Der Ausnahmezustand in der Hansestadt ist beendet, die ersten Aufräumarbeiten sind abgeschlossen. In den Medien wurden (wenn auch oft im Nachhinein) die Schuldigen beim Namen genannt: Es waren Linksextremisten, die ein Gipfeltreffen zum Anlass für Gewaltexzesse und Krawalle nahmen. Doch das Führungspersonal der Linken sieht das anders, wie es zuletzt Jutta Ditfurth bei Maischberger eindrücklich bewiesen hat. Anstelle ehrlicher Selbstkritik und einem geschlossenen Ruf nach Strafverfolgung geht es ausschließlich um eines: die Rehabilitation der randalierenden Linken. Aber kommt uns diese Art der „Heiligsprechung“ nicht von irgendwoher bekannt vor?
Das politische Reframing der letzten Jahrzehnte muss um jeden Preis aufrecht erhalten werden. Linke sind stets vor jedem Zweifel erhaben, moralisch einwandfrei und wenn sie denn (ausnahmsweise) zur Gewalt greifen, dann gegen Sachen, bevorzugt Symbole des Kapitalismus. Grundsätzlich aber sind Linke also natürlich gut, ganz ohne Zweifel. Daraus folgt dann ganz konsequent: Wenn jemand Gewalt ausübt, dann kann er nicht links sein. Diese Ansicht wird ganz vehement vom ebenfalls linken Establishment gepusht und natürlich auch auf die Krawalle in Hamburg angewendet.
Hierbei bringt es besonders wieder Ralf Stegner (stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD und Wahlverlierer in Schleswig Holstein) auf eine bisher ungeahnte Qualität und scheut auch nicht vor dem Griff in die Schmuddelkiste zurück:
„…Anständige Linke hatten noch nie was mit Gewalttätern gemein. Bei Rechten gehört Gewalt dagegen zur politischen DNA…“
Etwas gehört zur politischen DNA der Rechten? Kurze Erklärung: Wir reden hier von einem Begriff aus der Biologie, der das menschliche Erbgut bezeichnet. Hier wird also ein Begriff aus der Biologie auf eine Menschengruppe angewendet. Vor meinem geistigen Auge sehe ich einen Polittalk, zu dessen Gästen auch Ralf Stegner gehört. Ein Vertreter der FDP, CDU oder AfD wirft Stegner in der Sendung vor, dass irgendeine negative Eigenschaft ja ganz klar zur DNA der politischen Linken gehöre. Wie laut wäre wohl der Biologismus-Vorwurf in der Sendung und im anhaltenden Shitstorm? Würde der böse „Rechte“ dann vielleicht sogar noch vor laufenden Kameras in Ketten gelegt und abgeführt?
In diesem Zitat von Ralf Stegner lässt sich das bereits angesprochene Reframing der letzten Jahrzehnte sehr eindrucksvoll darstellen. Die Behauptung, dass Rechte per se gewalttätig seien, wäre in jedem Land außer Deutschland (und vielleicht einigen ähnlich verwirrten Ländern wie z.B. Schweden) völlig unhaltbar. Sicherlich gibt es gewalttätige Skinheads oder Hooligans, die sich für ihre Randale, Pöbeleien und anderen Verbrechen als Rückendeckung auf ihre rechtsextreme Gesinnung berufen. Aber kann man das global auf alle „Rechten“ beziehen? Dazu müsste man zuerst einmal klären, was eigentlich genau „rechts“ ist und wer überhaupt als „Rechter“ gilt. Dies fällt in einem Land wie Deutschland umso schwerer, was besonders wieder im politischen Reframing der BRD begründet ist. „Rechts“ wurde als generell „böse“ und ebenso „dysfunktional“ gebrandmarkt. Die politische Kultur wurde und wird nicht von einer inhaltlichen Auseinandersetzung zwischen links und rechts, sondern vom allgegenwärtigen Kampf gegen rechts und der gleichzeitigen Dämonisierung davon geprägt.
Dies spiegelt sich jetzt auch in der Nachbearbeitung der Krawalle in Hamburg zum G20-Gipfel wider. Linke verfallen beim Thema Verantwortung in die Devise, dass nicht sein kann, was nicht sein darf:
„…Ist es so schwer zu verstehen, dass Linkssein und Gewaltbereitschaft für mich als Linken nicht zusammenpasst? Rechte verstehen davon nichts!…“
Rechte dürfen also nichts über Linke sagen, müssen sich aber von Linken sagen lassen, was in ihrer DNA ist? Sieht so ein fairer, demokratischer Diskurs nach Gusto eines hohen SPD-Funktionärs aus? Da muss man sich schon fragen, ob zukünftig Gespräche und Diskussionen auf dieser Basis überhaupt einen Sinn machen können, oder lediglich Zeit und Nerven kosten. Wo immer Linke auf Nichtlinke treffen, sieht es jedenfalls so aus, als wären Linke nicht dazu in der Lage.
