor gewarnt, dass die chi­le­ni­schen Nitrate bald so erschöpft sein könnten wie der Guano, und wenn das geschehe, „stehen England und alle zivi­li­sierten Nationen in der töd­lichen Gefahr, nicht genug zu essen zu haben … Wir schöpfen aus dem Kapital der Erde, und unsere Ent­würfe werden nicht ewig geehrt werden….“.

Crookes‘ Ansichten waren eine Mischung aus solider Wis­sen­schaft, krudem Mal­thu­sia­nismus und offenem Ras­sismus. Er behauptete, dass „die große kau­ka­sische Rasse“ ihre Über­le­genheit dem Verzehr von Weizen ver­dankte, der „die geeignete und richtige Nahrung für die Ent­wicklung von Muskeln und Gehirn“ sei. Wenn die Wei­zen­pro­duktion zurück­ginge, würde die „weiße Bevöl­kerung“ der Welt von „anderen Rassen … [die] indi­schen Mais, Reis, Meer­äsche und andere Körner essen“ über­troffen werden. So bizarr solche Ideen auch waren, sie waren bezeichnend für eine herr­schende Klasse, die glaubte, sie habe ein gott­ge­ge­benes Recht, die Welt zu beherrschen.

Ohne eine neue und zuver­lässige Stick­stoff­quelle, so Crookes, wäre England in einem Krieg mili­tä­risch im Nachteil, weil jede der anderen Groß­mächte den Zugang zu chi­le­ni­schem Nitrat blo­ckieren könnte. Stick­stoff wird nicht nur für die Ernährung der weißen Bevöl­kerung benötigt, sondern ist auch ein wesent­licher Bestandteil von Schieß­pulver und anderen Spreng­stoffen, so dass eine solche Blo­ckade ver­heerend sein könnte. „Die Fixierung von atmo­sphä­ri­schem Stick­stoff ist daher eine der großen Ent­de­ckungen, die auf den Ein­falls­reichtum der Che­miker warten.“ (William Crookes, “Address of the Pre­sident Before the British Asso­ciation for the Advancement of Science, Bristol, 1898,” Science, October 28 1898, 562, 571, 573.)

Munroes Artikel von 1909 beschrieb mehrere Pro­jekte zur Gewinnung von Stick­stoff aus der Luft, die es seiner Meinung nach ermög­lichen würden, „einen län­geren Krieg zu führen, ohne den Boden, von dem die Men­schen für ihre Ernährung abhängen, seiner Frucht­barkeit zu berauben.“ Er argu­men­tierte, dass die US-Regierung sollte nicht nur die Stick­stoff-Industrie zu unter­stützen, sondern sollte ein­greifen, um sicher­zu­stellen, dass die Pro­duktion war „stra­te­gisch im ganzen Land, so dass sie eini­ger­maßen gut vor Angriffen geschützt werden, so dass sie die mili­tä­rische Ein­richtung im Falle einer aus­län­di­schen Invasion von einem Viertel, oder der internen Auf­stände in jeder Ort­schaft dienen kann.“(Munroe, “Nitrogen Question,” 727.)

Wie Mark Sutton von der Task Force on Reactive Nitrogen schreibt, war „die west­liche Welt zu Beginn der 1900er Jahre effektiv zu einer ‚fos­silen Stick­stoff­wirt­schaft‘ geworden, da sowohl die Nah­rungs­mittel- als auch die mili­tä­rische Sicherheit ent­scheidend von diesen Stick­stoff­quellen abhing.“(Mark A. Sutton, “Assessing Our Nitrogen Inhe­ri­tance,” European Nitrogen Assessment (European Science Foun­dation, 2011), 1.)

In den fol­genden Jahren gab es vor allem in Deutschland intensive Bemü­hungen, die mili­tä­rische und land­wirt­schaft­liche Abhän­gigkeit von einer Res­source zu beenden, die im Falle eines zwi­schen­im­pe­ria­lis­ti­schen Krieges leicht blo­ckiert werden konnte.

