Das „Sanktionskarussell“ dreht sich auch schon in den Supermärkten und Discountern. Dass viele Produkte erheblich verteuert – und auch überteuert – sind wegen der Energiepreise, die die Grünen uns beschert haben, hat schon jeder bemerkt. Oft fragt man sich, ob denn wirklich nur die hochgeschossenen Produktions-Energiekosten umgelegt werden auf den Preis. Jetzt wissen wir’s: Nein. Man nutzt die Gunst der Stunde für saftige Preisaufschläge. Gerade bei den Lebensmitteln ist das besonders fies: Bis zu ca. 30 Prozent wird draufgeschlagen. Da spielen die Supermärkte jetzt nicht mehr mit.
Die Angestellten in den Discountern und Supermärkten sehen sich immer öfter mit frustrierten und bisweilen aggressiven Kunden konfrontiert. Das Haushaltsgeld reicht nicht mehr, und diese Kunden kennen die Preise ganz genau. Wenn dann plötzlich die übliche Packung ein Viertel oder gar in Drittel mehr kostet, dann geht ihnen der Hut hoch. Kein Wunder: Hat man nur 70 Euro für den Wocheneinkauf für eine Familie, ist der Einkaufswagen sichtbar weniger voll.
Selbst dann hat man schon statt Vollkornbrot und leckere Wurst und Käse nur die schlabberigen Billig-Pappebrotscheiben, Billigwurst, nur die Hälfte vom Käse und stattdessen Marmelade oder einfach Quark. Als Müsli gibt es nur noch Billig-Haferflocken und abends immer öfter Suppe. Das macht die Kunden nicht glücklich. Gerade in den Supermärkten, wie Edeka und Rewe, wo die Auswahl immer recht groß war und Markenware angeboten wurde, macht sich das bemerkbar. Die Kunden wandern ab. Dann lieber zu den Discountern, wo man weniger Schwund im Einkaufswagen hat.
Bei Müsli bzw. Cerealien tobte nun zwischen Rewe und Kellogg‘s ein Ringkampf. Der amerikanische Frühstücksgigant mit seiner Riesenpalette an Getreideprodukten glaubte, mal so richtig den Griff in die Kasse machen zu können. Unverschämte 29 Prozent mehr sollten die Packungen kosten. Rewe kommentierte das zurückhaltend: Man habe sich nicht auf eine „angemessene“ Preiserhöhung einigen können. Diese sollte eigentlich zum 01. November wirksam werden. Rewe ließ sich darauf nicht ein, Kellog’s stellte die Lieferungen ein und Rewe füllte die Regale mit seiner eigenen Hausmarke „ja!“ auf. Davon gibt es auch eine große Anzahl verschiedener Sorten, die den Frühstückstisch bestücken können – die preislich zwar auch leicht angezogen haben, aber bei weitem nicht so drastisch, wie die US-Cerealien.
Kleine Info am Rande: in unseren Nachbarländern geriert sich der Frühstücksflocken-Großmogul gesitteter: Dort werden nur 5 Prozent aufgeschlagen. Wie das? Sollen schon beim Frühstück die Deutschen für alle anderen mitbezahlen?
Nun, wenn Rewe „Nein“ zu Kellogg’s, sagt, sagen dann die Kunden „Ja!“ zu der Hausmarke? Die hauseigenen Produkte sollen ja angeblich weder von der Qualität, noch vom Geschmack her den Originalen nachstehen – aber dafür deutlich preiswerter sein. Die Rechnung scheint aufzugehen.
Das ist nicht das erste Preiskampfduell. Auch Procter&Gamble bekommt seine Waren nicht mehr so ohne weiteres bei den neuen Preisen los. Schon die Mars-Süßigkeiten-Produkte sind aus den Rewe-Regalen geflogen. Der ebenfalls in den USA angesiedelte Mars-Konzern liefert schon seit einiger Zeit nicht mehr an Rewe, Edeka, Netto, Marktkauf und Penny. Die ganze Riege der vertrauten Riegel gibt’s da nicht mehr. Nichts da mehr mit den klebrigen Caramellfüllungen bei Mars, Twix und anderen Zahnschädlingen in den Regalen. Mein Gott. Maskenzwang in Innenräumen, kalte Wohnungen, Stromausfall, dunkle Straßen und Schokoriegel-Notstand. Uns bleibt nichts erspart.
Die großen Supermarktketten und Discounter nehmen überzogene Preissteigerungen immer öfter nicht mehr in Kauf. Weitere Marken stehen „auf der roten Liste“ berichtet wa.de. So sind auch MilkyWay, Snickers, Milka und Bounty, sowie Wrigley’s Kaugummi ist in vielen Märkten nicht mehr zu bekommen, Reis von Uncle Ben’s – aber auch die Kaffeemarken Maxwell House, Senseo, Tassimo, Café Hag, Jacobs, L’Or und die Tees von Pickwick. Oder Miracoli. Der Hersteller Mondelez bleibt teilweise auf seinen Marken Milka-Schokolade, Miracel-Whip-Mayonnaise und Philadelphia-Käse sitzen.