Wer hier noch zweifelt, erfährt von Herrn Stegner zweifellos, wie er seine Worte meint:
„Deutungshoheit, was angeblich links sein soll, habe ich noch nie Konservativen, Rechten, erst recht nicht gewalttätigen Extremisten, zugebilligt.“
Solche öffentlichen Aussagen eines prominenten Linken müssen ernst genommen werden, stellen sie doch eine klare Absage an die Grundannahmen unserer demokratischen Kultur dar, denn Demokratie und Meinungsfreiheit ist nicht, was Linke dazu erklären!
Wie Ralf Stegner gerne mit Rechten umgeht, hat er aber ebenfalls schon postuliert:
„Fakt bleibt, man muss Positionen und Personal der Rechtspopulisten attackieren, weil sie gestrig, intolerant, rechtsaußen und gefährlich sind!“
Im Anschluss an diesen Tweet reagierte Stegner wie ein aufgescheuchtes Huhn, als er (berechtigt) befragt wurde, was er denn mit „Attacken auf rechtes Personal“ genau verstünde. Schnell beeilte er sich damals nachzuschieben, dass er dies freilich nicht als Aufruf zu körperlichen Attacken verstanden wissen will. Wie war noch einmal die Definition von geistiger Brandstiftung?
An dieser Stelle könnten beim sehr verehrten Leser die Alarmglocken klingeln. Kommt Ihnen diese Art der linken Apologation nicht irgendwie bekannt vor? Man könnte hier nämlich an die Art denken, wie die Mehrheit der Muslime mit den Verbrechen und Terroranschlägen von muslimischen Tätern umgehen. Kurz gesagt besteht die Strategie der meisten Muslime schlicht und einfach darin, den Tätern die Zugehörigkeit zum Islam abzusprechen. Echte Linke/Muslime verhalten sich „so“ einfach nicht. Man stelle sich vor, was passieren würde wenn Rechtsextreme künftig argumentieren würden: Die Täter, die einen Flüchtling verprügelt haben, sind keine Rechtsextremen. Rechtsextreme sind grundsätzlich gewaltlos. Wenn jemand Gewalt anwendet, missbraucht er den Rechtsextremismus.
Hier wird die infantile Denkweise hinter der „Das war keiner von uns“-Technik deutlich, denn hinter diesem Verhalten steht nichts anderes als die Binsenweisheit „wer sich verteidigt, klagt sich an“. Wie praktisch, oder? Betrachtet man aus dieser Brille die zahlreichen „Gegen rechts“- und „Solidaritäts-Veranstaltungen“, handelt es sich bei den Besuchern dieser Veranstaltungen also eigentlich um Schuldige im Sinne der Anklage, die sich durch ihre „Verteidigung“ selbst anklagen…
Der G20-Gipfel in Hamburg war ohne Zweifel ein Desaster. Ergebnisse konnte man im Anschluss kaum aufweisen, jedenfalls nichts, was als solches medienwirksam verkauft werden konnte. Die Bundeskanzlerin und Hamburgs OB Scholz müssen sich fragen lassen, was sie sich mit dem Gipfel ausgerechnet in der Hansestadt gedacht haben. Die Sicherheitsbehörden müssen sich abwechselnd anhören, ob sie zu früh oder zu spät eingegriffen haben und ob die Maßnahmen zu hart oder zu lasch waren. Darüber hinaus wurde aber unser bundesdeutsches Politspektrum auf hervorragende Weise visualisiert und in Frage gestellt. Es gibt nicht nur rechte Gewaltverbrecher, sondern auch linke. Hamburg war mitnichten das einzige eindrucksvolle Beispiel linker Gewalt, aber das mit Abstand aufsehenerregendste. Damit muss die politische Linke und ihre zahlreichen Vertreter im Establishment und in den Medien klarkommen. Die bundesdeutsche Öffentlichkeit als Ganzes hat aber ebenfalls eine Denkaufgabe gestellt bekommen: Wenn es also auch linke Gewalt gibt, aber über Jahrzehnte andauernd linke Inhalte in Politik und Gesellschaft diskutiert und integriert hat – könnte es sein, dass man nun auch rechte Inhalte nicht nur diskutieren, sondern auch in realpolitische Formen gießen kann und sollte? Ist weiterhin der jetzige Zustand unseres Landes vielleicht aufgrund eines Mangels an rechten und konservativen Themen und Köpfen zu entstanden? Können wir es uns leisten, weiterhin mit einem linkslastigen Kahn durch stürmische Zeiten zu schippern?
Foto: Ralf Stegner — flickr.com SPD Schleswig-Holstein