Der letzt­end­liche Schlüssel zum Erfolg war nicht nur clevere Wis­sen­schaft, sondern clevere Wis­sen­schaft und Technik in Kom­bi­nation mit aus­rei­chend Kapital, um massive Pro­duk­ti­ons­an­lagen zu bauen und zu unter­halten. Und wie so oft bei Pro­jekten des „freien Unter­neh­mertums“ spielten staat­liche Unter­stützung und Krieg eine ent­schei­dende Rolle.

Der vierte Teil dieser Serie wird unter­suchen, wie die kapi­ta­lis­tische Lösung des Stick­stoff­mangels zu einem mas­siven Über­an­gebot und einer Über­be­an­spru­chung geführt hat, und zu einem noch grö­ßeren Riss im glo­balen Stoff­wechsel der Erde.

Quelle: https://www.darrinqualman.com/nitrogen-crisis/

In der zweiten Hälfte des 20. Jahr­hun­derts ver­wan­delte die pro­fit­ori­en­tierte Indus­trie­tech­no­logie die Stick­stoff­knappheit in eine umwelt­zer­stö­re­rische Stickstoffschwemme.

Jeder, der die iko­ni­schen Graphen der Großen Beschleu­nigung gesehen hat, wird die Kurve auf der rechten Seite erkennen – ein Jahr­hundert lang­samen Wachstums, gefolgt von einem starken Auf­schwung nach dem Zweiten Welt­krieg. Sehr ähn­liche Dia­gramme, die den lang­fris­tigen Wachs­tumspfad der CO2- und Methan-Emis­sionen, des Pri­mär­ener­gie­ver­brauchs, der Ver­sauerung der Ozeane und anderer wich­tiger Umwelt­trends zeigen, wurden vom Inter­na­tional Bio­sphere-Geo­sphere Program im Jahr 2004 erstellt. Wie die betei­ligten Wis­sen­schaftler betonten, zeigte jeder der Trends einen radi­kalen Anstieg der Ver­schmutzung und Umwelt­zer­störung nach 1945 – „die schnellste Trans­for­mation der mensch­lichen Beziehung zur natür­lichen Welt in der Geschichte der Menschheit“ ( I discuss the Great Acce­le­ration at more length in Facing the Anthro­pocene (Monthly Review Press, 2016), par­ti­cu­larly in chapters 2 and 7. Recent ver­sions of the Great Acce­le­ration graphs can be down­loaded here: https://www.slideshare.net/IGBPSecretariat/great-acceleration-2015.)

Der Zweite Welt­krieg und seine Folgen schufen die Bedin­gungen für die Große Beschleu­nigung und lei­teten eine neue Epoche in der Geschichte des Erd­systems ein, das Anthropozän.

Die Stick­stoff­pro­duktion spielt eine Schlüs­sel­rolle bei diesem zer­stö­re­ri­schen Übergang zu glo­balen Umwelt­be­din­gungen, die kein Mensch je erlebt hat.

Bis 1900 wurde der gesamte reaktive Stick­stoff der Erde von einigen wenigen Mikro­ben­arten pro­du­ziert, die die Fähigkeit ent­wi­ckelt hatten, ihn aus dem trägen Stick­stoff der Luft her­zu­stellen. Alle lebenden Orga­nismen waren von der begrenzten Menge an Stick­stoff, die die Mikroben pro­du­zieren konnten, abhängig – und ent­wi­ckelten sich, um damit zu leben.

Dann, in einem geo­lo­gi­schen Augen­blick, über­wäl­tigte die indus­trielle Pro­duktion einen bio­geo­che­mi­schen Kreislauf, der das Leben auf der Erde seit Mil­li­arden von Jahren auf­recht­erhalten hat. Heute wird in Fabriken mehr reak­tiver Stick­stoff pro­du­ziert als durch alle natür­lichen Pro­zesse zusammen. Die kapi­ta­lis­tische „Lösung“ für den begrenzten bio­lo­gi­schen Stick­stoff führte direkt zu einer weitaus erns­teren Umwelt­krise in unserer Zeit.

