Man muss die IGLU-Studie, mit der die Lesekompetenz von Schülern der vierten Klasse in Grundschulen im Jahr 2021 erhoben wurde, die heute veröffentlicht wurde, gar nicht lesen, um zu wissen, was darin stehen wird:
- Die Lesekompetenz ist geringer geworden
- Soziale Disparitäten bestehen weiter fort: je höher das formale Bildungsniveau der Eltern, desto besser die Lesekompetenz [Lesen, Schreiben, Verstehen] der Kinder
- Die Anzahl der Bücher in einem Haushalt steht in einem positiven Zusammenhang mit der Lesekompetenz der zugehörigen Kinder
- Motivation zu lesen wirkt sich positiv auf die Lesekompetenz aus
- Mädchen haben eine höhere Lesekompetenz als Jungen
Wir haben die gut 260 Seiten des neuesten IGLU-Berichts für Sie zusammegestrichen auf das, von dem man schon vorher wusste, dass es darin stehen würde. Und in der Tat, alles, was wir schon vorher wussten, findet sich auf den rund 260 Seiten eines nur mit Mühe, viel Geduld und noch viel mehr gutem Willen lesbaren, in Teilen lesbaren Berichts. Wenn Sie ihn lesen wollen, sie finden ihn hier.
Indes interessiert uns einmal mehr, was man im Bericht nicht findet und was in dem, was Medien zum Bericht schreiben, nicht zu finden ist. Z.B. die Tagesschau, die unter der Schlagzeile “Jeder vierte Viertklässler kann nicht richtig lesen“, eine Schlagzeile, die belegt, dass mindestens ein Mitglied der Tagesschau Redaktion in der Lage ist, einen Prozentwert in ganze Zahlen umzurechnen, jammert: Seit 2001 [seither wird IGLU im Vierjahrestakt durchgeführt] können – im Anteil – immer weniger Schüler lesen, erreichen nicht einmal ein Mindestmaß an Lesekompetenz, so dass man sie als Analphabeten ansehen muss. Insgesamt erreichen Schüler in Deutschland 524 Punkte, Gesamtpunktzahl, die erreicht werden kann, bei der ARD unbekannt, das sind weniger als 2001, da waren es 539 Punkte und weniger als 2016, da waren es 537 Punkte.
Zunächst zur Auflösung der Preisfrage: Wie viele Punkte sind in IGLU erreichbar?
Es sind 800. 524 Punkte sind somit 65,5% vom Erfolg.
Warum sind 25% der Grundschüler nicht in der Lage, zu lesen und das Gelesene zu verstehen?
Die ARD hat Antworten:
“Die IGLU-Studie führt für das sinkende Leistungsniveau beim Lesen ebenfalls weitere Ursachen an: etwa die heterogener werdenden Klassen. Dadurch würde[n] Lehrkräfte vor größere und vielfältigere Herausforderungen gestellt.
Eines hat sich in den vergangenen 20 Jahren aber kaum verändert, so ein weiteres Fazit der Studie: die sogenannten sozialen Disparitäten in der Lesekompetenz. Was bedeutet, dass Kinder aus “sozioökonomisch benachteiligten Familien” häufiger Schwächen beim Lesen aufweisen.”
Heterogene Klassen und Kinder aus Familien von an- bzw. ungelernten Arbeitern. Das ganze Ausmaß des Problems. Für die ARD.
Auch die Autoren des IGLU-Berichts sehen keinen Anlass, jenseits von Feststellungen, dass sich der Einflusss sozialer Unterschiede auf den Bildungserfolg nicht verbessert hat und jenseits von Rezepten zur Verbesserung der Situation, die so outlandish, so weit jenseits dessen, was man mit Machbarkeit benennen kann, angesiedelt sind, dass man sich fragt, wie der Elfenbeinturm der Autoren überhaupt von Daten aus der Realität penetriert werden konnte, den Elefanten im Raum zu benennen. So empfehlen die Autoren eine besondere Förderung für Kinder mit besonderen Lernproblemen, eine Einzelbetreuung in homogenen Gruppen, den Einbezug des Elternhauses, die Weiterbildung des Lehrpersonals und, last but not least, im Unterricht mehr zu lesen. Seit 2001 haben wir jeden IGLU-Bericht gelesen und in jedem IGLU-Bericht haben wir gelesen, was wir gerade wiedergegeben haben.
