Sie sind im Ruhestand und haben Bezüge wie Top-Manager: 15.000 € „Ruhegehalt“ bekommt der 67-jährige Ex-Chefredakteur Christoph Singelnstein. Das ist fast so viel wie in seinen letzten Berufsjahren. Erstaunlicherweise hat es ausgerechnet der NDR aufgedeckt, wie man sich auf Kosten der Gebührenzahler bereichert. Gebührenzahler, denen das nicht leicht fällt und die heute teilweise nicht wissen, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten sollen. Und Herr Singelnstein hat zusätzlich noch eine gesetzliche Rente. Da lässt es sich freilich gut leben. Und seiner RBB-Kollegin Patricia Schlesinger.
Aufgefallen ist es bei einer der üblichen Prüfungen des Bundesrechnungshofes. Der prüft alle Beraterverträge des rbb (Rundfunk Berlin Brandenburg). Zurzeit ist der Bundesrechnungshof emsig damit beschäftigt, überhaupt erst einmal festzustellen, wie viele solcher Verträge es gibt. Wie lange die Behörde dazu brauchen wird, ist noch unklar. Es scheint eine Menge solcher Deluxe-Verträge zu geben. Es fallen allerdings nicht nur Beraterverträge darunter. Auch Anstellungsverträge von leitenden Angestellten gehören dazu.
Der NDR und auch der rbb selbst erfuhren auf Anfrage, dass dabei ein bisher unbeachteter Vertrag unter die Augen der Prüfer gekommen ist: Aus den dem NDR vorliegenden, vertraulichen Dokumenten gehe hervor, dass der rbb seinem Chefredakteur Christoph Singelstein einen satt bestückten Beratervertrag zu seinem Ausscheiden überreichte – und das zusätzlich zu seinem jährlichen Ruhegeld von über 100.000 Euro und plus einer gesetzlichen Rente. Eine ganz besondere Sorte von „Doppelwumms“, also schon ein „Dreifach-Wumms“. Das sind zusammen 15.000 € plus die gesetzliche Rente.
Der rbb nannte diese warme Gelddusche einen „goldenen Handschlag“. Die Begründung, so die BILD, sei „fadenscheinig“:
„Der RBB verwies laut des Berichts auf Anfrage auf die „Expertise von Herrn Singelnstein“, die noch für die Weiterentwicklung von Projekten gebraucht werde, sowie auf die ‚Beratung in medienpolitischen Fragen für die Intendanz‘ und das Engagement im Land Brandenburg. Damit soll wohl die Beratung zu ‚Ostbefindlichkeiten‘ gemeint sein.“
Herr Singelnstein wurde natürlich ebenfalls um Stellungnahme gebeten. Er verweis auf die Verschwiegenheitsklauseln der Verträge und beantwortete keine Fragen.
Davon können sogar die gut bezahlten Angestellten der anderen Öffentlich-Rechtlichen beim ARD nur träumen: Weder Radio Bremen, noch NDR, MDR und SWR sowie der Saarländische Rundfunk können da mithalten. Vielleicht wurde deshalb in den Funkhäusern intern nachgeforscht?
Der NDR gab bekannt, zwar beschäftige man pensionierte Mitarbeiter nur „ausnahmsweise“ noch auf Honorarbasis, dann aber gelte die Regel und Dienstanweisung, dass diese nur die Hälfte der üblichen Bezahlung erhalten, die für freie Mitarbeiter des NDR üblich ist. Es gebe für diese Mitarbeiter im Ruhestand aber grundsätzlich keine Honorarverträge.
Der WDR beeilte sich ebenfalls zu verkünden, man beauftrage nur dann Beratungsleistungen, wenn die erforderlichen Kenntnisse im eigenen Beritt nicht vorhanden seien. Das werde aber dann vom „Zentralen Einkauf“ gemacht, um die Kosten niedrig zu halten.
Vielleicht wäre die ganze Sache nicht hochgekocht, wenn nicht der Skandal um die fristlose Entlassung der Intendantin Patricia Schlesinger gewesen wäre. Seit dem Frühsommer dieses Jahres erschienen Berichte in den Medien, die von Filz und Vetternwirtschaft, Günstlingen und seltsamen Verträgen berichteten. Sowohl Frau Schlesinger, als auch der darin verwickelte, oberste „Kontrolleur“ des rbb Wolf-Dieter Wolf verwahrten sich gegen die Unterstellungen – die aber eben keine waren. Und so wurde Frau Schlesinger fristlos vor die Tür gesetzt und der unkontrollierte Kontrolleur trat zurück.
