Helau und Hefeteig? — Was Spit­zen­po­li­tiker als typisch deutsch empfinden

Löcher in der Matrix – Helau und Hefeteig

Von smartinvestor.de

Was ist deutsch? (bild.de, 22.6.2017)
Gestern flat­terte rund 41 Mil­lionen Haus­halten eine kos­tenlose Ausgabe der BILD-Zeitung mit der Schlag­zeile „Lust auf Deutschland“ ins Haus. Daneben ein „Bikini-Mädchen“, das dem neu­er­dings pro­pa­gierten Plus-Size-Ideal so gar nicht ent­sprechen mochte. Und als wäre das nicht alles schon schlimm genug, domi­nierte die Farb­kom­bi­nation Schwarz-Rot-Gold. Nach aktu­eller Inter­pre­tation also alles ziemlich „sexis­tisch“ und irgendwie „nazi“. Es muss also mit Deutschland zu tun haben und mit „FÜNF!UND!SECHZIG!JAHRE!“, wie das BILD-typisch auf einer Art Ban­derole heißt. 65 Jahre? Inkraft­treten des Grund­ge­setzes? Ein­führung der Deut­schen Mark? Fußball-WM? Alles Fehl­an­zeige. Ah ein Kon­terfei der Kanz­lerin – eine Geburts­tags­ausgabe also. Doch halt. „Mutti“ zählt erst zarte 62 Lenze. Aber wer feiert dieses Jahr seinen Fünf­und­sech­zigsten? Richtig, es ist Wla­dimir Putin! „Lust auf Deutschland“ klingt in diesem Zusam­menhang aller­dings ein wenig bedenklich …

Ist aber auch gar nicht so gemeint, denn BILD selbst wird „FÜNF!UND!SECHZIG!JAHRE!“ und da man da schlecht 65 Jahre fairen Jour­na­lismus feiern kann, macht man das, was man schon immer ganz gut konnte, man biedert sich ein wenig bei den Mäch­tigen an. Schließlich ist Wahlkampf.
Das jour­na­lis­tische „Glanz­stück“ ist ein Beitrag, den die Kanz­lerin höchst selbst ver­fasst haben soll: „Angela Merkel buch­sta­biert ihr Deutschland“, wie das auf der Titel­seite heißt. Im Beitrag selbst wird dann immerhin von „unser[em] Land“ gesprochen – ein feiner Zug der Regie­rungs­chefin. Ange­sichts des infan­tilen Mora­lismus, der die poli­tische Debatte bzw. Debat­ten­ver­meidung inzwi­schen kenn­zeichnet, ist es nur kon­se­quent, dass die Kanz­lerin das Volk wie einen Haufen ABC-Schützen anspricht. Niveau geht anders, Respekt auch.

Man mag sich vor­stellen, wie viel Abstim­mungs­arbeit in dieses „spontane“ Buch­sta­bieren geflossen ist. Und weil das trotzdem nur schief gehen kann, stellt Merkel auch gleich die Gene­ral­ent­schul­digung voran, dass dies nur „eine kleine Auswahl“ ihrer Ant­worten sei. Diese „Auswahl“ hat mög­li­cher­weise etwas mit Prio­ri­täten zu tun, oder auch nur mit dem Zufall – ganz wie in der Politik. Wenn Macht­haber dann auch noch ver­suchen witzig zu sein, bleibt es meist beim Versuch: „R“ wie „Rou­laden mit Rotkohl“. Harhar. Aber das ist ohnehin nur Beiwerk. Es geht um den erho­benen Zei­ge­finger: „G“ wie „Gesicht zeigen gegen Hass und Dis­kri­mi­nierung“ ist eines jener Wort­un­getüme, die klar machen, warum wir unter dem Buch­staben „G“ das Wort „Geist“ ver­geblich suchen. Auch unter „D“ finden sich nicht etwa „Dichter“ oder „Denker“ sondern „dichte Fenster“. Wie dicht sind eigentlich die Fenster der Kanzlerin?

Unter „I“ suchen wir den „Islam“ ver­geblich, was Alt-Bun­des­prä­sident Wulff mög­li­cher­weise irri­tiert. Dafür haben sich die „Muslime“ unter einem großen „M“ mit „Migra­ti­ons­hin­ter­grund“ inte­griert. „Christen“ gibt es unter „C“ dagegen nicht, nur noch eine „Christlich-jüdische Tra­dition“. Genauso wie wir auch „Evan­gelen“, „Katho­liken“ oder gar „Agnos­tiker“ und „Athe­isten“ ver­geblich suchen. Wenigstens die „Kir­chen­steuer“ fällt Merkel unter „K“ noch ein. Und unter „D“ suchen wir die „Demo­kratie“ ver­geblich– eine inter­es­sante „kleine Auswahl“ der Vor­sit­zenden der Christlich(!) Demo­kra­ti­schen(!) Union.

Unter dem ein­gangs ange­ge­benen Link kann man noch weiter auf Ent­de­ckungs­reise in die Gedan­kenwelt der Kanz­lerin gehen – zwi­schen „Brü­ckentag“, „But­terbrot“ und „Brat­wurst“.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf www.smartinvestor.de in der Kate­gorie “Löcher in der Matrix”

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