Die globale Umstellung auf indus­tri­ellen Stick­stoff begann Anfang des 20. Jahr­hun­derts, kurz nachdem Sir William Crookes an Wis­sen­schaftler und Indus­trielle appel­liert hatte, mehr Anstren­gungen in die For­schung zur Stick­stoff­fi­xierung zu stecken. Er war Eng­länder, aber die inten­sivsten Anstren­gungen auf diesem Gebiet wurden in Deutschland unter­nommen, das der größte Importeur von chi­le­ni­schen Nitraten war und sich im Falle eines Krieges rich­ti­ger­weise als am meisten durch eine Blo­ckade gefährdet sah. In den Jahren vor dem Ersten Welt­krieg spielte das größte Che­mie­un­ter­nehmen der Welt, die Badische Anilin- & Soda­fabrik, immer BASF genannt, eine füh­rende Rolle bei der Finan­zierung der For­schung und der kom­mer­zi­ellen Pro­duktion. (BASF was founded in 1865 as a dye-making company. It became part of IG Farben in 1926, and ree­merged as an inde­pendent company in 1952.)

Die Gewinnung von reak­tivem Stick­stoff aus den reak­tions-trägen Distick­stoff­mo­le­külen der Atmo­sphäre war eine gewaltige che­mische und tech­nische Her­aus­for­derung. Das Brechen der starken Bindung, die die Stick­stoff­atome zusam­menhält, würde Drücke und Tem­pe­ra­turen erfordern, die weit über denen liegen, die von Wis­sen­schaftlern des 19. Jahr­hun­derts in Labo­ra­torien erreicht wurden, ganz zu schweigen von der kon­ti­nu­ier­lichen Fabrik­pro­duktion. Jahr­hun­derts erreicht werden konnten, ganz zu schweigen von der kon­ti­nu­ier­lichen Pro­duktion in Fabriken. Es ist ein Maß für das wahr­ge­nommene Gewinn­po­tenzial, dass bis zum Beginn des Ersten Welt­kriegs drei sehr unter­schied­liche Stick­stoff­fi­xie­rungs­tech­no­logien ent­wi­ckelt und kom­mer­ziell betrieben wurden. Jede pro­du­zierte eine andere che­mische Ver­bindung, aus der reak­tiver Stick­stoff relativ einfach gewonnen werden konnte. (The best history of the deve­lo­pment of nitrogen fixing tech­no­logies is Vaclav Smil’s, Enri­ching the Earth (MIT Press,2001), to which my brief account is indebted.)

– Das Licht­bo­gen­ver­fahren ahmte den Blitz nach, indem es Tau­sende von hoch­en­er­ge­ti­schen elek­tri­schen Funken pro Sekunde durch Distick­stoffgas schickte und so Stick­stoffoxid erzeugte.

– Das Cya­namid-Ver­fahren erhitzte Distick­stoff und andere Che­mi­kalien auf über 1000 ºC und erzeugte Kalziumnitrid.

– Bei der Ammoniak-Syn­these wurden Distick­stoff und Was­ser­stoff unter hohem Druck und hoher Tem­pe­ratur in Gegenwart eines Kata­ly­sators gemischt, wobei Ammoniak entstand.

Alle drei Ver­fahren wurden bis weit in die 1930er Jahre hinein kom­mer­ziell genutzt, aber die Ammo­ni­ak­syn­these erwies sich als die pro­fi­ta­belste – ins­be­sondere, weil sie, obwohl sie enorme Ener­gie­mengen ver­brauchte, weniger als ein Zehntel so viel Energie zur Her­stellung einer Tonne festen Stick­stoffs benö­tigte wie das Licht­bo­gen­ver­fahren und etwa ein Drittel so viel wie das Cyanamid-Verfahren.(enzi Tamaru, “The History of the Deve­lo­pment of Ammonia Syn­thesis,” in Cata­lytic Ammonia Syn­thesis: Fun­da­mentals and Practice, ed. J. R. Jen­nings (New York: Springer Science, 1991), 16.)

Daher wird heute prak­tisch der gesamte syn­the­tische Stick­stoff durch Varia­tionen des Haber-Bosch-Ver­fahrens her­ge­stellt, das nach seinen Erfindern, die für ihre Arbeit mit dem Nobel­preis aus­ge­zeichnet wurden, genannt wird.