Ermüdend.
Und so absurd, denn die eigentlichen Probleme, mit denen deutsche Grundschulen, Schüler wie Lehrer, konfrontiert sind, sind nicht die Probleme, die hier angesprochen werden. Das sind Scheinprobleme, hinter denen sich ein Hauptproblem verbirgt, das mittlerweile selbst die Benachteiligung von Jungen in den feminisierten Schulen der Mittelschicht überlagert und das für Eingeweihte seinen Niederschlag in der folgenden, verschämten IGLU-Bericht-Formulierung gefunden hat:
“Schließlich muss mit Blick auf die demografsche Entwicklung einer zunehmenden sprachlichen Diversität in Familien eine systematische, wirksame Sprachförderung ein zentrales Ziel der Bemühungen im deutschen Bildungssystem der nächsten Jahre und Jahrzehnte sein.”
Arbeiten wir das Problem systematisch auf, und zwar anhand von fünf Abbildungen. Die erste zeigt deutsche Schüler vierter Klassen im Mittelfeld der nationalen Verteilung all der Länder, die an IGLU [oder PIRLS] teilgenommen haben. Wir haben die Tabelle gekürzt. Wer sie in voller Länge sehen will, der kann das hier tun.
Was die Platzierung deutscher Schüler, direkt unter dem Durchschnitt der teilnehmenden Länder der OECD und dem der teilnehmenden Länder der EU angeht, so hat sich seit 2016 überhaupt nichts verändert. 524 Punkte [von 800], statt damals 537 Punkte ergeben denselben Platz.
Nehmen wir das, was die ARD und die Autoren des Berichts als bare Münze verkaufen wollen, zum Ausgangspunkt: Soziale Ungleichheit und “heterogener werdende Klassen”, die irgendwie mit einer “sprachlichen Diversität in Familien” zusammenhängen, sind Ursache des schlechten Abschneidens und davon, dass 25% der Schüler nicht lesen und verstehen können.
Wir benötigen vier Abbildungen, um das Verheimlichte zutage zu befördern.
Beginnen wir mit dem, was als “soziale Disparität” bezeichnet wird:
Die mit M überschriebene Spalte für das Jahr 2021 zeigt, dass die Kinder aus Haushalten von “un- und angelernten Arbeitern”, die einzige Gruppe bilden, die mit 507 Punkten unter dem Durchschnitt für Deutschland, 524 Punkten, liegt. Diese Gruppe ist auch die einzige Gruppe, für die sich – neben Kindern aus Familien von Routinedienstleistern [das sind in der OECD low value adding services, also Leistungen, die keinen Mehrwert erbringen, etwa Verwaltungsangestellte, Buchhalter, Steuerberater oder Rechtsberater, sofern sie nicht selbständig angestellt sind] – eine relevante Veränderung, ein relevanter Rückgang der erreichten Punktezahl zwischen 2001 und 2021 ergibt.
Wir interessieren uns für die “un- und angelernten Arbeiter”, deren Kinder, wie die folgende Abbildung zeigt, die Gesamtpunktezahl am meisten reduziern, um 14,5 Punkte, gefolgt vom – da ist der Elefant im Raum: Migrationshintergrund [-9,3 Punkte]. Wir interpretieren das Modell, das die meiste Varianz erklärt, also Modell 3. Es weist eine weitere Besonderheit auf: Die erklärte Varianz zwischen Klassen ist mit 82,4% deutlich höher als in anderen Modellen und kurz vor vollständiger Erklärung angesiedelt. Mit anderen Worten: Die Zusammensetzung der Schulklassen ist die wichtigste Variable, wenn es um die Erklärung von Lesekompetenz geht und je mehr Migranten in einer Schulklasse sind, desto heterogener, in den Worten der ARD-Tagesschau, die Schülerschaft und desto geringer die Lesekompetenz.
