„Ihr Nazis habt gar keine Rechte!“ — Ein Erlebnisbericht

In den Kra­wallen zum G20-Gipfel in Hamburg und auch den Ereig­nissen der Sil­ves­t­er­nächte in Köln ver­dichtet sich nur die Atmo­sphäre, die inzwi­schen das Leben in ganz Deutschland – ja, sogar im sonst so fried­lichen Süden der Republik – prägt. 20 Minuten am Würz­burger Haupt­bahnhof: Ein Erleb­nis­be­richt von David Berger

Freitag Mittag am Bahnhof des nord­bay­ri­schen Städt­chens Würzburg, das zuletzt durch das Axt­mas­saker in einer Lokalbahn kurz vor Würzburg Schlag­zeilen machte. Mein Zug hat Ver­spätung, ich sitze im McDo­nalds – neben mir eine Gruppe Jugend­licher, etwa 16 bis 18 Jahre alt. Sie erzählen von der kranken Leh­rerin, die ihnen den ver­frühten Unter­richts­schluss beschert hat, drücken auf ihren Smart­phones herum.

Die lang­weilige All­tags­stimmung wird auf einmal durch ein Geschrei auf dem Bahn­hofs­vor­platz durch­brochen, ein Mädchen stürmt durch die Glastüre in das Fast­food­re­staurant: „Sie sind wieder da!“ schreit sie.

Alles stürmt nach außen. Innerhalb von wenigen Augen­blicken ent­steht eine Schlä­gerei, eine ältere Frau flüchtet sich aus dem Schlacht­ge­tümmel in das Restaurant. „Schon wieder“, das macht mich nur noch fertig hier.

Als Angsthase hinter der Glastür stehen geblieben, frage ich die Geflüchtete, die inzwi­schen ihr Leber­kä­se­brötchen aus­ge­packt hat, was da los ist. „Asy­lanten“, sagt sie. „Immer die­selben. Machen hier die Mädchen an, aber auch mich schon. Und klauen die Handys“.

Inzwi­schen sind einige Poli­zisten ein­ge­troffen, andere kommen zur Ver­stärkung hinzu. Jetzt finde auch ich den Mut raus­zu­gehen, mache einige Fotos, die Mädchen aus der Schü­ler­gruppe stehen neben mir. Fragen mich, was ich foto­gra­fiere. Ich erzähle ihnen, dass ich Blogger bin und über solche Dinge berichte. Schnell ent­steht ein Gespräch:

Sie erzählen, dass eine von ihnen gestern Abend hier von den „Asy­lanten ver­ge­waltigt“ worden sei. Ich solle doch mal abends kommen und das alles hier filmen und foto­gra­fieren, weil man ihnen ja nicht glaube. 

Bei näherem Nach­fragen zeigt sich aller­dings, dass es sich bei dem von ihr Berich­teten nicht um eine Ver­ge­wal­tigung im strengen Sinne handelte.

Sie zeigt auf einen der jungen Männer, die die Polizei umzingelt hat und der ein T‑Shirt mit einem großen Anarcho-Symbol anhat. Dem Aus­sehen nach könnten sie aus Afgha­nistan stammen.

Ich mache noch ein Foto, während sie weiter spricht. Der habe ihre Freundin ver­folgt, ange­fummelt, dann sein Glied aus­ge­packt und das Ona­nieren angefangen.

Unser Gespräch wird jäh unter­brochen. Zwei junge Männer, unge­pflegter Bart, schwarze Kla­motten, Kapu­zen­shirts drängen sich zwi­schen uns. Was wir hier zu besprechen hätten und warum ich hier Fotos mache, wollen sie wissen. 

Ich sage direkt, dass ich Blogger bin und über solche Vor­fälle berichte. Der Ton wird nun noch rauer, aggressiv, aber ich weiß die Polizei in der Nähe. „Ob ich noch nie etwas vom Recht auf das eigene Bild gehört habe, fragen sie. Ich erkläre, dass ich hier nicht gegen Bild­rechte ver­stoße, wir uns im öffent­lichen Raum befinden und ich nur mein Reche als Bürger eines freien Landes wahrnehme.“

„Auch Flücht­linge haben Men­schen­rechte! Nazis wie Du haben gar keine!“, sagt der „süd­län­disch Aus­se­hende“ der beiden in gebro­chenem Deutsch und nimmt eine aggressive Kör­per­haltung ein. 

Der andere knöpft sich so lange meine Gesprächs­part­nerin vor, ich höre ihn „Nazi­fotze“ schimpfen – sie geht zu den anderen, die bei der Polizei stehen. Ich biete den beiden, die sich Sorgen um das Recht auf das eigene Bild machen, an, das bei der Polizei zu klären.

„Fick Dich!“ rotzen sie mir ent­gegen und ver­schwinden. Ich bekomme gerade noch meinen Zug nach Berlin. Und weiß jetzt:

Um die Atmo­sphäre von G20 in Hamburg und der Sil­ves­t­er­nächte in Köln zu erleben, muss ich nicht nach Berlin fahren, sie hat sich längst über ganz Deutschland ver­breitet. Ein Land auf dem Weg in den Bürgerkrieg?

 

Dieser Artikel erschien ursprünglich hier:

https://philosophia-perennis.com/2017/07/31/wuerzburg-hauptbahnhof/