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Fritz Haber, ein Che­miker, dessen For­schung von der BASF finan­ziert wurde, erfand und demons­trierte 1909 das Ver­fahren zur Ammoniak-syn­these. Carl Bosch, ein BASF-Inge­nieur, erfand die Tech­no­logien, die Habers Ver­fahren von der Labor­de­mons­tration zur Mas­sen­pro­duktion führten. Anfang 1914 pro­du­zierte eine Ammo­ni­ak­syn­the­se­anlage der BASF in Oppau, West­deutschland, 20 Tonnen Ammo­ni­um­sul­fat­dünger pro Tag, und es gab Pläne, die Pro­duktion im fol­genden Jahr zu verdoppeln.

Diese Pläne wurden durch den Krieg unterbrochen.

„Der Erste Welt­krieg brachte Gemetzel, Zer­störung und Ver­schwendung ohne­gleichen. Die Fähigkeit der Indus­trie­ge­sell­schaft, mensch­liche Bedürf­nisse durch Mas­sen­pro­duktion zu befrie­digen, hatte sich in ihr Gegenteil ver­kehrt: in indus­tria­li­siertes Gemetzel. Der Krieg war ein extremer Aus­druck der Kon­kurrenz zwi­schen national-kapi­ta­lis­ti­schen Blöcken. Die gesamte indus­trielle Macht der riva­li­sie­renden Blöcke wurde für den Bau, die Bewaffnung und die Unter­haltung von Mas­sen­armeen eingesetzt….

„Zwei Fak­toren waren ent­scheidend: Erstens waren die Groß­mächte durch die impe­riale Riva­lität geteilt, während ihre Indus­trien expan­dierten und mit­ein­ander kon­kur­rierten; und zweitens, wenn die Mächte auf­ein­an­der­trafen, konnten die­selben Indus­trien die Mittel der Zer­störung in Massen pro­du­zieren.“ (Neil Faulkner, A Radical History of the World (London: Pluto Press, 2018), 294, 6)

Die BASF gehörte zu den größten der Kon­zerne, die zum indus­tri­ellen Gemetzel beitrugen.

Mit staat­licher Finan­zierung und garan­tierten Gewinnen wurde das Oppauer Werk schnell auf die Pro­duktion von Sal­pe­ter­säure für Spreng­stoffe umge­rüstet, und im Mai 1915 begannen die Lie­fe­rungen an die Muni­ti­ons­her­steller. Als fran­zö­sische Luft­an­griffe zeigten, dass Oppau anfällig für Angriffe war, wurde ein viel grö­ßeres Werk in Sachsen gebaut, außerhalb der Reich­weite von Bomben. Bei Kriegsende pro­du­zierten die beiden Fabriken weit mehr festen Stick­stoff als die deut­schen Anlagen, die ent­weder das Cya­n­amid­ver­fahren oder das ältere, auf Kokerei basie­rende Ver­fahren verwendeten.

Smil beschreibt dies als „einen der Ursprünge eines Phä­nomens, das einen Großteil der spä­teren Geschichte Deutsch­lands und der Welt geprägt hat: der Auf­stieg eines mili­tä­risch-indus­tri­ellen Kom­plexes“ (Smil, Enri­ching the Earth, 103.)

Die mili­tä­rische Unter­stützung machte die BASF zum Welt­markt­führer in der Pro­duktion von syn­the­ti­schem Stick­stoff: Als die BASF Mitte der 1920er Jahre mit fünf anderen Che­mie­un­ter­nehmen zur I.G. Farben fusio­nierte, machte ihr Stick­stoff­fi­xie­rungs­ge­schäft zwei Drittel des immensen Gewinns des kom­bi­nierten Unter­nehmens aus.

Deutschland war nicht das einzige Land, in dem das Militär und private Unter­nehmen bei der Stick­stoff­fi­xierung zusammen-arbei­teten. In den Ver­ei­nigten Staaten stellte der National Defense Act von 1916 $ 20 Mil­lionen für den Bau von Fabriken zur Ver­fügung, die Stick­stoff für die Rüs­tungs­in­dustrie pro­du­zieren sollten, mit dem Ver­sprechen, dass sie nach dem Ende des Krieges in Europa Dünger her­stellen würden. Zwei Fabriken wurden in Alabama gebaut, aber der Krieg endete, bevor die Pro­duktion begann, und die ver­spro­chene Umstellung auf Dün­ge­mit­tel­her­stellung fand nie statt.