Beim Tierfutter wird auch geholzt: Whiskas, Sheba und Frolic gibt’s nicht mehr in allen Läden.
Die Supermärkte gehen da ziemlich rigide vor, und immer mehr machen es ihnen nach. Der Discounter Aldi hat unterdessen vorübergehend Pepsi-Cola aus den Regalen genommen. Aldi Süd und Aldi Nord haben auch nicht mehr alle Erzeugnisse der Firma Danone: Fruchtzwerge und Activa waren zu teuer. Kaufland hat Ritter Sport sportlich rausgekickt. „Wir sind uns über einen neuen Vertrag nicht einig geworden“, formuliert es Thomas Seeger, Leiter Recht und Öffentlichkeitsarbeit von Ritter Sport. Kaufland bestätigte auf Nachfrage, dass sie derzeit nicht mit Ritter Sport zusammenarbeiteten. Kaufland-Schwester Lidl hat seit kurzem wieder Ritter Sport im Regal – nach langen Verhandlungen.
Die Kunden ziehen erstaunlich gut mit: Als Rewe die Mars-Produkte wegen zu hoher Preise aussortierte, wurde das im Internet von den Kunden gefeiert. Christiane Preisen, Leiterin Pressestelle Region West der Rewe Group, sagte in einer Presseerklärung:
„Einen Teil dieser Forderungen können wir nachvollziehen. Sie resultieren aus Rohstoff- und Energiepreissteigerungen. Leider sehen wir aber auch Forderungen, die sich in ihrer Höhe mit keinem dieser oder anderer Faktoren begründen lassen. Solche Forderungen lehnen wir strikt ab, denn es kann nicht sein, dass unsere Kundinnen und Kunden in dieser schwierigen Zeit mehr als unbedingt nötig belastet werden.“
Das Ganze rechnet sich aber auch bei Rewe sehr gut: „Wir sehen in den vergangenen Wochen, dass unsere Eigenmarken zum Teil im zweistelligen Prozentbereich zulegen.“
Die Lebensmittelhändler verweisen dabei auf „Übergewinne“, die nicht nur bei den Energieversorgern, sondern auch bei den Food-Konzernen eingelaufen sind: „Viele Konzerne konnten ihre Gewinne im vergangenen Jahr erneut deutlich steigern, zum Teil um mehrere Hundert Millionen Euro. Die Gewinnmarge von Coca-Cola lag zur Jahresmitte bei rund 30 Prozent.“
Der Discounter Netto benutzte den gnadenlosen Preiskampf für eine neue Art von Werbung: „Keine Lust auf Mondpreise von Mars? Dann geh doch zu Netto!“ und bewarb Schokoerdnüsse seiner Eigenmarke als Alternative zu M&M’s von Mars.
„Christoph Minhoff vom Bundesverband der Ernährungswirtschaft bezeichnet die Lage der Branche als „kritisch bis katastrophal.“ Händler wie Edeka sprechen von „Wucher“ und „Preistreiberei“. Die Industriekonzerne, die „Aggressoren“, würden ihre Marktmacht ausspielen.
Die Supermärkte und Discounter wissen alle, dass die Nerven sehr bald blank liegen bei den Kunden. Die Stimmung ist gereizt. Aber weniger, weil die Produkte fehlen, sondern weil alles teurer wird – und zwar deutlich mehr, als die staatlich verkündeten 10 Prozent Inflation. Daher hat der Kölner Lebensmittelkonzern Rewe einen Hunderte-Millionenbetrag locker gemacht, um die Preise für seine Kunde halbwegs stabil zu halten.
So dumm sind die Leute nicht. Um es überspitzt zu formulieren: Wenn zur Ermittlung des Inflations-Index im Muster-Warenkorb der Durchschnittsfamilie die Kreuzfahrten extrem billiger werden (weil mangels Geldes und wegen Corona keine Kundschaft bucht), dann fallen die paar Cornflakes mit ihren 29% Teuerung und alle anderen Produkte mit ca. 15–20 Prozent natürlich nicht ins Gewicht. Nur: Die Durchschnittsfamilie bucht sowieso keine Kreuzfahrten.
Es wird spannend, denn die Lebensmittelhersteller sitzen am kürzeren Ende. So groß und mächtig die internationalen Food-Konzerne sind: Die Supermärkte können ihre Regale mit Ersatzprodukten füllen und mancher europäische Hersteller würde davon profitieren. Die Mega-Food-Giganten brauchen aber Mega-Umsätze. Sie werden vielleicht sonst nicht insolvent, aber sie könnten aufhören zu produzieren.
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