Zeit, den seltsamen Satz aus dem Bericht aufzuklären, den wir oben zitiert haben:
“Schließlich muss mit Blick auf die demografsche Entwicklung einer zunehmenden sprachlichen Diversität in Familien eine systematische, wirksame Sprachförderung ein zentrales Ziel der Bemühungen im deutschen Bildungssystem der nächsten Jahre und Jahrzehnte sein.”
Was es damit auf sich hat, zeigt die folgende Abbildung:
Schüler, die zuhause die Testsprache, in Deutschland ist das nach wie vor Deutsch, nicht oder nur manchmal sprechen, schneiden in der Lesekompetenz deutlich schlechter ab. Sie erreichen 496 Punkte von 800 möglichen, während Schüler, die zuhause “immer oder fast immer” die Testsprache sprechen mit 537 Punkten über dem Gesamtwert für Deutschland von 524 Punkten liegen. Mit anderen Worten, das – wenn man so will – schlechte Gesamtergebnis hängt mit der im eigenen Haushalt gesprochenen Sprache zusammen. Soziale Ungleichheit, im IGLU-Bericht über eine seltsame Variable namens EGP operationalisiert, wird offenkundig überlagert, deutlich überlagert, und zwar von Migrationshintergrund, dem “wandernden Elefanten” im Raum:
Haben beide Eltern der Viertklässler einen Migrationshintergrund, sind sie also beide im Ausland geboren, dann erreichen die Sprößlinge mit ihrer Lesekompetenz 493 von 800 Punkten. Hat ein Elternteil einen Migrationshintergrund, dann erhöht sich die Punktezahl, die die zugehörigen Viertklässler im Durchschnitt ereichen, auf 525 Punkte. Sind beide Eltern in Deutschland geboren und in der Mehrzahl nach Lage der Dinge Deutsche, dann beträgt die Punktezahl, die die Kinder aus entsprechenden Familien erreichen 545 Punkte. Eine kleine Sprachwelt liegt zwischen diesen drei Gruppen. Mit 545 Punkten liegen Kinder aus Familien, die aus in Deutschland geborenen Eltern zusammengesetzt sind, auf Platz 6 im Internationalen Ranking, direkt hinter Polen und noch vor Taiwan und Schweden.
Das, wenn man so will, schlechte Abschneiden deutscher Schüler hat somit eine klar benennbare Ursache: den Anteil von Kindern, deren Eltern im Ausland geboren wurden, in einer Schulklasse. Nicht die deutschen Schüler schneiden durchschnittlich im Leistungstest schlecht ab, sondern die Kinder im Ausland geborener Eltern, die Kinder zugewanderter Eltern.
Offenkundig ist die Erwänung der altbekannten Tatsache, dass Zuwanderer das Leistungsniveau von – je nach ihrer Anzahl – ganzen Schulklassen reduzieren, eine sehr gut belegte Tatsache der empirischen Sozialforschung, in dem, was heute Bildungsforschung in Deutschland sein will, ein Tabu. Wie man die offenkundigen Leistungsprobleme und die erheblichen Leistungsunterschiede, die zwischen Kindern ausländischer Eltern und Kindern mit mindestens einem deutschen Elternteil bestehen, beheben will, wenn es verboten ist, die Ursache zu benennen, ist uns ein Rätsel, aber wir gehören auch zu denjenigen, die Probleme damit haben, wenn aus ideologischen Gründen reihenweise Kinder mit verkorksten schulischen Biographien und daraus folgend geringen Lebenschancen produziert werden, nachweislich.
Quelle: sciencefiles.org
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