Nach dem Krieg baute das U.S. Army’s Fixed Nitrogen Research Labo­ratory eine eigene Ammoniak-Pro­duk­ti­ons­anlage, um Ver­bes­se­rungen des Haber-Bosch-Ver­fahrens zu testen, und stellte seine For­schungs­er­geb­nisse der Industrie kos­tenlos zur Ver­fügung. Wie der His­to­riker Timothy Johnston schreibt, „adap­tierte die General Che­mical Company … Tech­no­logien aus dieser Modell­anlage in ihren eigenen Anlagen und wurde so bis zum Zweiten Welt­krieg zum größten Pro­du­zenten von Ammoniak in den Ver­ei­nigten Staaten.“[Timothy Johnston, “Nitrogen Nation: The Legacy of World War I and the Politics of Che­mical Agri­culture in America, 1916–1930,” Agri­cul­tural History 90, no. 2 (Spring 2016), 224.)

Die wich­tigste tech­nische Ent­wicklung der Zwi­schen­kriegszeit war eine Modi­fi­kation des Haber-Bosch-Ver­fahrens zur Ver­wendung von Erdgas (Methan) als Was­ser­stoff­quelle: Dies war preis­werter und erzeugte rei­neres Gas als die bis­he­rigen Methoden. Da Deutschland keinen Zugang zu Erdgas hatte, ver­pachtete die I.G. Farben das neue Ver­fahren an Standard Oil of New Jersey, deren Werk in Loui­siana es 1931 in Betrieb nahm. Seitdem ist die Stick­stoff­in­dustrie eng mit der Erd­öl­in­dustrie ver­bunden, die sowohl Energie als auch Roh­ma­terial liefert. Heute werden etwa 3 % der welt­weiten Erd­gas­pro­duktion zur Stick­stoff­fi­xierung ver­wendet, und die indus­trielle Stick­stoff­pro­duktion ver­ur­sacht etwa 3 % der welt­weiten Kohlendioxidemissionen.

Nach einem Boom zu Kriegs­zeiten brachen die Getrei­de­preise in den 1920er Jahren ein, was viele Land­wirte in den Ruin trieb und die Nach-frage nach Dün­ge­mitteln radikal schrumpfen ließ. Die Welt­wirt­schafts­krise in den 1930er Jahren ver­schlim­merte die Situation noch. Obwohl in jenen Jahren in einer Reihe von Ländern Anlagen zur Ammo­ni­ak­syn­these gebaut wurden, ersetzte ihre Pro­duktion größ­ten­teils den Stick­stoff aus Chile und aus älteren Tech­no­logien, und die welt­weite Pro­duktion von syn­the­ti­schen Stick­stoff­düngern wuchs nur langsam oder sta­gnierte. Es bedurfte eines wei­teren Krieges und einer wei­teren großen Dosis an Regie­rungs-/Mi­li­tär­aus­gaben, um einen Stick­stoffboom auszulösen.

Krieg beschleunigt Stick­stoff wieder

Zu Beginn der 1940er Jahre, noch vor dem Kriegs­ein­tritt, startete die US-Regierung ein Crash-Pro­gramm zur Aus­weitung der Stick­stoff­pro­duktion für die Munition. Zehn Fabriken wurden in ver­schie­denen Teilen des Landes gebaut, die mit öffent­lichen Geldern bezahlt, aber von pri­vaten Unter­nehmen betrieben wurden. Die Gesamt­pro­duk­ti­ons­ka­pa­zität der USA betrug zu Kriegs­zeiten etwa 880.000 Tonnen pro Jahr, die fast aus­schließlich für Waffen ver­wendet wurden.

Am Ende des Krieges ver­kaufte die Regierung die Fabriken für einen Bruchteil ihres Wertes: Die meisten wurden von den Unter­nehmen gekauft, die sie betrieben hatten. [he sale of nitrogen-fixing plants was part of a more general post-war selloff of government-built fac­tories. See Facing the Anthro­pocene, 138–141.)