Doch wo ein Apfel faul ist, fangen die Äpfel drumherum auch das Riechen an: Die Direktoren an der Spitze des rbb um Frau Schlesinger herum „gerieten ebenfalls in die Kritik“. So zum Beispiel Herr Schulte-Kellinghaus, der kurz zuvor für eine zweite Amtszeit bestätigt worden war. Der Herr ist bis 2017 Programmdirektor des rbb und darf es nach seiner Bestätigung bis 2023 bleiben. Er bot angesichts des aufkeimenden Skandals seinen Rücktritt an:
„Herr Schulte-Kellinghaus hat von sich aus angeboten, seinen Vertrag zu beenden und auf seinen nachvertraglichen Ruhegeldanspruch zu verzichten. Insofern verzichtet er erstmal auf etwas, worauf er Anspruch hat — und fordert nicht.“
Doch erst einmal wird wohl der Fall Singelnstein die Presse in Atem halten.
„Anfang 2018 war Singelnsteins Vertrag im Zuge der Umstellung der Managementgehälter im rbb auf ein inzwischen abgeschafftes Bonus-System vorzeitig bis 2023 verlängert worden. Dabei wurde der Vertrag offenbar auch um eine der umstrittenen Ruhegeld-Regelungen ergänzt, die sich im rbb und in einigen anderen öffentlich-rechtlichen Sendern finden lassen. Damit hatte Singelnstein Anspruch auf ein lebenslanges Ruhegeld in Höhe von 55 Prozent seines letzten Gehalts. Das lag nach NDR- und rbb-Informationen zuletzt bei 180.000 Euro im Jahr. In anderen Verträgen von rbb-Führungskräften, die Reportern von NDR und rbb vorliegen, ist geregelt, dass Ruhegeldansprüche pro Dienstjahr in der Geschäftsleitung um einen Prozentpunkt ansteigen. Singelnsteins Ruhegeld-Anspruch dürfte daher bei seinem Ausscheiden Ende März 2021 auf 58 Prozent seines letzten Gehalts angewachsen sein – das wären 8.700 Euro pro Monat und mehr als 100.000 Euro im Jahr zusätzlich zur gesetzlichen Rente, die darauf nicht angerechnet wird.“
Der schöne Brauch des rbb, Führungskräften auch deutlich vor dem Rentenalter oder nach dem Ausscheiden aus dem Sender (und vor dem Ruhestand) satte Bezüge auf Kosten der Beitragszahler zukommen zu lassen, dürfte jetzt einer näheren Betrachtung unterzogen werden. Dem ist Herr Singelnstein zuvorgekommen: Trotz seiner Vertragsverlängerung bis 2023 kam damals seine spontane Ankündigung, er gehe doch im April 2021 in den Ruhestand. Der Sender rbb wiederum gab bekannt, dass Herr Singelnstein dem Haus als Berater verbunden bleibe:
„Was das bedeutet, wird erst jetzt klar: Zum einen soll er den Sender laut Vertrag wohl genauso lange weiter beraten, wie ursprünglich sein Vertrag als Chefredakteur lief – bis März 2023. Zum anderen erhält er nach Recherchen des NDR und des rbb-Rechercheteams in dieser Zeit durch den Beratervertrag ein monatliches Honorar von 6.300 Euro überwiesen, verbucht als ‚Autor/sonstige Tätigkeit‘. Zusammengerechnet kommt er so auf ein Einkommen, wie er es vorher als Chefredakteur hatte.“
Der Bundesrechnungshof wird über Langeweile nicht klagen können. Da werden doch einige Überprüfungen nötig sein. Dazu gehört auch der Fall Christoph Singelnstein. Alle seit 2017 geschlossenen Verträge werden jetzt vom Bundesrechnungshof geprüft – und auch die anderer Ruheständler in „beratender Funktion“. Wir dürfen gespannt sein, wie viele goldene Handschläge wir Gebührenzahler so finanzieren durften.
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