Die größte Anlage in Ohio wurde von Allied Che­mical über­nommen, einem Kon­glo­merat, zu dem auch General Che­mical gehörte, das im Ersten Welt­krieg in die Stick­stoff­fi­xierung ein­ge­stiegen war.

Die pri­vaten Werke begannen 1947 mit der Aus­lie­ferung von Stickstoffdünger.

Andere, die von den staat­lichen Stick­stoff­aus­gaben pro­fi­tierten, waren die Inge­nieur­büros, die die ame­ri­ka­ni­schen Haber-Bosch-Anlagen ent­worfen und gebaut hatten – nach dem Krieg nutzten sie das im Krieg erworbene Know-how, um ähn­liche Fabriken für andere zu bauen. Bis 1960 betrieben allein in den Ver­ei­nigten Staaten 38 Unter­nehmen vier­und­fünfzig Anlagen mit einer Gesamt­ka­pa­zität von 3,6 Mil­lionen Tonnen fixiertem Stick­stoff pro Jahr.[ Hugh Scott. Gorman, The Story of N (Rutgers Uni­versity Press, 2013), 91.)

Weltweit ver­drei­fachte sich die Kapa­zität der Ammo­ni­ak­syn­these in den 1950er Jahren, ver­dop­pelte sich in den 1960er Jahren und ver­dop­pelte sich nochmals in den 1970er Jahren.(Smil, Enri­ching the Earth, 116.)

Die Stick­stoff­knappheit wurde „gelöst“, indem eine Schwemme erzeugt wurde.

Die Menge an reak­tivem Stick­stoff, die von allen ter­res­tri­schen Quellen pro­du­ziert wird, ist heute min­destens doppelt so groß wie vor der Indus­tria­li­sierung, und neuere Studien deuten darauf hin, dass sie mehr als dreimal so groß sein könnte.[Peter M. Vitousek et al., “Bio­lo­gical Nitrogen Fix­ation: Rates, Pat­terns and Eco­lo­gical Con­trols in Ter­restrial Eco­systems,” Phi­lo­so­phical Tran­sac­tions of the Royal Society B 368, no. 1621 (July 5, 2013).)

Der meiste indus­triell pro­du­zierte Stick­stoff wird in der Land­wirt­schaft ver­wendet, eine sehr inef­fi­ziente Art, den vom Men­schen benö­tigten Nähr­stoff bereit­zu­stellen: Weniger als zehn Prozent des auf Nutz­pflanzen auf­ge­brachten Stick­stoffs findet seinen Weg durch die Nah­rungs­kette bis in unsere Münder.[Of course, even the nitrogen in our food ends up in the environment.)

Der Rest kas­ka­diert durch die Umwelt als viel­fältige Formen der Verschmutzung.

„Die nega­tiven Folgen dieser Stick­stoff­ein­träge sind beträchtlich und viel­fältig und reichen von der Eutro­phierung ter­res­tri­scher und aqua­ti­scher Systeme bis hin zur glo­balen Ver­sauerung und dem Verlust von Ozon in der Stra­to­sphäre. Besonders besorg­nis­er­regend ist die Tat­sache, dass che­mische Umwand­lungen von Stick­stoff entlang seines Trans­port­weges in der Umwelt oft zu einer Kaskade von Effekten führen. So kann ein emit­tiertes Stick­oxid­mo­lekül zunächst pho­to­che­mi­schen Smog ver­ur­sachen und dann, nachdem es in der Atmo­sphäre zu Sal­pe­ter­säure oxi­diert und auf dem Boden abge­lagert wurde, zur Ver­sauerung und Eutro­phierung von Öko­sys­temen führen.“[Nicolas Gruber and James N. Gal­loway, “An Earth-System Per­spective of the Global Nitrogen Cycle,” Nature 451, no. 7776 (January 16, 2008), 293.)

Ori­ginal:

Part One: Nitrogen Crisis: A neglected threat to Earth’s life support systems

Part Two: Nitrogen glut: Too much of a good thing is deadly for the biosphere

Part Three: Capi­talism ‘Solves’ the Nitrogen Crisis: A Brief History 

Part Four: How Capi­talism ‘Solved’ the Nitrogen Crisis (con­tinued)

Netzfrau Lisa Natterer


Quelle: netzfrauen.org